"Am Anfang ist erst mal alles nur rot.“ Dr. med. Alexander Zich muss lachen, als er das sagt. An seine Anfänge in der Dermatologie kann er sich noch gut erinnern – an die Herausforderung, Hautkrankheiten wie Schuppenflechte und Ekzem voneinander zu unterscheiden. Doch wenn er heute Patienten untersucht, dann erkennt er die Unterschiede gutartiger und bösartiger Hautveränderungen. Zich ist Arzt in Weiterbildung in der dermatologischen Praxisklinik von Dr. med. Raoul Hasert im Berliner Stadtteil Mitte. Seit zwei Jahren befindet er sich in der Weiterbildung zum Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten. In dieser Zeit hatte er bereits so einige Pigmente unter dem Dermatoskop. Das „Sehen lernen“ ist einer der wichtigsten Aspekte in der Dermatologie und gilt für alle Bereiche des Fachs – vom konservativ-kurativen über den allergologischen bis hin zum kosmetisch-ästhetischen Teil. Diese Bandbreite ist es, die Zich so begeistert. Leicht hätte er in die elterliche Praxis für Gynäkologie und Geburtshilfe einsteigen können. Aber die Möglichkeit, einem weitgefächerten Patientenstamm mit unterschiedlichen Behandlungsmethoden zu helfen, zog ihn schließlich doch in die Dermatologie.
Und in der Praxis Hasert hat er Gelegenheit, fast das gesamte Spektrum der Hautheilkunde kennenzulernen. Einen Teil davon macht die Ästhetik mit ihren Lasertherapien aus. Letztere gewinnen immer mehr an Bedeutung, je nach Hautproblem werden verschiedene Gerätetypen eingesetzt. Kleine Gefäßerweiterungen lassen sich beispielsweise über einen sogenannten KTP-Laser vornehmen – Kalium-Titanyl-Phosphat und die Wellenlänge von grünem Licht erlauben dem Gewebe, den Laserstrahl gut zu absorbieren. Oberflächliche Hautveränderungen wie Falten, gutartige Pigmentmale, aber auch weißer Hautkrebs im Anfangsstadium können mit einem Erbium-Laser behandelt werden. Dieser lässt die oberste Hautschicht innerhalb von Sekunden verdampfen, belastet aber umliegendes Gewebe nicht so stark wie andere Lasertypen. Generell findet die Lasertherapie Anwendung in der Phlebologie, im Bereich der Anti-Aging-Behandlung, aber auch bei der Entfernung von Tätowierungen. Die Praxis Hasert führt täglich drei bis fünf dieser Lichtbehandlungen durch, wobei sich ein saisonaler Trend zeigt: Im Sommer wird tendenziell weniger gelasert, vor allem im Gesicht. Denn die Sonneneinstrahlung kann nach der Behandlung unerwünschte Pigmentierungen verursachen. Zich führte nach etwa zwei Monaten Weiterbildungszeit seine erste Laserbehandlung aus. Zunächst am Rücken und unter Anleitung seines Chefs. Mittlerweile behandelt er selbstständig und am ganzen Körper: „Dafür braucht es schon Fingerspitzengefühl. Gerade kleine Flecken erfordern eine ruhige Hand, um sie entfernen zu können.“
So wichtig der kosmetische Teil in der Dermatologie ist – es dreht sich bei Weitem nicht alles um ästhetische Gesichtspunkte.
Das bestätigt auch Dr. med. Uwe Schwichtenberg, Vorsitzender des Landesverbands der Bremer Dermatologen und leitender Arzt mehrerer Hautarztpraxen. Der Bremer warb bereits auf dem Ärztetag 2016 vor Nachwuchsmedizinern für sein Fach. Im Interview mit dem DÄ Medizin Studieren bekräftigt er: „Das wesentliche Merkmal der Dermatologie ist Vielseitigkeit. Als Organfach hat man hier den Vorteil, internistische und chirurgische Einsatzfelder zu kombinieren. Und neben den Routinediagnosen warten auch viele ‚orphan diseases‘ auf ihre Entdeckung – ein wenig Interesse für Dr. House kann also nicht schaden.“
Die Familienpraxis Hasert bietet ausreichend Fläche für das breite Spektrum der Dermatologie: Der Hauptteil liegt im dritten Stock eines Berliner Altbaus in der Friedrichstraße, die Räumlichkeiten wurden im Laufe der Jahrzehnte über Durchbrüche zu benachbarten Wohnungen zu einer weitläufig-verwinkelten Praxis erweitert. Neben sechs Sprechzimmern und Laserräumen gibt es zwei Operationsräume – ein glücklicher Umstand für Zich und dessen Begeisterung für die Chirurgie. Auch hier kommt ihm sein Fingerspitzengefühl zugute. Seine ersten operativen Eingriffe waren kleine Probeexzisionen. Darauf folgten Spindelexzisionen, bei denen er mit dem Skalpell größere Hautbereiche herausschnitt.
Zich schätzt die Möglichkeit, sich auszuprobieren zu können. Und er weiß, dass ehrliche Selbstreflexion im Praxisteam ebenso erwünscht ist: "Wenn man sich etwas noch nicht zutraut, dann ist das o. k. Der Chef unterstützt dann und hilft." Kürzlich konnte er seine erste Transplantation vornehmen. "Ich habe einem Patienten ein großes Basaliom an der Nase entfernt und musste nach der histologischen Gewebeuntersuchung durch den Pathologen sogar noch einmal nachschneiden", erzählt er. Im Anschluss entnahm Zich schlaffe Haut vor der Ohrmuschel und setzte sie auf die Nase. Die eigene Lernkurve auch im Rückblick auf solche Eingriffe zu reflektieren zeigt Zich, wie viel er aus den vergangenen zwei Jahren mitgenommen hat: "Zu sehen, wo ich angefangen habe und jetzt stehe - dass ich mit Biologika behandele und selber OPs durchführe, das erfüllt mich schon mit Stolz."
Auch Schmerzbehandlungen führt ein Dermatologe durch
Für viele ist die Hautheilkunde noch immer mit Ekel besetzt. Krankheiten wie Abszesse, Pilzerkrankungen oder Warzen tragen ihren Teil zu diesem Ruf bei und lassen manchen Nachwuchsmediziner beim Gedanken an eine Laufbahn in der Dermatologie abwinken. Für den 30-jährigen Mediziner gab es aber von Anfang keine Berührungsängste: "Wenn man sich erst einmal mit den Hautkrankheiten und ihrer Pathologie auseinandersetzt, dann nimmt man die Symptome ganz anders wahr." Einzig die Fälle, in denen eine Behandlung für die Patienten mit Schmerzen verbunden ist, stellten für Zich ein anfängliches Hemmnis dar: "So ein Abszess ist ja entzündet, den kann man nicht einfach mit einer Spritze betäuben. Und Eisspray hilft zwar, aber man tut dem Patienten schon weh, wenn man da hinein piekst." Mittlerweile empfindet er es als eine willkommene Abwechslung, neben den oft an hohe Ansprüche geknüpften ästhetischen Eingriffen auch Schmerzbehandlungen durchzuführen - zum Beispiel den Eiter aus einer abgekapselten Entzündung zu lassen. Wenn der Schmerz bei den Betroffenen dann endlich nachlässt, sind diese vor allem dankbar über die Erleichterung, die der junge Arzt ihnen verschafft.
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Bereits während seines Studiums in Halle an der Saale kam Zich mit der Dermatologie in Berührung. So absolvierte er sein Praktisches Jahr auf der dermatologischen Station der Hallenser Universitätsklinik und sammelte erste Erfahrungen in der Unterscheidung der Dermatosen und all ihrer Rot-Nuancen. Mittlerweile fallen ihm auch seltenere Erkrankungen auf. Wie kürzlich, als ein Patient mit Symptomen einer Schuppenflechte zu ihm in die Sprechstunde kam. Das Krankheitsbild passte jedoch nicht eindeutig auf die Diagnose Psoriasis: "Man bekommt irgendwann so einen Blick dafür, in welcher Hautschicht die Entzündung liegt. Und das war so ein Fall, in dem ich dann den Chef dazu geholt habe." Der bestätigte Zichs Verdacht und diagnostizierte eine Parapsoriasis en plaques - eine seltene chronische Dermatose.
Der ständige Austausch mit dem Weiterbilder und seinen Kollegen, zu denen noch zwei Ärztinnen in Weiterbildung gehören, gibt Zich Sicherheit in der täglichen Arbeit. Chirurgische Eingriffe erfolgen immer in Abstimmung mit dem Chef, auch bei den Laserbehandlungen war dieser am Anfang dabei und hat Zich in Technik und Methode eingewiesen. Zusätzliche Kurse, beispielsweise zur Botoxbehandlung, ergänzen die praktischen Erfahrungen in der Praxis. "Wir sind wirklich dankbar, dass wir diese Freiheiten bekommen, uns auszuprobieren und zu lernen. Unser Chef hat da vollstes Vertrauen. Und steht uns trotzdem immer zur Seite, wenn wir Fragen haben.
Man muss jeden Patienten mit seinem Problem annehmen und anerkennen.
"Zichs Patienten kommen nicht nur aus den unterschiedlichen Stadtbezirken, sondern auch aus dem Berliner Umland und der gesamten Welt. "Wir haben hier den Maurer genauso wie den Start-up-Unternehmer. Und natürlich Menschen mit ganz unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, Patienten aus den arabischen Ländern genauso wie aus dem europäischen Ausland oder den USA." Sie alle mit der größtmöglichen Sensitivität zu behandeln gehört für Zich zum ärztlichen Selbstverständnis."Man muss jeden Patienten mit seinem Problem annehmen und anerkennen: Da gibt es einen Leidensdruck und die Person braucht jetzt Hilfe." Dass jeder Mensch ganz unterschiedlich mit seinen Erkrankungen umgeht, erlebt Zich tagtäglich: "Der eine meldet sich erst ganz spät, wenn sich die Ekzeme schon großflächig ausgebreitet haben. Und andere kommen bereits bei kleinsten Hautveränderungen." Gerade im Fall Letzterer gebe es dann auch Kollegen, die solche Patienten weniger ernst nehmen. Wichtig für Zich ist: "Jeder Patient ist individuell in seiner Wahrnehmung und man muss im Praxisalltag einfach lernen, damit umzugehen." Psychologisches Feingefühl ist ein weiterer Teil der Dermatologie. Die Haut ist mit einer Fläche von bis zu zwei Quadratmetern das größte Organ und sichtbar für die Außenwelt - schon aus diesem Blickwinkel ist nachvollziehbar, warum auch die psychische Dimension von Hauterkrankungen so wichtig ist.
Ob Zich später in die eigene Niederlassung geht oder doch im klinischen Bereich tätig wird, behält er sich noch offen. Nach seiner Zeit in der Praxis folgt für ihn zunächst einmal die Weiterbildung in der Klinik. Sollte er sich später doch für eine eigene Praxisentscheiden, dann stehen die Chancen gut: Ein Drittel der rund 3 500 in Deutschland niedergelassenen Dermatologen befindet sich kurz vor dem Ruhestand, Nachfolger werden nicht nur fernab der Ballungszentren gesucht. Umfang und Aufteilung der Arbeitszeiten lassen sich in der Dermatologie relativ frei wählen, das weiß auch der Bremer Hautarzt Schwichtenberg:"Ich kenne kein Fach, das sich so gut mit familiären Verpflichtungen kombinieren lässt. Nachtdienste, Notfälle, zeitkritische Wiedervorstellungen - all dies ist in der Dermatologie überschaubar. Und die Praxen werden heutzutage immer größer, sodass sich die dort tätigen Ärztinnen und Ärzte hervorragend untereinander absprechen können." Diese Vorzüge locken derzeit vor allem Frauen in die Hautheilkunde: 2015 setzte sich der Trend aus den Vorjahren fort und Dreiviertel der Berufsanerkennungen für Dermatologie wurden an Ärztinnen vergeben. Doch es sind eben auch junge Ärzte wie Zich, die Vorzüge wie geregelte Arbeitszeiten im Praxisalltag zu schätzen wissen.
Bevor am Nachmittag die nächsten Patienten in die Sprechstunde kommen, bleibt Zich noch Zeit, sich im belebten Umfeld von Berlin Mitte einen Snack zu holen. Danach wird er wieder viele Rottöne sehen - und sie mit geübtem Blick und diagnostischer Kompetenz einzuordnen wissen.
Wie kommt man zur Dermatologie?
Die Facharztausbildung zum Dermatologen/zur Dermatologin erfolgt innerhalb von 60 Monaten bei einem Weiterbildungsbefugten an einer Weiterbildungsstätte. Inwiefern eine Aufteilung in klinische und ambulante Abschnitte möglich oder notwendig ist, legt die jeweilige Weiterbildungsordnung fest. In der konservativ-kurativen Dermatologie werden akute Phänomene und allergische Reaktionen behandelt. Ergänzt wird dies durch den operativen Bereich, in den Krankheitsbilder wie Hautkrebs, Nagelerkrankungen oder phlebologische Leiden fallen. Zum Zweig der ästhetischen Dermatologie gehören beispielsweise Botox-Behandlungen, die Entfernung von Tätowierungen oder die dauerhafte Haarentfernung sowie ästhetische Operationen. Auch die Dermatohistopathologie und die Dermatoonkologie sind Teilbereiche dieses breit aufgestellten Fachs. Das Berufsfeld eröffnet zudem Möglichkeiten für all jene, die gutachterlich tätig sein möchten. Der Bereich der Psychodermatologie beschäftigt sich eingehend mit solchen Hautkrankheiten, deren Entstehung auf psychosoziale Ursachen zurückzuführen sind beziehungsweise die psychosoziale Folgen für die Betroffenen haben. Das können Patienten mit Hauttumorerkrankungen, HIV oder AIDS oder Menschen mit Berufsdermatosen sein.