Teamarzt bei Hertha BSC: „Es ist eine Leidenschaft, von der man nicht loskommt“

Auch nach 18 Jahren kein Selbstläufer

Routine und Selbstbewusstsein allein reichen nicht, um als Teamarzt bestehen zu können. Vielmehr ist der Job auch nach 18 Jahren alles andere als ein Selbstläufer. Verein, Spieler und Trainer erwarten, dass Schleicher stets über neueste Entwicklungen der Sportmedizin im Bilde ist. Und er bemüht sich, dem nachzukommen, indem er in Berlin Kongresse und fachspezifische Symposien besucht, wann immer es die Zeit zulässt. „Es ist extrem wichtig, sein Wissen regelmäßig zu überprüfen und zu erfahren, welche neuen Therapiemethoden es gerade gibt.“ Es sei für die Psyche der Spieler entscheidend, dass sie sich gut aufgehoben wüssten und Vertrauen in die Diagnose und Therapiewege hätten.

Zu den Spielern hat Schleicher zwar ein enges, aber gleichzeitig ein distanziertes Verhältnis. Heute. Zu Beginn seiner Karriere war das anders. „Als ich anfing, war ich 36 Jahre alt und die ältesten Spieler bei Hertha, wie etwa Michael Preetz, waren Anfang 30. Da ist man auch schon mal miteinander weggegangen. Heute könnten die jungen Spieler meine Kinder sein und leben in ihrer eigenen Welt.“ Allerdings ist klar, dass die Chemie stimmen muss: „Man muss als Typ von den Spielern akzeptiert werden und einen Draht zu ihnen haben, sonst funktioniert der Job nicht.“

Guter Draht zu Trainern und Spielern

Einen Draht hat Schleicher offensichtlich nicht nur zu den Spielern, sondern auch zu den Trainern. Dass ein Teamarzt bereits seit 18 Dienstjahren bei ein und demselben Verein tätig ist, ist im Profigeschäft eine Rarität. Denn: Jeder Trainerwechsel ist knifflig. „Wenn ein neuer Trainer kommt, hat er das Sagen. Auch für einen Vereinsarzt ist das manchmal schwierig.“ Man müsse behutsam herausfinden, wie ein Trainer tickt, was er will, was seine Wünsche sind, wo potenzielle Reibungspunkte liegen. Es könne durchaus vorkommen, dass ein Teamarzt einen Trainerwechsel nicht überlebt. Bei Schleicher ist bislang jeder Wechsel gut gegangen und das, obwohl sich bei der Hertha schon oft das Trainerkarussell gedreht hat. Wie viele Trainer er schon überlebt hat? Schleicher lacht und überlegt kurz, dann zählt er leise durch. „Eins, zwei, drei... .“ Bei acht bleibt er stehen. „Es waren mehr als das. Aber da müsste ich mich schon richtig konzentrieren, um sie alle zusammenzubekommen.“

Privat: Die Unterstützung der Familie ist gewiss

Urlaub? Auszeit? Ein schwieriges Thema für den medizinischen Chef eines Profikaders. Spieler und Verein schießen sich auf den Mediziner ein, erwarten seine Dauerpräsenz. Schleicher ist es inzwischen jedoch gelungen, sich etwas Freiraum rauszuboxen. Seit sechs Jahren hat er einen Vertreter, der ihm ab und zu den Rücken frei hält. Sich völlig auszuklinken ist allerdings selbst dann nicht möglich, wenn Schleicher für einen Urlaub einmal fernab von Berlin weilt. „Auch wenn ich im Urlaub bin, telefonieren mein Kollege und ich regelmäßig. Wenn es Probleme gibt, müssen wir uns eng abstimmen“, sagt Schleicher. Er mache dies nicht nur seinem Vertreter zuliebe, sondern auch für sich selbst. „Ich muss wissen, was läuft.“ Doch für Schleicher ist es nach 18 Jahren rund um den Fußball zwingend notwendig, sein Leben auch einmal ohne den Dauereinfluss der Lederkugel zu leben. Circa vier Wochen im Jahr macht er – mehr oder weniger – Hertha-frei.

Prof. Dr. med Schmidmaier

Im Interview verrät Univ.-Prof. Dr. med. Gerhard Schmidmaier, Leiter Unfall- und Wiederherstellungschirurgie der Universitätsklinik Heidelberg, worauf es bei der Facharztausbildung zum Unfallchirurgen ankommt und gibt einen Ausblick auf die Entwicklung der Orthopädie.

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Schleicher weiß, dass bei so viel Fußball mache Dinge zu kurz gekommen sind. Seine drei Kinder zum Beispiel, die heute 21, 19 und 12 Jahre alt sind. „Ich habe mich um meine Kinder nie so gekümmert, wie das vielleicht andere Familienväter machen. Und natürlich habe ich ihnen gegenüber ein schlechtes Gewissen, das kann ich klar sagen.“ Dass der intensive Job eines Mannschaftsarztes überhaupt mit der Familie vereinbar sei, habe er seiner Frau zu verdanken. „Sie ist Gott sei Dank immer mitgezogen, hat mich zum Glück nie vor die ultimative Frage gestellt und meine Arbeit immer toleriert.“

"Ein bisschen bekloppt"

Schleicher nennt es selbst, „ein bisschen bekloppt“, dass er sich seit inzwischen fast zwei Jahrzehnten mit Haut und Haaren dem Fußball verschrieben hat. Doch die Faszination Fußball lässt ihn nicht los: Bis heute hat er Herzklopfen, wenn er eine volle Arena betritt und die Fangesänge hört. Ans Aufhören denkt er nach wie vor nicht. Wenn er nicht irgendwann bei einem Trainerwechsel von der Hertha vor die Tür gesetzt wird, will er noch eine Weile mit in die Stadien einlaufen. Das Phänomen Teamarzt ist für ihn ziemlich leicht auf den Punkt zu bringen: „Es ist eine Leidenschaft, von der man nicht loskommt.“

Quelle: Dieser Artikel ist erschienen in: Deutsches Ärzteblatt 2016, Heft 24, A1150  

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