In der Studie untersuchten Neurowissenschaftler des Sonderforschungsbereichs 874 der Ruhr-Universität Bochum den Einfluss von Stress auf die Wahrnehmung von Gesichtern und Landschaften. Hintergrund für den negativen Einfluss ist die Verarbeitung der Informationen im Hippocampus, ein Bereich im Schläfenlappen des Gehirns, dessen Funktion durch das Stresshormon Cortisol beeinflusst wird.
Vorgängerstudien hatten bereits gezeigt, dass die Ausschüttung des Stresshormons das Langzeitgedächtnis im Hippocampus beeinflusst. Außerdem wurde belegt, dass dieser Teil des Gehirns nicht nur für das Gedächtnis verantwortlich ist, sondern auch an der Wahrnehmung von Landschaften oder Raum beteiligt ist. Das Team der Studie, geleitet von Prof. Dr. Oliver T. Wolf (AE Kognitionspsychologie) und Prof. Dr. Boris Suchan (AG Klinische Neuropsychologie), hat diese Forschungsstränge verbunden und untersucht, wie sich Stress auf die räumliche Wahrnehmung und das Verarbeiten von Gesichtern auswirkt.
Probanden in Stresssituation versetzt
Um die Wahrnehmung von Gesichtern und Landschaften unter Stress und ohne Stress zu unterscheiden, führten die Wissenschaftler eine Verhaltensstudie mit jungen Männern durch. Der in der Stressforschung etablierte "sozialevaluative Kaltwasser-Stresstest" wurde genutzt, um Stress – und damit die Ausschüttung von Cortisol – künstlich zu erzeugen. Die Studienteilnehmer wurden aufgefordert, ihre Hand so lange wie möglich, aber maximal nur drei Minuten, in Eiswasser zu tauchen. Dabei wurden sie gefilmt und von einer weiblichen Forscherin beobachtet und angeleitet.
Das Ergebnis: Die gestressten Probanden schnitten speziell bei der Wahrnehmung von komplexen Landschaftsszenarien weniger gut ab als die nicht gestressten Teilnehmer der Kontrollgruppe. Bei der Wahrnehmung von Gesichtern zeigte sich jedoch kein statistisch signifikanter Unterschied. „Unsere Ergebnisse bestätigen die Idee, dass Landschaften und Räume im Hippocampus, Gesichter jedoch in anderen Arealen des Schläfenlappens verarbeitet werden,“ erklärt Doktorand Marcus Paul. „Stress hat einen entscheidenden Einfluss auf den Hippocampus und beeinträchtigt nicht nur den Gedächtnisabruf, sondern auch die räumliche Wahrnehmung.“ Um die Ergebnisse der Studie zu untermauern, werden weitere Untersuchungen im Magnetresonanztomographen zu den speziellen Aktivierungsmustern des Hippocampus unter Stress, folgen.
Quelle: Ruhr-Universität Bochum, Dezernat Hochschulkommunikation. Studie: Paul M, Lech RK, Scheil J, Dierolf AM, Suchan B, Wolf OT (2016) Acute stress influences the discrimination of complex scenes and complex faces in young healthy men. Psychoneuroendocrinology. doi:10.1016/j.psyneuen.2016.01.007.