In deutschen Kliniken ereignen sich pro Jahr durchschnittlich 93 000 Herz-Kreislaufstillstände. Kommt es zu einem Akutereignis, muss die Reanimation durch das Krankenhauspersonal so zeitnah und fehlerfrei wie möglich erfolgen. Nur durch ein Notfallmanagement mit klar definierten Frühwarnkriterien können Herz-Kreislaufstillstände verhindert werden – zu dieser Erkenntnis kommt die Auswertung von Langzeitdaten der Klinik für Anästhesiologie und Intesivtherapie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden.
Das Problem: Eine Umfrage ergab, dass nur ein Fünftel aller Notfallteams (Medical Emergency Teams [MET]) in deutschen Kliniken schon dann aktiv werden, wenn ein vor einem Herz-Kreislaufstillstand zu registrierendes Warnsymptom auftritt.
Mehr alte und schwerstkranke Patienten
Die Anzahl der alten und schwerstkranken Patienten in den Kliniken nimmt stetig zu. Damit erhöht sich auch das Risiko von Komplikationen, die sich zu lebensbedrohlichen Krisen entwickeln können. In solchen Fällen treten meist bereits Stunden vor dem Vorfall Symptome auf, die diesen ankündigen – werden in diesem Fall direkt Experten aus der Anästhesiologie und Intensivtherapie konsultiert, lässt sich durch frühzeitige Therapiemaßnahmen das Risiko verringern. „Patientensicherheit steht bei uns an erster Stelle. Am Universitätsklinikum Dresden konnten wir durch eine frühere Mitbehandlung durch das Notfallteam und die gegebenenfalls rechtzeitige Verlegung auf eine Intensivstation die Rate an Herz-Kreislaufstillständen deutlich senken“, sagt Prof. Dr. Thea Koch, Dresdner Anästhesistin und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI). Sie fordert daher, dass möglichst alle Kliniken ihr Notfallmanagement entsprechend dem Vorbild der Unikliniken Dresden und Bonn erweitern.
Die Anästhesisten der Uniklinik haben für die Ärzte und das Pflegepersonal einen Kriterienkatalog aufgestellt, um die frühen Anzeichen einer lebensbedrohlichen Situation von Patienten zuverlässig erkennen zu können. Außerdem schulen sie ihre Kollegen regelmäßig. Hierzu zählt auch ein Reanimationstraining, das einmal im Jahr eine Pflichtveranstaltung für alle an der Patientenversorgung beteiligten Mitarbeiter ist. Diese Maßnahmen gehören zu einem umfassenden Konzept zum innerklinischen, interdisziplinären Notfallmanagement am Dresdner Uniklinikum, zu dem auch die Vereinheitlichung des Notfallequipments, die Anschaffung automatisierter externer Defibrillatoren sowie die Verbesserung der Logistik der Alarmierung des Transports gehören.
Die Zahlen des Deutschen Reanimationsregisters aus dem Jahr 2015 belegen die Wirksamkeit dieser Maßnahmen. Trotz des erwähnten steigenden Schweregrades und der gleichzeitig ansteigenden Anzahl an Patienten bleibt die Zahl der notwendigen Reanimationen stabil. Auch die Rate der reanimierten Patienten, die 30 Tage nach der Entlassung noch leben, ist am Klinikum dreimal so hoch wie im Bundesdurchschnitt.
Bessere Versorgung für chronische Patienten
Ein Zusammenschluss führender Herzspezialisten aus dem Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI), den beiden ärztlichen Dachverbänden der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) warnt zudem, dass das Fehlen der Versorgungskontinuität für chronische Herzschwächepatienten nach dem Krankenhausaufenthalt die Betroffenen schwer belastet. In der Fachzeitschrift „Der Kardiologe“ empfehlen sie neben einer verbesserten kardiologischen Infrastruktur die sektorübergreifende, eng verzahnte Kooperation zwischen klinischer und ambulanter Betreuung der Herzschwächepatienten.
„Klassischerweise müssen chronische Herzschwächepatienten im Verlauf ihrer Erkrankung drei bis vier Mal stationär aufgenommen werden“, erklärt Kardiologe Professor Georg Ertl, Sprecher des DZHI. Die spezialisierten Versorgungseinheiten, von denen diese Patienten in der Klinik profitieren, gebe es noch viel zu selten. In der Nachsorge bestehe zudem ein Kommunikationsproblem: Die Patienten werden nach dem Klinikaufenthalt in eine Versorgungskette aus Kardiologen, Hausärzten und nichtärztlichen Leistungserbringern entlassen, deren Mitglieder nicht effektiv genug miteinander sprechen und kooperieren. „Viele Studien haben gezeigt, dass die Langzeitprognose bei Herzschwäche signifikant verbessert werden kann, wenn neue, sektorenübergreifende Behandlungsstrategien und Versorgungskonzepte umgesetzt würden“, so Ertl.
Herzinsuffizienz-Netzwerke für bessere Kooperation
Ertl stimmt daher für die Einrichtung von Herzinsuffizienz-Netzwerken. Sie sollen strukturell sicherstellen, dass stationäre und post-stationäre Versorgung Hand in Hand und nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen abläuft und die sektorenübergreifende Kommunikation effektiv stattfindet.
„Wir empfehlen ein Netz aus Versorgungskomponenten, das lokale und überregionale Versorgungseinheiten kombiniert: Schwerpunktpraxen oder –ambulanzen mit entsprechender technischer Ausstattung und spezialisiertem Pflegepersonal sollen lokal erste Anlaufstelle sein, Schwerpunktkliniken in den Krankenhäusern sind die nächst größere Anlaufstelle, in denen zusätzlich die vielen, komplizierten Begleit- und Folgeerkrankungen behandelt werden. Zuletzt stellen große, überregionale Zentren für Herzinsuffizienz Infrastruktur für chirurgische Eingriffe und Akutsituationen dar. Notwendig wird dies etwa beim Einbringen von Ersatzherzen oder Schrittmachern“, erklärt Ertl.
Quellen: Uniklinik Dresden, Uniklinik Würzburg und G. Ertl et al. Aufbau und Organisation von Herzinsuffizienz-Netzwerken (HF-Nets) und Herzinsuffizienz-Einheiten („Heart Failure Units HFUs“) zur Optimierung der Behandlung der akuten und chronischen Herzinsuffizienz. Gemeinsame Empfehlungen der DGK und der DGTHG zur Behandlung der Herzinsuffizienz. Der Kardiologe 4.2016.
http://leitlinien.dgk.org/files/2016_Empfehlung_DGTHG_DGK_Herzinfarkt_Netzwerke.pdf