DGCH: "Medizin am Fließband" schadet Arzt-Patienten-Verhältnis

Im Vorfeld ihres Jahreskongresses in Berlin kritisiert die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), dass die Ökonomisierung der Medizin zunehmend das Arzt-Patienten-Verhältnis beschädigt.

Arzt im Gespräch mit Patient

Ärzte haben häufig zu wenig Zeit für den direkten Kontakt mit ihren Patienten. | Can Stock Photo

Wenn der Fokus von Krankenhäusern vor allem auf größtmögliche Erlöse gerichtet ist, führe das häufig zu einem Vertrauens- und Informationsverlust. "Wir brauchen wieder mehr Zeit für das Gespräch mit den Patienten", sagt Prof. Dr. Gabriele Schackert, Präsidentin der DGCH. Der 133. Kongress der Gesellschaft steht unter dem Motto "Chirurgie im Spannungsfeld von Technik, Ethik und Ökonomie. Die Chirurgen treffen sich vom 26. bis 29. April 2016 im Berliner CityCube. 5500 Teilnehmer werden erwartet.

Vor mehr als zehn Jahren wurde die Klinikvergütung DRK eingeführt, und seitdem arbeiten die Krankenhäuser aus Sicht der Chirurgen immer intensiver daran, wirtschaftlich passgenaue Patientenfälle zu versorgen. „Es gilt, den maximalen Erlös zu erzielen – je mehr und je schwieriger die Fälle bei mittlerer Verweildauer sind, desto besser“, berichtet Schackert. Was sich allerdings nicht in der Vergütung niederschlägt, sei die Zeit, die die Ärzte mit den Patienten verbringen.

Zuwendung eine entbehrliche Ressource

„Zeitmangel ist in der heutigen Medizin das zentrale Problem“, sagt Schackert. Dieses Problem bringt gravierende Folgen mit sich. Als eine Konsequenz steigen in verschiedenen Fachgebieten die Operationszahlen. „Viele Eingriffe würden entfallen, wenn wir die Zeit hätten, im Gespräch den Willen des Patienten kennenzulernen und die richtige, individuelle Indikation zu stellen“, erklärt die Neurochirurgin. „Dieser Zeitaufwand ist genauso wichtig wie die Operation mit gutem Behandlungsergebnis und muss in der Vergütung berücksichtigt werden.“

Überlasteter Arzt

Der "MB-Monitor 2015", eine vom Marburger Bund unter seinen Mitgliedern in Auftrag gegebene Umfrage, kommt zu dem Ergebnis, dass der hohe Zeitdruck, die zunehmende Arbeitsverdichtung und der Personalmangel Klinikärzte im Arbeitsalltag aber auch im Privatleben negativ beeinflusst.

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Wie kommt es zum Verlust an Vertrauen und Information? Durch den wirtschaftlichen Druck kämpfen viele Kliniken ums Überleben, reduzieren die stationäre Verweildauer auf ein Minimum und sparen am Personal. „Es ist bereits üblich, Patienten am Tag des Eingriffs direkt nüchtern in den OP-Saal kommen zu lassen“, berichtet Schackert. „Das setzt nicht nur eine hervorragende Organisation bei der Vorbereitung voraus, sondern sorgt häufig auch für zusätzlichen Stress bei den Patienten“, betont die Medizinerin. Die Aufnahme auf die Station erfolgt dann erst nach dem Eingriff.

Informationslücken bei Übergabe

Zur Verunsicherung der Patienten trage auch bei, dass sie von ständig wechselnden Ärzten betreut werden - eine Folge des Arbeitszeitgesetzes, das die Dauer der Schichten begrenzt und eine regelmäßige Rotation erfordert. „Bei allem Verantwortungsbewusstsein kann es bei den Übergaben zu Informationslücken kommen, die das Behandlungsergebnis gefährden“, warnt Schackert. Ein weiteres Indiz für das sich ändernde Arzt-Patienten-Verhältnis: die steigende Zahl der Patientenverfügungen. „Es sollte uns stutzig machen, dass mehr und mehr Patienten versuchen, Therapien zu begrenzen“, resümiert die DGCH-Präsidentin.

Es sei Zeit, sich auf das eigentliche Arzt-Patienten-Verhältnis zu besinnen, auf Empathie und Verantwortung. „Eine Medizin am Fließband, die jährlich eine Leistungssteigerung verlangt, kann nicht das Ziel sein und verliert den Patienten aus dem Blickfeld“, betont Schackert.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Chirurgie, www.chirurgie2016.de

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