Der große Vorteil bei dieser Art der Messung greift vor allem in der Planung von Leberoperationen. Anhand der erhobenen Funktionsreserve kann der Operateur das Risiko eines Eingriffs sehr viel genauer beurteilen. "Damit können wir die notwendigen Operationen sehr viel sicherer machen und die Gefahr von Komplikationen ganz wesentlich verringern", erklärt Prof. Daniel Seehofer, Leberoperateur und Leiter des Bereichs Hepatobiliäre Chirurgie und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Leipzig.
Das Verfahren wurde bereits vor einigen Jahren an der Charité entwickelt und wird dort seitdem eingesetzt, um vor einer Operation zu klären, wie viel dem kranken Organ Leber bei einer Operation zuzumuten ist. Dafür liefere die Leberfunktionsmessung Daten, die bisher mittels Laboruntersuchungen nicht erhoben werden können, erklärt Seehofer.
Leber kann sich aus eigener Kraft regenerieren
Die Leber ist das einzige Organ, das sich aus eigener Kraft vollständig regenerieren kann. Bei Erkrankungen oder Verletzungen können verbleibende Teile die Funktion des gesunden Organs übernehmen und nach einiger Zeit ersetzen. Das gelingt aber nur, wenn das gesunde Gewebe noch über ausreichend Reserven verfügt. Anderenfalls droht nach einer Operation ein lebensgefährliches Organversagen. "Mit dem Leberfunktionstest können wir sehr gut abschätzen, über wie viel Funktionsreserve und damit Kraft zur Regeneration die Leber noch verfügt", beschreibt Seehofer. "Oftmals stellen wir so fest, dass die Leber noch bessere Reserven hat als angenommen." Dadurch wird ein rettender Eingriff in manchen Fällen überhaupt erst möglich.
Der Test kann aber auch Hinweise dazu liefern, dass vorbereitend vor einer Operation zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden müssen, z.B. um die Leber zum Wachsen anzuregen. "Durch die Funktionsmessung vorab können wir das Risiko für einen Eingriff stark verringern", so Seehofer. Studien belegen inzwischen, dass durch den Einsatz der Leberfunktionsmessung die Sterblichkeitsrate nach einer Leberoperation um zwei Drittel zurückgegangen ist. Bei Krebspatienten beispielsweise zeigt die Leberfunktionsmessung nach einer Chemotherapie oftmals schlechte Werte.
"Mit anderen Verfahren oft gar nicht erfassbar"
"Diese Einschränkung können wir mit anderen Verfahren oft gar nicht erfassen", erläutert dazu Prof. Thomas Berg, Leiter der UKL-Sektion Hepatologie und internistischer Partner von Seehofer bei der Behandlung von Lebererkrankungen. "In solchen Fällen können wir jetzt einfach ein paar Wochen warten, bis sich die Leber von der Krebstherapie erholt hat und dann operieren", so Berg. Ohne diese Hinweise auf die geschwächte Leber wäre die Operation für den Patienten hoch gefährlich. "Das neue Messverfahren ist damit eine sehr sinnvolle und wertvolle Ergänzung unserer diagnostischen Möglichkeiten und sehr hilfreich, um Operationen zu ermöglichen oder unsichere Operationen zu verhindern", betont Berg.
Dabei ist das ca. 45 Minuten dauernde Verfahren für den Patienten völlig unbelastend: Für die Messung wird eine Substanz über die Vene verabreicht, die nur in der Leber verstoffwechselt wird. Das dabei entstehende typische Kohlenstoffisotop wird zu den Lungen transportiert und mit der Atemluft abgeatmet. Das LiMAx-Gerät misst über eine spezielle Atemmaske die Konzentration des Kohlenstoffisotops in der Atemluft und gibt so direkte Rückmeldung zur Funktionsfähigkeit der Leber.
Anwendungsfeld soll erweitert werden
Ziel der UKL-Mediziner ist es, künftig Referenzwerte auch für weitere Fragestellungen zu erheben und damit das Anwendungsfeld zu erweitern. "Wir können uns zum Beispiel vorstellen, dass die Leberfunktionsmessung perspektivisch auch zu einer frühzeitigen Beurteilung eines akutes Leberversagens beitragen kann, und damit Informationen darüber liefern kann, ob eine Transplantation notwendig ist oder eine Chance besteht, dass sich die Leber aus eigener Kraft wieder erholt", gibt Berg einen Ausblick.
Quelle: Uniklinikum Leipzig, Helena Reinhardt