Tatsache ist jedoch auch, dass zahlreiche Ärztinnen und Ärzte völlig überlastet sind und sogar darüber nachdenken, ihren Beruf hinzuschmeißen. Ein Sabbatical, also eine geplante berufliche Auszeit, kann helfen, die Batterien wieder aufzufüllen und die Work-Life-Balance in ein besseres Gleichgewicht zu bringen.
Das Klinikum Dortmund präsentiert sich in Sachen Sabbatical als Vorreiter: Hier hat sich der Direktor der Klinik für Chirurgie, Prof. Dr. Maximilian Schmeding, eine zweimonatige unbezahlte Auszeit genommen, um mit seiner Familie nach Equador zu reisen. Damit ist das Klinikum eine echte Ausnahme in der deutschen Kliniklandschaft. Im Interview berichtet der Klinikdirektor über seine Erfahrungen.
Warum haben Sie sich entschlossen, ein Sabbatical einzulegen?
Prof. Dr. Maximilian Schmeding: Das ist einfach erklärt: Es ging mir im Wesentlichen darum, mit der Familie außerhalb der Arbeit mehr Zeit zu verbringen.
Was haben Sie währenddessen gemacht?
Prof. Dr. Maximilian Schmeding: Ich habe viel Zeit mit der Familie verbracht. Uns war es allerdings wichtig, als Familie nicht einfach nur im Alltag hängenzubleiben, sondern gemeinsam eine Reise zu machen. Für manche ist der Gedanke, mit drei kleinen Kindern ans andere Ende der Welt zu reisen, vielleicht nicht attraktiv, aber für uns war das eine schöne Erfahrung.
Es ist eher ungewöhnlich, dass das ein Chefarzt ein Sabbatical macht. Welche Reaktionen haben Sie erlebt?
Prof. Dr. Maximilian Schmeding: Die Reaktionen meiner Kolleginnen und Kollegen waren eigentlich durchweg positiv. Ich habe bereits eine Auszeit während meiner beruflichen Laufbahn gemacht, nämlich als ich in Elternzeit gegangen bin. Damals habe ich zwar nicht so lange pausiert wie während des Sabbaticals, aber aufgrund dieser Tatsache hat es niemanden aus meinem Team überrascht, dass ich ein Sabbatical einlegen wollte. Auch auf Seiten der Geschäftsführung des Klinikums habe ich keine Ressentiments erlebt, es kamen jedenfalls keine Beschwerden.
Wie haben Sie ihre Auszeit vorbereitet?
Prof. Dr. Maximilian Schmeding: Ich leite eine relativ große Abteilung im Klinikum Dortmund, und darüber hinaus ist mein Stellvertreter sehr gut. Er hat den Laden in meiner Abwesenheit geschmissen. Außerdem wird er von einer guten Mannschaft unterstützt. Das hat Vorteile, denn mit diesem guten Team konnte meine Abwesenheit gut kompensiert werden. Rückblickend gab es wenig, was in meiner Abwesenheit nicht genauso gelaufen ist wie zuvor.
Das zeigt auch, dass man nicht unersetzbar ist. Ist dieses Gefühl wichtig, um ein Sabbatical mit einem guten Gewissen antreten zu können?
Prof. Dr. Maximilian Schmeding: Ja, Tatsache ist, dass niemand unersetzbar ist. Diese Erkenntnis ist uns allen bekannt, aber so mancher mag das nicht wirklich glauben. Mir ist allerdings klar, dass ich nicht unersetzbar bin. Ich sehe vielmehr die positive Seite, nämlich, dass ich mit einem Team zusammenarbeite, das meine Abwesenheit managen kann. Es gibt sogar viele Mitarbeitende, Kollegen und Kolleginnen, die gerne Verantwortung übernehmen und darin eine angenehme Herausforderung sehen.



Sie sagten gerade, dass sie eine große Abteilung haben. Welche Rolle spielt das bei der Überlegung, ein Sabbatical einzulegen?
Prof. Dr. Maximilian Schmeding: Eine nicht unerhebliche. Natürlich fällt die Abwesenheit des Chefs mehr ins Gewicht, wenn ein Team nur aus drei oder vier Leuten besteht. Ist eine Person aus dem Team dauerhaft weg, ist das nur schwer auszugleichen.
Wie gelang der Wiedereinstieg in den Berufsalltag?
Prof. Dr. Maximilian Schmeding: Der Wiedereinstieg war reibungslos. Ich hatte mich aber auch nicht völlig zurückgezogen. Zwar hatte ich mir vorgenommen, während meiner Auszeit nicht ständig mit der Klinik zu telefonieren oder E-Mails zu lesen, doch einige wenige Mails wurden dann doch verschickt. Auf diese Weise konnte ich ein paar Dinge organisieren, die für die Zeit meines Wiedereinstiegs von Bedeutung waren, beispielsweise als Fälle aufgelaufen sind, die für die Zeit nach meiner Rückkehr zeitnah zu planen waren. Aber grundsätzlich erwies sich der Wiedereinstieg als problemlos: Ich bin an meinem ersten Tag zur Tür reinspaziert, habe breit gegrinst und war wieder da.
Was hat Ihnen das Sabbatical persönlich und beruflich gebracht?
Prof. Dr. Maximilian Schmeding: Ein Sabbatical ist nicht förderlich im Sinne eines Karriereschubs, allerdings hat es hat mir gezeigt, dass man Ideen manchmal einfach angehen sollte. Ich hatte mir im Vorfeld Gedanken gemacht, ob ich mich das „trauen“ darf. Das war unbegründet, denn negative Folgen hatte das Sabbatical für mich nicht. Die Pause hat mir vielmehr mehr Lust auf den Job gegeben.
Für mein Privatleben hatte die Auszeit den positiven Effekt, eine längere Zeit mit der Familie verbringen zu können. Das war in vielerlei Hinsicht bereichernd. Ich habe beispielsweise gemerkt, wie anstrengend das Reisen mit drei relativ kleinen Kindern ist. Das führt einem schnell vor Augen, wo man Stärken bei der Arbeit besitzt, die hier nicht zum Tragen kommen. Nach dieser intensiven Familienzeit hatte ich wieder Lust auf die Arbeit. Insofern habe ich zwei erfreuliche Seiten erlebt: Ich habe mich auf die Auszeit gefreut und dann wieder auf die Arbeit.
Sie sind als Klinikdirektor in einer profilierten Position. Haben Sie gemerkt, dass Ihr Vorbild in Sachen Sabbatical Schule macht?
Prof. Dr. Maximilian Schmeding: Mein Sabbatical ist noch nicht lange genug her, um das genau zu beurteilen. Aber mein Stellvertreter hat sofort angekündigt, im nächsten Jahr ein Sabbatical einlegen zu wollen. Ich war selbstverständlich einverstanden, doch ist er das Ganze noch nicht aktiv angegangen. Darüber hinaus bemerke ich, dass in der Vergangenheit viele Personen aus meiner Abteilung in Elternzeit gegangen sind, nachdem sie erlebt haben, dass ihr Chef das auch gemacht hat. Ich weiß nicht, ob das so passiert wäre, wenn es dieses Vorbild nicht gegeben hätte.
Was ist ihr Fazit bezüglich Ihres Sabbaticals?
Prof. Dr. Maximilian Schmeding: Ich würde es genauso wieder machen. Sicher, Es gibt immer Arbeitsabläufe, die auf eine Person zugeschnitten sind. Darum es ist vielleicht ratsam, das Sabbatical nicht auf ein Jahr anzulegen – einfach, um zu verhindern, dass diese Strukturen verloren gehen. Aber meine Erfahrung hat gezeigt, dass es nahezu einen Monat dauerte, bis außerhalb der Klinik meine Abwesenheit überhaupt bemerkt wurde. Kurz darauf war mein Sabbatical schon wieder beendet. Die positive Außenwahrnehmung unseres Hauses hat demnach nicht gelitten.
Was würden Sie Kolleginnen und Kollegen raten?
Prof. Dr. Maximilian Schmeding: Wie man die Work-Life Balance gestaltet, ist eine individuelle Entscheidung. Ich persönlich befand mich in der luxuriösen Situation, aus der Position des Chefarztes heraus ein Sabbatical anzutreten. Ich musste nur in Betracht ziehen, wie die Geschäftsführung meine Entscheidung aufnimmt und wie sich diese in der Außendarstellung auswirkt. Keine Gedanken machen musste ich mir über die Frage, ob das Sabbatical meine Ausbildung verzögert oder ob andere an mir vorbeiziehen. Ich kann mir vorstellen, dass sich jüngere Kolleginnen und Kollegen, die noch die Facharztausbildung absolvieren, dahingehend sorgen. Dazu kann ich nur sagen, dass diese Sorgen in der Theorie unbegründet sein sollten, in der Praxis jedoch nicht ganz auszuschließen ist, dass sich eine längere Auszeit während der Facharztausbildung negativ auf die Karriere auswirkt. Darum sollte man so eine Entscheidung gut bedenken und ein Sabbatical gut vorbereiten.
Zur Person
Prof. Dr. Maximilian Schmeding ist seit 2016 Klinikdirektor der Chirurgischen Klinik am Klinikum Dortmund. Er ging für zwei Monate unbezahlt mit seiner Familie nach Equador.
Bild: © Klinikum Dortmund