Herr Dr. Timmermann, Sie sind nicht nur als Oberarzt im Klinikum tätig, sondern auch Mitautor zahlreicher Fachartikel. Allein in diesem Jahr gibt es von Ihnen schon fünfzehn wissenschaftliche Beiträge. Verraten Sie uns: Wie organisieren Sie Ihren Alltag?
In der Tat gibt es immer mehr Dinge, die man tun möchte, als Zeit ist. Ich habe einen sehr strengen Terminkalender und versuche für jede Aufgabe einen realistischen Zeitraum im Kalender einzutragen. Wenn ich keinen Zeitraum habe, dann kann ich auch die Aufgabe nicht annehmen. Mit meinen Kollegen aus der Forschung, Mitarbeitern und Doktoranden mache ich regelmäßige Treffen aus z.B. einmal die Woche. Das fällt sonst immer hinten runter. Eines bleibt aber: Man muss schon fleissig sein.
Sie waren in diesem Jahr auch schon Mitautor einiger Artikel über die Parkinson-Krankheit. Was interessiert Sie an diesem Krankheitsbild?
Bewegungsstörungen und auch Morbus Parkinson sind faszinierende Erkrankungen: Man muss extrem genau beobachten und kann vieles bereits aus sorgfältiger Anamnese und Untersuchung herausfinden und diagnostizieren. Vor allem mit neuen invasiven Verfahren wie der Tiefen Hirnstimulation können wir aber auch seit einigen Jahren vielen Patienten dramatisch helfen. Wir hatten vor wenigen Wochen einen kleinen Jungen, der bei einer rasch voranschreitenden Dystonie nicht mehr laufen konnte. Wir äußerten den Verdacht auf eine DYT1-Dystonie, die vom Gentest dann auch bestätigt wurde. Mit einem Hirnschrittmacher kann der Junge nun fast wieder normal laufen. Patienten wie diese motivieren mein Team und mich extrem.
Gab es in den letzten Jahren einen komplexen Krankheitsfall, der Ihnen ein Aha-Erlebnis beschert hat?
Ich habe im PJ bei Stephen Reich in der Johns-Hopkins-University/USA mein Interesse für Bewegungsstörungen entdeckt. Unfassbar fand ich aber, als ich erstmalig im ersten Assistenzarztjahr gesehen habe, wie ein völlig steifer Parkinson Patient mit Tremor durch das Anschalten des Hirnschrittmachers fast wieder normal beweglich wurde. Das finde ich immer noch täglich in meiner Arbeit toll.
Vor allem ältere Menschen leiden an Parkinson und anderen Nervenerkrankungen, hinzu kommen hier oftmals psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Demenz. Sind ältere Patienten eine größere Herausforderung als jüngere?
Ja! Ich glaube, dass man sich gerade als jüngerer Arzt erst einmal auf ältere Menschen und ihre Lebenssituation einlassen muss. Ich hatte immer ein sehr gutes Verhältnis zu meinen Großeltern und habe mir am Anfang im Nachtdienst immer vorgestellt, dass die sperrige ältere Dame in der Notaufnahme eine Freundin meiner Großmutter sei; mit dem Trick hatte ich dann plötzlich viel mehr Verständnis und die Patienten waren umgekehrt viel zugänglicher. Die Belastung von Patienten und Angehörigen durch Demenz und Depressionen ist aber für nicht-betroffene kaum vorstellbar.
Als Oberarzt beaufsichtigen sie auch Assistenzärzte in der Facharztausbildung. Welche Charaktereigenschaften benötigt man in der Neurologie?
In der Neurologie sollte man Menschen mögen, Spass am Detail und dem wissenschaftlich und ärztlichen Diskurs haben, fleissig und ausdauernd sein. Außerdem muss man Patienten und Angehörigen viel erklären und darf mit vielen Berufsgruppen eng zusammenarbeiten. Da ist eine sehr gute Kommunikation sicher hilfreich! Mein Chef in England sagte immer: „Clinical Neurology is the best game in town!“