DIABETES MELLITUS - Besorgniserregende Entwicklungen

Die gute Nachricht: In Stufe 1 können Sie selbst die Erkrankung noch aufhalten, ohne Medikamente nehmen zu müssen. Die besteht nämlich aus einer Umstellung der Nahrungs- und Lebensgewohnheiten. So banal das klingen mag, so wichtig ist es. Leider scheitert Stufe 1 ganz oft am Willen oder am Unvermögen der Patienten, sich zu ändern. Denn regelmäßiger Sport, Gewichtsabnahme und eine gute Diabetesschulung sind essenziell wichtig. Sport erhöht dabei die Sensibilität der Muskelzellen für Insulin und senkt so den Blutzuckerspiegel. Viele Diabetespraxen bieten mittlerweile auch Schulungen über den Umgang mit der Krankheit an. Sollten Sie einen frisch diagnostizierten Diabetes haben, so kann ich nur dringend raten, eines dieser Seminare zu besuchen, um sich über die Krankheit zu informieren.

Funktioniert die Sache mit der Lebensumstellung nicht, dann greift Stufe 2 des Therapieschemas. Hier wird dem Patienten das Medikament Metformin verschrieben. Dieses Mittel hat mehrere Effekte. Zum einen senkt es die Glukoseaufnahme aus dem Darm. Zum anderen reduziert es den Appetit, stoppt die körpereigene Glukoseproduktion  und erhöht die Aufnahme der Glukose in die Muskelzellen. Weil Metformin nicht in den Stoffwechsel des Insulins an sich eingreift, müssen bei dessen Einnahme keine lebensbedrohlichen Unterzuckerungen befürchtet werden. Allerdings darf nicht jeder das Medikament nehmen. Unter bestimmten Umständen ist das Mittel nicht erlaubt.

So viel zu Stufe 2. In Stufe 3 kommt dann noch ein anderes Antidiabetikum hinzu. Derer gibt es viele, und alle haben ganz furchtbar komplizierte Namen. Ihnen allen ist aber eigen, dass sie die Ausschüttung von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse stimulieren, was dann natürlich zum Unterzucker führen kann, wenn die Sache ganz schlecht läuft. Das ist auch der Grund, wieso von diesen Medikamenten erst niedrige und dann immer höhere Dosen gegeben werden, bis die Zieldosis erreicht ist.

In Stufe 4 der Diabetestherapie kommt nun noch ein sogenanntes Basisinsulin dazu. Dieses Medikament wird in den Bauch gespritzt und hat den Vorteil, dass es nicht auf einmal in den Blutkreislauf abgegeben wird, sondern nach und nach seine Wirkung entfalten kann. Damit wirkt es sehr lange und imitiert praktisch die natürliche Funktion der Bauchspeicheldrüse.

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Reicht das auch nicht, um den Zuckerspiegel effektiv zu senken, muss schließlich in der 5. Stufe ein zweites Insulin hinzugefügt werden, dessen Wirkung extrem kurz anhält, dafür aber sehr intensiv ist. Dieses Medikament wird meist kurz vor dem Essen gespritzt, um genügend Insulin im Blut zu haben, das dann den Zucker in die Zellen spülen kann. Mitunter werden nach und nach extrem große Mengen Insulin nötig.

Den Abstand zwischen der Insulingabe und dem Essen nennt man, nicht besonders kreativ, Spritz-Ess-Abstand. Manchmal ist der aus verschiedenen Gründen zu lang, weil der Patient vor dem Essen, aber nach der Insulingabe beispielsweise noch mal zur Toilette musste oder ihm irgendwann einfällt, dass er gar keinen Hunger hat. In einem solchen Fall kann es ebenfalls zu lebensbedrohlichen Blutzuckerabfällen kommen. Oft ist dann sogar ein Notarzt nötig, weil der Betroffene in Ohnmacht fällt. In Anbetracht der Tatsache, dass wir uns ja eigentlich seit nunmehr fast 5 Seiten mit der Überzuckerung beschäftigen, eine wahrlich ironische Sache. Aber sie zeigt das Dilemma auf, in dem sich Ärzte und Patienten mit fortgeschrittenem Diabetes befinden. Den Blutzuckerspiegel in der gesunden Marge zwischen 80 und 100 mg/dl zu halten ist extrem schwer. Übrigens – die früher propagierte Diabetikerernährung ist schwer aus der Mode gekommen und aus den Supermarktregalen fast gänzlich verschwunden. Zum einen hat sie nicht wirklich gegen die Krankheit geholfen, hat den Patienten aber suggeriert, sie müssten ihr Leben nicht grundlegend ändern, wenn sie nur die teure Diabetikernahrung zu sich nehmen. Zum anderen sind dort künstliche Zucker enthalten, und die sind ja auch nicht alle so extrem gesund.

Der gut eingestellte Diabetiker muss nun regelmäßig zum Hausarzt gehen, damit der bestimmte Bluttests und andere Untersuchungen durchführen kann. Vorhin haben wir schon kurz über den HbA1c-Wert gesprochen. Der kann nicht nur als Diagnosewert, sondern auch als sogenannter Verlaufsparameter genutzt werden. Er zeigt nämlich an, wie sich die Krankheit im Laufe der letzten Monate entwickelt hat, also wie sie eingestellt war. Es kommt durchaus vor, dass der HbA1c-Wert ziemlich hoch gemessen wird, obwohl der Blutzuckerwert gar nicht so übel ist oder sogar im Normbereich liegt.

Um dem vorzubeugen, können und müssen die Patienten auch zu Hause nachmessen können. Dafür gibt es heute richtig handliche kleine Minilabore. Die Blutzuckermessgeräte bekommen Sie ohne Rezept in jeder Apotheke. Dieses kleine Teil verrät Ihnen den aktuellen Zuckerwert aus einem kleinen Tröpfchen Blut, das Sie vorher mit Hilfe einer Lanzette, also einer Mininadel, aus Ihrem Finger holen.

Die regelmäßige Selbstbestimmung ist übrigens nicht nur wichtig, um zu wissen, ob der Diabetes gut eingestellt ist, sondern auch um auszurechnen, wie viel Insulin man spritzen muss, so es denn nötig ist. Um das alles zu lernen, sollten Betroffene wirklich unbedingt Diabetiker-Kurse besuchen.

So, nun haben wir es geschafft. Vielleicht zum Schluss noch eine kleine Info zum Angeben: Diabetes mellitus heißt übersetzt »honigsüßer Durchfluss«. Nach diesen 5 Seiten zum Thema können Sie sich vielleicht vorstellen, woher der Name kommt, oder? Na klar – vom honigsüßen Urin, der wegen des erhöhten Zuckergehaltes zu ständigem Wasserlassen zwingt. Früher stellten die Ärzte die Diagnose nämlich anhand des Uringeschmackstests. Gruselig, was?

Vita 

Geboren 1984, arbeitet Falk Stirkat seit 2010 als Arzt. Seiner anfänglichen Tätigkeit in einer großen chirurgischen Klinik ging das Studium der Humanmedizin an der renommierten Karls-Universität in Prag voraus. Es folgten Ausbildungszeiten in Notaufnahme und Intensivstation. Heute arbeitet der Autor als Leiter einer großen Notarztwache. Von seinen Erfahrungen als Notarzt erzählt er in seinen Büchern ich kam, sah und intubierte und 111 Gründe, Arzt zu sein. Im März 2017 ist sein neues Buch "Was uns krank macht" im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag erschienen. Diesem jüngsten Buch ist der obige Auszug entnommen. 

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