Auf den Punkt gebracht wird es von Franz Müntefering, ehemaliger Bundesminister und Fraktionsvorsitzender der SPD: Derzeit diskutiere man über die Hilfe bei der Selbsttötung, sagt er. „Hilfe beim Sterben brauchen alle Menschen. Denen, die für Hilfe beim Töten sind, sollten wir nicht das Wort Sterbehilfe überlassen.“
In der Tat werden bei der Debatte um ein für diesen Herbst geplantes neues Gesetz zum assistierten Suizid häufig die Begriffe Sterbehilfe und Suizidbeihilfe vermischt. Und zwar nicht nur in der allgemeinen Bevölkerung, sondern auch innerhalb der Ärzteschaft. Deshalb setzte sich die Vizepräsidentin der Bundesärztekammer (BÄK) und Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, Dr. med. Martina Wenker, in den vergangenen Monaten vehement für eine Klärung des Begriffs und der ärztlichen Möglichkeiten einer ethischen Sterbebegleitung entsprechend der Grundsätze der Bundesärztekammer ein. Dabei vertritt sie die Meinung, dass es eine ärztliche Aufgabe ist, den Patienten in der letzten Lebensphase zu helfen und dabei auch den Tod zuzulassen – nicht aber, Patienten zu töten. „Manchmal muss man auch den Mut haben zu besprechen, ob man die kurative Behandlung fortsetzen will“, sagt Wenker. Andererseits seien es häufig gar nicht die final kranken Menschen, die nach einer Beihilfe zum Suizid durch den Arzt verlangten, sondern Menschen in scheinbar aussichtslosen Situationen, die einer psychologischen Begleitung bedürften.
Anfang November wird nun der Deutsche Bundestag darüber entscheiden. Derzeit liegen vier Gesetzentwürfe vor, die von einem generellen Verbot der Suizidbeihilfe bis zur nahezu völligen Straffreiheit für Hilfe bei der Selbsttötung reichen: Am restriktivsten möchte der Gesetzentwurf von Patrick Sensburg und Thomas Dörflinger (beide CDU) die Beihilfe zum Suizid regeln. Der Antrag plädiert für ein generelles Verbot der Beihilfe zur Selbsttötung. Die Bundesärztekammer hält indes eine solche Verschärfung des Strafrechts für kontraproduktiv. Palliativmediziner bewegten sich häufig auf einem schmalen Grat. Beispielsweise bestünde bei der palliativen Sedierung das Risiko einer Lebensverkürzung. Wenn solche Maßnahmen in den Bereich des Strafrechts rückten, könnte die Angst vor dem Staatsanwalt viele Ärzte von einer intensiven Schmerztherapie abhalten.
Einen zweiten Gesetzentwurf, der grundsätzlich auf ein Verbot der Suizidbeihilfe setzt, legten Bundestagsabgeordnete aller vier Fraktionen unter Leitung von Michael Brand (CDU) und Kerstin Griese (SPD) vor. Sie wollen künftig jedoch nur die „geschäftsmäßige“, also auf Wiederholung angelegte Beihilfe zur Selbsttötung unter Strafe stellen. Treffen wollen sie mit dieser Regelung Vereine wie „Sterbehilfe Deutschland“, den deutschen Ableger des Schweizer Vereins „Dignitas“. Der Entwurf ziele jedoch nicht auf die Begleitung beim Sterbeprozess, wie es Ärzte in der Regel täten, betonten sie. Bereits jetzt ist absehbar, dass die Mehrheit der Christdemokraten diesen Entwurf unterstützen wird, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, Fraktionsvorsitzender Volker Kauder und CSU-Chef Horst Seehofer. Dieser Gesetzentwurf gehe in die richtige Richtung, meint auch der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery. „Wir haben immer davor gewarnt, dass sogenannte Sterbehilfsorganisationen unter wechselndem Rechtsstatus ihren Geschäften nachgehen können. Deshalb haben wir immer ein Verbot der organisierten Beihilfe zum Selbstmord gefordert.“ Allzu leicht könne sonst eine gesellschaftliche Akzeptanz der Suizidbeihilfe entstehen, die letztlich zu einem enormen Druck auf Menschen in der letzten Lebensphase führen könne.
Ebenfalls mehrheitsfähig in Deutschland könnte der dritte Gesetzentwurf sein: Mit einer zivilrechtlichen Regelung wollen Politiker der Großen Koalition, darunter der CDU-Politiker Peter Hintze sowie die SPD-Politiker Carola Reimann und Karl Lauterbach, dafür sorgen, dass Ärzte Sterbenskranken beim Suizid regulär helfen dürfen. Gemeinsam stellten sie einen Gesetzentwurf vor, der die Beihilfe zum Suizid zwar insgesamt verbietet, ihn aber speziell für Ärzte unter bestimmten Bedingungen ausdrücklich erlaubt. Konkret sieht der Entwurf einen neuen Paragrafen im Bürgerlichen Gesetzbuch vor. Diese Vorschrift soll es volljährigen und einwilligungsfähigen Personen, die an einer unmittelbar zum Tode führenden Erkrankung leiden, erlauben, ihren Arzt um Suizidbeihilfe zu bitten. Vorher müssen sie jedoch über alternative, insbesondere palliativmedizinische Möglichkeiten aufgeklärt sein und die Bestätigung der Diagnose von einem weiteren Arzt haben.
Den liberalsten Entwurf legten als vierte Variante mehrere Abgeordnete um Renate Künast (Grüne) und Petra Sitte (Linke) vor. Sie wollen nur die gewerbsmäßige Hilfe zur Selbsttötung verbieten, ansonsten soll die Suizidbeihilfe weiterhin ausdrücklich straffrei bleiben. Bestraft werden soll nur derjenige, der mit der Suizidbeihilfe Gewinne erzielen will. Suizidbeihilfevereine, die nur ihre Kosten decken, werden von dem Gesetzentwurf nicht erfasst.
Quelle: Dieser Beitrag ist in Heft 3/2015 von Medizin Studieren, dem Magazin des Deutschen Ärzteblattes für Studierende der Medizin, S. 22, erschienen. Foto: Laz'e-Pete/Fotolia.com