Das Fertigarzneimittelspektrum hat sich erweitert, trotzdem gibt es viele therapeutische Nischen, die mit Rezepturen optimal besetzt werden. Im Zeitalter der evidenzbasierten Medizin wird die Verordnung von Rezepturen/ Magistralrezepturen diskutiert; in der personalisierten Medizin insbesondere bei seltenen Indikationen, besonderen Bedingungen von Inhaltsstoffen und Erkrankungen sowie Neuerungen im therapeutischen Spektrum sind Rezepturen bevorzugt Magistralrezepturen unverzichtbar.
Curriculum Magistralrezepturen
Das Management und Monitoring topischer Therapien inklusive der Rezepturen wird weder während des Medizinstudiums noch während der Facharztzeit ausreichend Beachtung geschenkt. Neben der Physiologie und Pathophysiologie der Haut sollte man gerade im 21. Jahrhundert auch ein Grundwissen zu den Wirkstoffen, Vehikelsystemen, Basistherapeutika sowie Hintergrund zur Plausibilitätsprüfung, die durch Apotheken durchzuführen sind, haben.
Als mögliche Verordnungsoptionen, die die Patientenversorgung besonders in der topischen Therapie optimieren, entsteht gerade ein Curriculum Magistralrezepturen, wo diese Grundkenntnisse zum Verordnen von Rezepturen mit hoher pharmakologischer und medizinischer Qualität vermittelt werden. Eine neue Leitlinie zum richtigen Einsatz von topischen Therapien ist im letzten Jahr entstanden. Weiterhin gibt es auf der Homepage der Gesellschaft für Dermopharmazie eine Fachgruppe für Magistralrezepturen, die in regelmäßigen Abständen ihre Rezepturenleitlinie und Wirkstoffdossiers für dermatologische Rezepturen überarbeiten. Fakt ist: Trotz des ständig steigenden Angebotes an Fertigarzneimitteln haben Rezepturen ihren Stellenwert in der Dermatologie nicht verloren. 3 von 10 Verordnungen durch Dermatologen sind Rezepturen. Individualrezepturen stehen immer noch im Vordergrund, obwohl die Qualität der Rezeptur durch den verstärkten Einsatz von Magistralrezepturen verbessert werden könnte.
Was ist der Unterschied zwischen Magistral- und Indiviualrezeptur?
Magistralrezepturen sind Rezepturen, die auf der Grundlage standardisierter und geprüfter (Rezeptur-)Vorschriften hergestellt wird, in Veröffentlichungen zu finden ist und bereits auf Plausibilität überprüft wurde. Inkompatibilitäten, Wechselwirkungen, Wirkstoffqualität und -quantität sind überprüft. Die Individualrezeptur dagegen sind individuelle, meist überlieferte Rezepturen, deren Plausibilität nicht überprüft wurde.
Wo finde ich geeignete Quellen und Tipps zu Magistralrezepturen?
– Neues Rezeptur-Formularium (NRF) – Standardisierte Formelsammlung für Ärzte Dies ist ein Sammelwerk mit unzähligen Magistralrezepturen, davon mehr als 200 für dermatologische Indikationen. Eine komprimierte Version für die Kitteltasche ist erhältlich und bietet bei Fragen auch die Möglichkeit der Kommunikation über die NRF Hotline.
– Hautarzt: Rezepturtipps für die Praxis aus der Praxis
– Formelsammlungen der Arzneimittel- oder Rohstoffhersteller mit auf Plausibilität geprüften Rezepturen
– Rezeptur-Hotlines von Arznei- und Rohstoffherstellern sowie NRF Rezepturen eingesetzt werden, z.B. Kühlcreme
Was mache ich, wenn ich auf meine Individualrezeptur nicht verzichten will?
Rezeptur-Hotlines von Rohstofflieferanten oder das NRF bieten hier Hilfe. Sie können die Rezeptur entweder auf Plausibilität prüfen oder abklären, ob eine adäquate Magistralrezeptur mit vergleichbarer Zusammensetzung bereits in Formelsammlungen verfügbar ist. Die Zusammenarbeit mit einem benachbarten oder bekannten Apotheker ist dabei hilfreich. Alternativ kann beim BVDD die Sonderreferentin für Rezepturen (Autorin dieses Artikels) angeschrieben werden, die dann die geeignete Vernetzung auf kurzen Wegen einleiten kann.
Indikationen für Magistralrezepturen 2019 – Therapeutische Lücken
- Variation der Arzneistoffkonzentration/Wirkklasse/Grundlage Wirkstoffe in verschiedenen Konzentrationen in jedem Lebensalter, z.B. 0,08–0,15% für Säuglinge und Kleinkinder oder im Alter (NRF 11.144).
- Moderne Kortikosteroide in zinkhaltigen Grundlagen für die intertriginösen Bereiche Prednicarbat 0,08–0,25% oder Mometasonfuroat 0,1% in Hydrophilem Zinkoxid-Liniment 25% (NRF 11.109).
- Basispflege bei entzündlichen chronischen Dermatosen Die Bedeutung der Basispflege wird immer deutlicher. Ein monatlicher Verbrauch von einem Kilogramm ist bei optimaler Anordnung bekannt. Bei Kindern bis zum 12. Lebensjahr dürfen diese Therapeutika verordnet werden, wenn die Qualität der Inhaltsstoffe einer Arzneibuchqualität entspricht. Hier können hilfreich Rezepturen eingesetzt werden, z.B. Kühlcreme DAB, Hydrophile Harnstoff-Emulsion 5%/10% (NRF 11.72), Lipophile Harnstoff-Natriumchlorid- Salbe (NRF 11.75). Wirkstoff wenig stabil oder als Fertigarzneimittel nur bedingt verfügbar, z.B. Dithranol- oder Capsaicinhaltige Externa. Abwaschbare Dithranol-Salbe 0,05–2% mit Salicylsäure 2% (NRF 11.52). Kombination mehrerer Arzneistoffe. Prednicarbat 0,08–0,25%, Octenidindihydrochlorid 0,1% Creme (NRF 11.145), Salicylsäure-Öl 2–10% mit Triamcinolonacetonid 0,1% (NRF 11.134), Triamcinolonacetonid-Creme 0,025–0,1% mit Chlorhexidindigluconat 1% (NRF 11.136).
- Vermeidung potenter Allergene Verzicht bzw. Austausch von Hilfs- und Konservierungsstoffen.
- Altbewährte Rezepturen: Gerade im Zeitalter der multiresistenten Keime können zinkoder ammoniumbituminosulfonathaltige Rezepturen als Antiseptika eingesetzt werden.
- Beeindruckende Therapie (Adährenzerhöhung durch personalisierte Therapie) Die Adhärenz ist in der Dermatologie von besonderer Bedeutung. Das Schlagwort der personalisierten Therapie kann auch für die Rezepturenindikation herangezogen werden.
- Verordnungsmenge beliebig variierbar Verordnungsmengen (Richtgröße ab 200 g) sind als Magistralrezeptur in der Regel kostengünstiger (Stichwort: Krankenhausapotheken involvieren).
Zusammenfassung
Dermatologische Magistralrezepturen sind sinnvoll und haben ihren Stellenwert nicht nur in der Dermatologie. Durch die Zusammenarbeit zwischen Dermatologen und Pharmazeuten können therapeutische Lücken mit kurzen Wegen überwunden werden. Durch eine verbesserte Adhärenz und kostengünstigeres Verordnen bei Großmengen sind die sozioökonomischen Aspekte nicht zu vernachlässigen. Leitlinien, Rezepturhotlines sowie das NRF (auch im Kitteltaschenformat) unterstützen hier in der täglichen Praxis.
Zur Autorin: Prof. Dr. Petra Staubach-Renz ist Oberärztin an der Hautklinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz und Mitglied der Fachgruppe Magistralrezepturen der Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) sowie Sonderreferent für Rezepturen des Berrufsverbands der Deutschen Dermatologen (BVDD).