Künftig soll KI den Ärztinnen und Ärzten dabei helfen, CT-Aufnahmen automatisch nach verdächtigen Zeichen für bestimmte Befunde abzusuchen und auf dringliche Probleme hinzuweisen. Dafür entwickelt ein Verbundprojekt unter dem Namen „Künstliche Intelligenz (KI) für radiologische Bildgebung in der Notfall- und Intensivmedizin“ (KI-RAD) jetzt eine neue Software.
Der neue, intelligente KI-Röntgenassistent soll dabei helfen, wichtige Informationen aus Röntgen- und CT-Bildern zu filtern, die entscheidend für die weitere Versorgung von Patientinnen und Patienten sind. Hierfür wurden drei kritische Anwendungsbereiche ausgewählt: Schlaganfall, Knochenverletzungen und Röntgenaufnahmen des Brustkorbes (Röntgenthorax). „Gerade in der Notfall- und Intensivmedizin kann ein intelligenter Röntgenassistent lebensrettend sein, da er schnell Dinge erkennt und dafür sorgt, dass man nichts übersieht“, erklärt der Projektkoordinator Dr. Claus-Christian Glüer, Professor für Medizinische Physik an der Uni Kiel.
Zeitgewinn für Schlaganfall-Patienten
So kommt es beispielsweise bei einem Schlaganfall auf jede Sekunde an: Hier gilt "time is brain". Wichtig ist vor allem, schnell zu differenzieren, ob ein verschlossenes Blutgefäß die Symptome verursacht oder eine Hirnblutung. „Die Symptome sind in beiden Fällen ähnlich, die Konsequenzen aber ganz andere“, betont Glüer. Im ersten Fall müsse die Durchblutung des betroffenen Gehirnbereichs durch Gabe spezieller Medikamente schnellstmöglich wiederhergestellt werden. Im zweiten Fall müsse man die Blutung schnell stoppen und Schädigungen durch das austretende Blut vermeiden.
Bei Verletzungen von Knochen soll das KI-gestützte Analysesystem zum einen zwischen frischen Frakturen infolge eines Unfalls und alten Brüchen, beispielsweise als Folge von Osteoporose unterscheiden. Zum anderen soll das System instabile Brüche erkennen, die eine besondere Vorsicht im Umgang mit Betroffenen erfordern. So besteht bei Wirbelkörperfrakturen beispielsweise die Gefahr, dass das Rückenmark verletzt wird und Lähmungen auftreten. Und auch bei den Röntgenaufnahmen des Brustkorbes geht es darum, Probleme zu erkennen, die schnell behandelt werden müssen, zum Beispiel bei Atemnot durch einen Pneumothorax. Außerdem kann die KI auch die richtige Platzierung von Kathetern überprüfen.
Grundlage für die Entwicklung des intelligenten Röntgenassistenten sind CT-Bilder, die von spezialisierten Radiologinnen und Radiologen interpretiert und kategorisiert wurden. Das KI-System lernt aus diesen Beispielbildern, erkennt Muster und Gesetzmäßigkeiten. Zusätzlich können auch Informationen von anderen Bildgebungsmethoden, etwa der Magnetresonanztomografie (MRT), genutzt werden, um das System zu trainieren. „Im MRT kann man zum Beispiel Ödeme (Flüssigkeitseinlagerungen), die auf eine frische Fraktur von Wirbelkörpern hinweisen, einfacher und klarer erkennen als etwa auf einem CT-Bild“, erklärt Glüer. Künstliche Intelligenz könne diesen Nachteil eventuell ausgleichen.
KI-Unterstützung auch für kleinere Krankenhäuser
Das Analysesystem kann künftig beispielsweise in kleineren Kliniken zum Einsatz kommen, in denen es nicht genug spezialisierte Radiologinnen und Radiologen gibt. Aber auch ein Einsatz zu Trainingszwecken ist denkbar. Doch bis dahin wird es noch etwas dauern, erklärt Glüer: „Zunächst einmal müssen wir schauen, wie die Aussagekraft ist, ob wir eine ganz spezifische, aussagekräftige Befundung erreichen. Das wollen wir in dem Forschungsverbund von Fachleuten aus der Radiologie und KI zusammen mit Firmen herausfinden und einen Präprototypen entwickeln.“ Wenn die Aussagekraft gut sei, könne dieser anschließend im klinischen Alltag getestet werden.
Das Projekt „Künstliche Intelligenz (KI) für radiologische Bildgebung in der Notfall- und Intensivmedizin“ (KI-RAD) ist auf drei Jahre angelegt und wird mit 1,5 Millionen Euro vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Neben der Uni Kiel sind auch die Uni Lübeck, das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) sowie die Unternehmen Philips (Hamburg), und mbits (Heidelberg) beteiligt.