Ist dieses Gewebe gut- oder bösartig? Diese Frage stellen sich Chirurgen während einer Tumor-Operation häufiger. Von der Antwort hängt ab, wie der Operateur weiter vorgeht. Dafür ist eine Analyse in der Pathologie nötig, und die Gewebeproben müssen so schnell wie möglich dorthin gebracht und untersucht werden. In vielen Kliniken sind Chirurgie und Pathologie in verschiedenen Gebäuden, und die Proben werden per Taxi transportiert.
Im Klinikum Braunschweig beispielsweise befinden sich das Hauptoperationszentrum und die Pathologie zwölf Kilometer voneinander entfernt. Jede Woche fallen so teilweise mehr als 50 Autofahrten an. Während der Chirurg auf das Ergebnis der pathologischen Untersuchung wartet, läuft die Operation weiter, erklärt Klinikum-Geschäftsführer Dr. Andreas Goepfert: "Wenn diese halbe Stunde Wartezeit, die der Vorgang durchaus dauern kann, reduziert wird, ist das ein klarer Vorteil für den Patienten zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung sowie eine erhebliche Kostenersparnis".
Schneller und umweltfreundlicher
Hier kommen die Drohnen ins Spiel: Mit einer Machbarkeitsstudie will das Klinikum Braunschweig prüfen, ob die Versorgungsabläufe verbessert und beschleunigt werden können, wenn die pathologischen Schnellschnitte künftig durch die Luft transportiert werden. Das soll nicht nur schneller gehen, sondern auch CO2 einsparen: Denn durch die vielen Autofahrten wird auch die Umwelt durchaus erheblich belastet, heißt es vom Klinikum.
Ein weiterer Vorteil: Auch größere Präparate können durch die Drohnen rascher pathologisch untersucht werden als bisher: Die fliegenden Helfer sollen eine Mindesttraglast von zwei Kilogramm transportieren können. „Für das Drohnentaxi sind auch Transporte für größere Präparate, wie Teile des Dickdarms, komplette Lungenflügel oder Schilddrüsen, vorgesehen. Große Präparate können zurzeit, trotz vorhandenem Schnellschnittlabor, nicht vor Ort präpariert werden, sodass diese durch Braunschweig gefahren werden müssen“, berichtete Dr. Ansgar Dellmann, Chefarzt der Pathologie.
Bei der Machbarkeitsstudie steht das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) dem Klinikum Braunschweig beratend zur Seite: Die Experten dort sollen helfen, ein mögliches Flugbetriebskonzept auszuarbeiten. In drei Arbeitspaketen werden mögliche Betreiber für den geplanten Drohnenservice identifiziert, eine technische Bewertung marktverfügbarer Drohnen durchgeführt und sichere, genehmigungsfähige Flugrouten für das Durchqueren der Stadt gesucht. „Wir stehen dem Klinikum für die Entwicklung eines künftigen Betreiberkonzeptes beratend zur Seite. Rein technisch gesehen hat ein innerstädtischer Drohnenflug dadurch Realisierungschancen, dass immer die gleiche, vorher festgelegte Route benützt würde. Somit könnten auf den Meter genau sämtliche Parameter und mögliche Störfaktoren einberechnet werden“, erklärte Dr.-Ing. Gordon Strickert, stellvertretender Abteilungsleiter für unbemannte Luftfahrzeuge vom DLR-Institut für Flugsystemtechnik.
Zeitersparnis vor allem für Kliniken auf dem Land
Die Machbarkeitsstudie baut dabei auf mehreren Pilotprojekten und Feldversuchen auf, die es in Deutschland und im Ausland bisher schon gegeben hat. Wenn alles klappt, sollen künftig auch andere Krankenhäuser in der Region von den Drohnen angeflogen werden. Vor allem kleinere Krankenhäuser, die keine eigene Pathologie haben, könnten davon profitieren: Gerade im ländlichen Raum liege oft eine Entfernung von zehn bis 25 Kilometern zwischen dem Operationssaal und der nächsten Pathologie, heißt es vom Braunschweiger Klinikum – hier spielt der Faktor Zeit noch eine größere Rolle als bei den innerstädtischen Flügen quer durch Baunschweig.
„Für das Klinikum Braunschweig und die Region streben wir eine dauerhafte Lösung durch den Einsatz von Drohnen an, für die die Machbarkeitsstudie die Voraussetzung schaffen soll. Mit der Unterstützung vom DLR und der Rechtsanwaltskanzlei Luther soll sie den Weg aufzeigen für die Erlangung einer luftverkehrsrechtlichen Dauergenehmigung, die auf unterschiedlichste Projekte des Drohnentransportes im medizinischen Bereich bundesweit übertragbar ist“, betont Klinikums-Geschäftsführer Dr. Andreas Goepfert.