Die medizinische Diagnose ist gestellt, aber die komplexe Symptomatik bereitet Kopfzerbrechen. Patientinnen und Patienten sind dann auf eine schnelle Hilfe angewiesen. Gerade während der Corona-Pandemie wurde in der alltäglichen Behandlung auf den Intensivstationen deutlich, dass das Teilen von Wissen für die Patientenversorgung essentiell ist. Ein geeignetes Format für dafür sind. Ärztinnen und Ärzte unterschiedlicher Krankenhäuser können sich per Video zielgerichtet und zeitnah über Erkrankte austauschen und ihr Fachwissen über weite Entfernungen hinweg teilen.
Studie zur Evaluation
Um Telekonsile zu evaluieren, hat ein Forschungsteam des Lehrstuhls Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Betriebliche Anwendungssysteme von Prof. Dr. Stefan Smolnik in Kooperation mit Intensivmedizinerinnen und -medizinern der Universitätskliniken Aachen und Münster die Studie „Expertise in die Fläche bringen: Analyse der Covid-19-Telekonsile und szenariobasierte Handlungsempfehlungen“ durchgeführt. Dabei stellt das Virtuelle Krankenhaus NRW (VKh.NRW) eine telemedizinische Plattform zur Verfügung, um das Wissen aus Expertenzentren – wie eben Unikliniken – mit den Häusern der Allgemeinversorgung zu teilen.
„Telekonsile sind ein Kanal, um Wissen weiterzugeben. Wir haben Fragen des Wissensmanagement untersucht, wie sich Ärztinnen und Ärzte untereinander austauschen“, fasst Dr. Karolin Kappler, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Prof. Smolnik, zusammen. Die Wissenschaftler haben intensivmedizinische Covid-19-Telekonsile unter die Lupe genommen, um herauszufinden, welches Wissen weitergegeben wird und welche technischen Voraussetzungen dafür jeweils nötig sind.
Unikliniken sind besser ausgestattet
Sie stellten fest, dass es dabei drei unterschiedliche Anwendungsszenarien gibt. „Wir haben das sogenannte Expertenkonsil ohne Fallbezug identifiziert, bei dem es grundsätzlich um Diagnostik und allgemeine Fragen geht. Später kommt der Fallbezug dazu. Dann geht es um detaillierte Fragen und konkrete Bedarfe einer Patientin oder eines Patienten“, erklärt Florian Neft, ein Lehrstuhlkollege Kapplers. Hier sei dann eine entsprechende Technologie direkt am Patientenbett notwendig. „Dann reichen Laptop und Kamera für das ärztliche Gespräch nicht mehr. Im Idealfall gewährt die konsilgebende Klinik Einblick in die Patientendaten.“
Mit steigender Komplexität des Krankheitsbilds und den damit einhergehenden spezifischen Informationen über den Patienten oder die Patienten müssten auch die Anforderungen an die Technik steigen. Das bedeute beispielsweise eine Kamera am Krankenbett oder eine Echtzeitübertragung der Daten. Darüber hinaus hat die Studie gezeigt, dass Unikliniken im Vergleich zu Kliniken der Allgemeinversorgung sowohl eine bessere technische Ausstattung aufweisen als auch die entsprechenden Kompetenzen beim Umgang mit der Technik höher sind. Insgesamt bieten Telekonsile eine Möglichkeit, den Behandlungsstandard und die Effizienz zu verbessern.
Ortsunabhängige Hilfe
„Hinsichtlich des Aufbaus von Wissen war und ist Covid-19 deshalb so interessant, weil es nicht viel Erfahrungswissen gab. Das Wissen hat sich immer wieder und sehr schnell erneuert“, sagt Kappler. „In weiteren Forschungsprojekten kann es nun darum gehen, die Erkenntnisse auf andere Indikationen zu übertragen.“ Im Raum Aachen sei die Telemedizin bereits fortgeschritten. Hier seien schon Rettungswagen mit Technik für Telekonsile ausgestattet, sodass Hilfe ortsunabhängig dort hingebracht werden könne, wo sie gebraucht werde.
Bis 2025 soll das Telenotarztsystem flächendeckend in NRW vorhanden sein. Dazu gehören auch Televisitenwagen, d.h. Visitenwagen, die mit einer Kamera und weiteren technischen Hilfsmittel bestückt sind. Mit Hilfe dieser kann sich das medizinische Personal am Patientenbett mit den Experten austauschen. Derzeit sei aber das Interesse an Telekonsilen noch größer als die tatsächlich umgesetzten. Hier schließt ein neues Forschungsprojekt der FernUniversität Hagen am, um diese Lücke zu ergründen.
Quelle: FernUniversität Hagen