Marburg: Forscher entwickeln einfache Beatmungsgeräte

Weltweit ist es derzeit eine der größten Sorgen, dass es nicht genug Beatmungsgeräte für alle schweren COVID-19-Fälle geben könnte. In Marburg haben Forscher jetzt zwei unterschiedliche Konzepte für einfache Beatmungsgeräte entwickelt.

Dr. Bastian Leutenecker-Twelsiek und Caroline Sommer diskutieren die neuste Version des Zusatzgeräts für ein CPAP-Gerät. | Martin Koch / Philipps-Universität Marburg

Die Kliniken in Deutschland sind fürs Erste gut auf die COVID-19-Patienten vorbereitet – vor allem auch, weil die befürchtete große Krankheitswelle bisher ausgeblieben ist. Aber die Sorge bleibt: Was ist, wenn die Beatmungsgeräte irgendwann nicht mehr für alle Patienten reichen?

Ein Team aus Forschung und Technik der Philipps-Universität Marburg und des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKGM) hat sich unter dem Namen "The Breathing Project" zusammengefunden. Die Forscher haben angesichts dieser Befürchtungen in sehr kurzer Zeit zwei unterschiedliche Konzepte für einfache Beatmungsgeräte entwickelt. Die Geräte können schnell und vergleichsweise preisgünstig hergestellt werden und in Situationen zum Einsatz kommen, in denen in Kliniken nicht mehr ausreichend reguläre Beatmungsplätze zur Verfügung stehen – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.

Idee aus der Schlafmedizin

Das erste Konzept basiert auf der Verwendung von so genannten CPAP (Continuous Positive Airway Pressure)-Geräten. Diese Geräte werden zum Beispiel zur Behandlung von Schlafapnoe eingesetzt und sind in vielen privaten Haushalten vorhanden. Die CPAP-Geräte werden nach einer Idee aus dem Schlafmedizinischen Zentrum in Marburg so erweitert, dass sie zur künstlichen Beatmung eingesetzt werden können. Erste Prototypen laufen bereits und wurden von einschlägigen Medizinerinnen und Medizinern des Universitätsklinikums Marburg sehr positiv beurteilt. Die Erweiterung der CPAP-Geräte wurde auf den Namen CARL (für CPAP Apparatus Respiratory Life support) getauft.

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Die modifizierten CPAP-Geräte sind nicht so leistungsfähig wie professionelle Beatmungsgeräte und können für die Erstversorgung von akuten, schweren COVID 19-Fällen mit starker Atemnot nicht verwendet werden. Aber: Wenn die Patienten nach einigen Tagen wieder so weit genesen sind, dass sie weniger intensiv beatmet werden müssen, könnten diese Geräte zum Einsatz kommen. Die besseren, klinischen Beatmungsgeräte wären dann wieder für einen Patienten frei, der intensiver beatmet werden muss.

Für Länder, in denen CPAP-Geräte nicht verbreitet sind, entwickelt das Team derzeit als zweiten Ansatz einfache Geräte auf der Basis von so genannten „Ambu Bags“. Diese „Ambu Bags“ oder Beatmungsbeutel werden in der Ersten Hilfe zur Erstversorgung eingesetzt und sind in großer Stückzahl preisgünstig verfügbar. Sie bestehen aus einer Maske, die auf das Gesicht gedrückt wird, und einem komprimierbaren Beutel, der mit der Hand in regelmäßigen Abständen zur Beatmung zusammengedrückt wird. Das Team entwickelt nun mechanische Apparaturen, die diese Beutel periodisch zusammendrücken.

Bauanleitungen sollen frei verfügbar sein

Damit die Geräte weltweit genutzt werden können, will das Team die Bauanleitungen und alle technischen Informationen online öffentlich verfügbar machen. Die Idee dahinter: So können die Geräte auch in Regionen, in denen nicht genug klinische Beatmungsgeräte zur Verfügung stehen, nachgebaut und in größeren Mengen produziert werden. Allerdings: Derzeit ist das noch nicht möglich. Bevor die Pläne online gestellt werden können, müssen die Geräte als medizintechnische Produkte zugelassen werden. Die Projektgruppe arbeite gerade daran, die Zulassung zu bekommen, heißt es auf der Webseite von "The Breathing Project".

Der Ärztliche Geschäftsführer des Marburger Universitätsklinikums, Prof. Dr. Harald Renz, sagt: „Unsere Oberärzte bestätigen, dass man die entwickelten Geräte als ‘last line of defense‘ zur Beatmung einsetzen würde, wenn man keine andere Möglichkeit mehr hätte. In Deutschland sind wir derzeit gut aufgestellt. Es gibt aber andere Regionen der Welt, in denen man sicher dankbar wäre, diese Geräte auch in der ‘first line of defense‘ einzusetzen."

Quelle: Philipps-Universität Marburg (25.3.2020)

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