Was Prof. Andreas Kastrup vor zehn Jahren nach Bremen lockte? „Das war diese unglaubliche Vielfalt in der Neurologie, die hier abgebildet wird. Vom Schlaganfall bis zur seltenen Erkrankung“, sagt der Chefarzt der Neurologischen Klinik und Schlaganfalleinheit der Klinik Bremen-Mitte und -Ost. An zwei Standorten kann in seiner Klinik im Grunde jede neurologische Erkrankung diagnostiziert und therapiert werden. Vor allem das letztere Wort hat in der Neurologie enorm an Bedeutung gewonnen.
„Die Neurologie umgibt heute immer noch die Aura, dass sie sehr spannend ist, man aber nur wenig wirklich therapieren kann. Doch das stimmt heute längst nicht mehr“, sagt Kastrup. Es gebe nicht nur klare und spannende Diagnosen, sondern viel mehr Behandlungsmöglichkeiten. Was früher tödlich endete, kann heute gut therapiert oder gar geheilt werden. „Die Neurologie hat sich da sehr gewandelt.“
(I) Alles in Graustufen: Mithilfe der Angiografie können sich Ärzte bei Eingriffen wie der Thrombektomie genau orientieren. Dieses Bild zeigt, wie sehr der Blutfluss nach einem Schlaganfall blockiert wird, denn….| Foto: Kerstin Hase
Das fängt in der Schlaganfallbehandlung auf den Stroke Units an, für die das Klinikum Bremen-Mitte als überregionaler Versorger etabliert ist. Per Lyse und Thrombektomie können da zum Beispiel Gerinnsel akut aufgelöst oder sogar entfernt und so schwerwiegende Folgen verhindert werden. Auch in der Folge gibt es heute neue, erfolgsversprechende Möglichkeiten, das Gehirn wieder so umzuprogrammieren, dass motorische Beeinträchtigungen Stück für Stück zurückgingen.
Von MS bis GBS: Die Therapiefortschritte sind enorm
Und das reicht bis zu entzündlichen Erkrankungen des Nervensystems. „Die Entwicklungen in der MS-Therapie zum Beispiel sind enorm“, gibt Kastrup ein Beispiel. Multiple Sklerose verlaufe zwar bei jedem Menschen unterschiedlich, doch gebe es heute Medikamente, die die Krankheit in manchen Fällen sogar zum kompletten Stillstand bringen können. Nur noch in wenigen Fällen – unter fünf Prozent – führe die Krankheit binnen weniger Jahre zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen.
Auch bei selteneren Nervenerkrankungen kann der Behandlungserfolg mittlerweile sehr groß sein. Ein gutes Beispiel ist da das Guillain-Barré-Syndrom, bei dem schwer intensivmedizinische Patienten wieder ganz gesund zurück ins Leben finden.
Körperliche Untersuchung mit hoher Aussagekraft
„Die Neurologie ist zudem eine der letzten Disziplinen, bei der die körperliche Untersuchung bereits eine hohe Aussagekraft hat – noch bevor bildgebende Verfahren und Eingriffe mehr über einen Fall verraten“, erklärt Kastrup. Diese sehr systematische Diagnostik gepaart mit den heute großen Erfolgen in der Therapie, „das ist für mich eine faszinierende Kombination“.
(II) … normalerweise müsste ein solches Bild entstehen. Hier wurde der Blutstau bereits wieder aufgelöst. Deutlich mehr Adern werden dadurch wieder durchblutet.| Foto: Kerstin Hase
Prof. Kastrup ist Chefarzt der Neuroligischen Klinik und Stroke Unit der Klinika Bremen-Mitte und Bremen-Ost. Im Klinikverbund Gesundheit Nord gibt es zudem seit 2017 eine weitere Neurologische Klinik samt Stroke Unit am Klinikum Bremen-Nord unter der Leitung von Chefarzt Dr. Matthias von Mering.
Zur Person: Prof. Kastrup war vor seiner Bremer Zeit bereits Leitender Oberarzt an der Universitätsklinik in Göttingen. Er hat in Bonn studiert, seine Facharztweiterbildung in Tübingen absolviert, zwei Jahre in Stanford (USA) in der Forschung gearbeitet, ehe es ihn als Oberarzt nach Jena zog. Seit 2009 leitet er die Neurologie-Klinik in Bremen-Mitte und Bremen-Ost.
Bei der „Operation Karriere“ referiert Prof. Kastrup über das Thema Triff‘ den Nerv! Spannende Diagnosen, aber wirklich keine Therapie? Mehr zur Klinik und Stellenangebote in der Neurologie gibt es unter www.gesundheitnord.de.