Mittlerweile arbeite ich meinen 17. von 21 Arbeitstagen und, ja, ich gebe es zu, bin und fühle mich etwas müde. Es gab und gibt keinen freien Tag in diesen drei Wochen; an einem Freitagabend begann ich meine Arbeit und 21 Tage später beende ich sie an einem Freitag. Von den ersten zwölf Arbeitstagen waren zehn 24-Stunden-Dienste, also arbeitete ich quasi ununterbrochen beziehungsweise hatte Dienst, schlief, wann immer es keinen Notfall, keine Aufnahme oder ärztliche Fragen gab, die anderen Tage waren und sind jeweils 11- oder 13-Stunden-Dienste.
Nach diesen 21 Arbeitstagen werde ich insgesamt 357 Stunden gearbeitet haben, also das, was ein durchschnittlicher Arbeitnehmer bei einer 35-Stunden-Woche in knapp zehn Wochen gearbeitet hat, beziehungsweise wenn man noch eine Woche Urlaub und die durchschnittlichen Krankentage hinzurechnet, in knapp einem Vierteljahr. Das Pensum eines Vierteljahres also in drei Wochen – ist das besonders brillant und Zeugnis eines Lebenskünstlers (weil ich pro Stunde bezahlt werde und mehrere Wochen frei habe) oder besonders dämlich (weil ich meine Gesundheit und gegebenenfalls die meiner Patienten gefährde)? Das mag der geneigte Leser für sich entscheiden.
Doch in Wahrheit entschied ich mich für dieses Arbeitspensum nicht aus freien Stücken heraus, sondern weil ich einfach nicht „nein“ sagen konnte und man mich dringend brauchte, Kollegen eine Pause benötigten. Dazu gesellte sich schlechte Planung seitens der Verwaltung und fertig war das Marathonarbeitspensum.
So tickt das ärztliche Arbeiten in den USA – keine Regierungsverwaltung beziehungsweise Gesetzgebung setzt einem Facharzt Arbeitszeitgrenzen, auch keine Ärztekammer. So kann man fast unbegrenzt arbeiten, ob das nun vernünftig ist oder nicht.
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