Lob und Kritik: Ärzteorganisationen sehen neue Approbationsordnung durchwachsen

Wie soll die ärztliche Ausbildung ab 2025 aussehen? Das Bundes-Gesundheitsministerium (BMG) hat dazu jetzt einen Entwurf vorgelegt. Das Feedback von Marburger Bund, Hartmannbund und Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvmd) enthält Lob, aber auch einige Kritik.

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In ihren Stellungnahmen gehen die Medizinerverbände kritisch auf verschiedene Aspekte der neuen Approbationsordnung ein. Dennoch sehen alle drei Verbände deutliche Versäumnisse in dem Entwurf. "Mehr Schatten als Licht" heißt es vom Hartmannbund und die bvmd sieht jede Menge "ungenutztes Potential".

Hartmannbund kritisiert Erhöhung der Gesamtstundenzahl

„Dass die Trennung von vorklinischen und klinischen Ausbildungsinhalten aufgehoben wird, finden wir gut. Ebenso die Festschreibung digitaler Lehrmethoden, die Einbeziehung des Themas Patientensicherheit und die Aufteilung des Praktischen Jahres in Quartale, auch wenn es dabei sehr auf die Umsetzung ankommt“, erklären Anna Finger und Philip Simon, Vorsitzende des Ausschusses der Medizinstudierenden im Hartmannbund. Kritisch äußert sich der Ärzteverband allerdings mit Blick auf die Erhöhung der Gesamtstundenanzahl des Medizinstudiums auf über 800 Stunden. Das stehe im Widerspruch zum Masterplan Medizinstudium 2020, heißt es in einer Pressemitteilung. Wenn neue Studieninhalte eingeführt werden, müsse man auch alte, obsolete Inhalte dafür streichen, mahnt der Hartmannbund.

Ein weiterer Kritikpunkt: Auch bei der Stärkung der Allgemeinmedizin dürfe die individuelle Gestaltungsmöglichkeit der Medizinstudierenden nicht eingeschränkt werden. Dies geschehe jedoch durch die inhaltliche Aufteilung der Blockpraktika und den allgemeinmedizinischen Prüfungsanteil des 3. Staatsexamens, der indirekt zu einem PJ-Quartal in einer Allgemeinmedizinischen Praxis verpflichten würde. Außerdem vermisst der Hartmannbund in dem Entwurf auch ausreichende Übergangszeiten zwischen der aktuellen und der neuen Approbationsordnung und eine Ergänzung der Innovationsklausel, die auch weiterhin eine inhaltliche Umstrukturierung des Humanmedizinstudiums ermöglicht.

bvmd: Im 21. Jahrhundert angekommen

Die bvmd lobt in ihrer Stellungnahme zunächst, dass in den Entwurf viele Lehren aus den Erfahrungen mit der COVID-19-Pandemie in den vergangenen Monaten eingeflossen seien. Außerdem sieht der Studierendenverband viele Ansätze, mit denen die Lehre und Forschung sowie die medizinische Versorgung der Bevölkerung weiterentwickelt werden könne. Auch die kompetenzorientierte Ausrichtung des künftigen Medizinstudiums hebt die bvmd positiv hervor und begrüßt die individuelle Flexibilisierung des schriftlichen Teils des Ersten Abschnittes der Ärztlichen Prüfung. Da in der neuen Approbationsordnung digitale Lehrformate explizit ermöglicht werden, sei die medizinische Ausbildung in Deutschland mit dem Entwurf endlich im 21. Jahrhundert angekommen. Dieser Bereich müsse nun kontinuierlich weiterentwickelt werden.

Spuren hinterlässt die Pandemie auch in der neuen Ärztlichen Approbationsordnung, die jetzt das Bundesgesundheitsministerium im Entwurf vorlegte. Digitale Kompetenzen sowie Kenntnisse zum Öffentlichen Gesundheitsdienst sollen ebenso wie die Allgemeinmedizin verstärkt verankert werden.

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Die bvmd lobt auch den frühen Praxisbezug im Studium. “Die geplante Verzahnung von Theorie und Praxis sowie die starke Fokussierung auf übergeordnete Kompetenzen anstatt einzelner Fächer ist ein richtiger und wichtiger Schritt hin zu einer interdisziplinären Ausbildung.” so Stella Schayan-Araghi, Bundeskoordinatorin für Medizinische Ausbildung im Vorstand der bvmd. Ebenfalls positiv: Die Etablierung des öffentlichen Gesundheitswesens als eigenes Fach und die Stärkung der ambulanten Medizin.

Marburger Bund lobt Praxisbezug interprofessionelle Ausbildung

Den stärkeren Praxisbezug im Entwurf der neuen Approbationsordnung lobt auch der Marburger Bund. Es entspreche langjährigen Forderungen des Verbandes, dass Medizinstudierende von Beginn an mit Patienten und realem Handlungsgeschehen in Berührung kommen und im Studium zugleich auch basiswissenschaftliche und evidenzbasierte Grundlagen vermittelt werden, heißt es in der Stellungnahme. Allerdings habe die Politik es versäumt, den durch die Neustrukturierung des Studiums entstehenden Finanzbedarf zu ermitteln. Der deutlich höhere Zeitaufwand stößt auch beim Marburger Bund auf Kritik: „Eine solch umfangreiche Erhöhung der Unterrichtszeit, der keine Kürzungen an anderer Stelle gegenüberstehen, ist aus Sicht des Marburger Bundes weder den Studierenden noch dem Lehrpersonal zuzumuten.“

Als positiv bewertet der Marburger Bund die Ansätze zu einer gemeinsamen Ausbildung mit anderen Gesundheitsberufen, da Interprofessionalität in der Gesundheitsversorgung der Zukunft eine besondere Rolle spielen werde. Gleiches gelte für kommunikative Kompetenzen, sowohl im Arzt-Patienten-Verhältnis wie auch in intra- und interprofessionellen Gesprächen. Und auch die stärkere Ausrichtung auf die ambulante Medizin sei grundsätzlich richtig.

Kritik aller Verbände: Noch immer keine Aufwandsentschädigung im PJ

In einem Kritikpunkt sind sich alle drei Interessenvertretungen einig: Dass in der neuen Approbationsordnung noch immer keine verpflichtende Aufwandsentschädigung im PJ festgelegt sei, sei mehr als enttäuschend, heißt es vom Marburger Bund. Und auch der Hartmannbund kritisiert scharf, dass es im PJ noch immer keine Aufwandsentschädigung und eine klare Trennung von Urlaubs- und Krankheitstagen gebe. Dafür habe man kein Verständnis, heißt es in der Stellungnahme: „Angehende Mediziner werden durch eine breit gefächerte Ausbildung zu kompetenten Ärztinnen und Ärzten und nicht durch verpflichtende Abschnitte oder Prüfungen in bestimmten Fächern.“

Die bvmd, die sich schon lange mit dem Projekt "Faires PJ" für Veränderungen einsetzt, zeigt sich enttäuscht. “Dass das BMG eine Kernforderung der Medizinstudierenden wiederholt außer Acht lässt, enttäuscht uns sehr. Hierdurch sind viele Studierende gezwungen, neben einer Vollzeit-Tätigkeit in der Krankenversorgung einer Nebentätigkeit nachzugehen, um ihre Existenz zu sichern.”, erläutert Joachim Pankert, Leiter des Projekt faires PJ der bvmd. “Dies sorgt unter anderem für Probleme beim Einhalten der Ruhezeiten und infolgedessen nicht nur zu einer Gefährdung der Studierenden selbst, sondern auch der Patienten und Patientinnen. Nicht zuletzt folgt zudem eine Verminderung des Lernerfolgs in diesem essentiellen Abschnitt der Ausbildung.” so Pankert weiter. Die bvmd wiederholte daher ihre Forderung nach einer existenzsichernden Aufwandsentschädigung in Höhe des BAFöG-Höchstsatzes und nach einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen im PJ, in Blockpraktika und in Famulaturen. Diese Änderungen müssten bereits vor 2025 durch eine Änderung der bestehenden Approbationsordnung eingeführt werden.

Quellen: bvmd (18.1.2021), Marburger Bund (15.1.2021), Hartmannbund (15.1.2021)

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