Vom Arztdasein in Amerika – Ärzte gehen seltener zur Wahl

Gestern haben Fans von Donald Trump das Kapitol gestürmt. Die Wahl des designierten Präsidenten Joe Biden wollen sie nicht anerkennen. Dr. Peter Niemann lebt und arbeitet schon lange in den USA. Im Beitrag schildert er, warum Ärzte und Ärztinnen vermutlich wenig zum Wahlsieg von Biden beigetragen haben.

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Die Präsidentschaftswahlen 2020 sind vorüber, und es gab dieses Jahr einen sehr untypischen Wahlverlauf: Eine gewisse Zeit lang war zunächst unklar wer denn eigentlich gewonnen habe. Außerdem gab es nach der Wahl vielfältige Anhörungen und Gerichtsprozesse wegen möglichen Wahlbetrugs, die selbst jetzt noch, während ich das hier schreibe (Anfang Dezember 2020), nicht abschließend geklärt sind. Es scheint zwar nicht wahrscheinlich, aber denkbar wäre ein Sieg Donald Trumps immer noch.

Entsprechend waren die Präsidentschaftswahlen wochenlang nach der Wahl Anlass größerer Diskussionen. Patienten sprachen zum Teil erhitzt über dieses Thema, aber natürlich auch wir Ärzte, Krankenschwestern und andere im Gesundheits­bereich angestellte Personen.

In den größeren Städten neigen die meisten eher den Demokraten zu, auf dem Lande eher den Republi­kanern zu, doch unisono stellte ich fest, dass viele gar nicht zur Wahl gegangen waren, obwohl sie doch so pointiert und wichtig gewesen war.

Mediziner sind wahlmüde

„Ich hatte keine Zeit“, sagte mir eine Kollegin und ein anderer meinte, er habe einfach die Wahl „vergessen“. Ich verstehe das, denn auch ich hatte viel zu tun am Wahltag, unsere Krankenhäuser sind derzeit sehr voll, aber hätte man dann nicht früher wählen gehen können (was in den meisten Bundesstaaten möglich ist) oder einfach Briefwahlunterlagen beantragen?

Doch wie sich herausstellt ist es gar nicht so unüblich, dass viele Ärzte gar nicht wählen gehen. Globaler kann man sogar von einer Wahlmüdigkeit aller im Gesundheitsbereich tätigen Personen reden: Während viele Akademiker wie Rechtsanwälte, Sozialarbeiter oder Ingenieure überdurchschnittlich häufig wählen gehen, tun das Ärzte 12 % seltener als der Durchschnitt der amerikanischen Bevölkerung. Das trifft auch auf Zahnärzte, Arztassistenten, Krankenschwestern und Apotheker zu.

Am häufigsten wird als Begründung angegeben, dass man „zuviel zu tun habe“ – doch haben die anderen Akademiker wirklich so viel mehr freie Zeit?

Ich persönlich glaube eher, dass ein gewisser Fatalismus Anlass sein könnte und will die Erklärung meiner Kollegin, wieso sie nicht zur Wahl ging, als abschließende Begründung unkommentiert wiedergeben: „Wir wissen doch, dass sich sowieso nichts ändern wird, egal wen wir wählen. Warum also wählen gehen?“

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