"Gleichmachen ist der falsche Ansatz": Chefärztin Prof. Katrin Engelmann im Interview

Dennoch habe ich durch Gespräche mit Müttern erfahren, dass eine deutliche Angst besteht, nach der Rückkehr in eine Klinik den Anschluss verloren zu haben oder dem Team lästig zu sein, da Arbeit wegen der Kinder auch einmal liegen bleibt und von anderen übernommen werden muss. Dieses Problem wird meist erst während der Facharztausbildung präsenter. Hier kann es sein, dass dann das zunächst konkrete Ziel, in eine leitende Position zu gehen, regelrecht verloren geht. Es gibt sicherlich noch zu wenig Konzepte in Kliniken oder in den Personalverwaltungen, um Frauen mit Kindern zu helfen! Hier müssen die Personalabteilungen in Zukunft deutlich anders arbeiten und nicht nur Personal verwalten. Ein Entwicklungsprogramm für Frauen, das ihnen auch frühzeitig vorgestellt wird, wäre sehr hilfreich, gerade weil man nun definitiv weiß, dass die Medizin weiblich wird oder bereits ist.

Man darf aber auch nicht vergessen, dass bereits heute ganz selbstverständlich Frauen in chirurgischen Fächern arbeiten, was vor nicht allzu langer Zeit noch eine Rarität war. Nur wird diese Zwischenebene – in die Frauen „eingebrochen“ sind - meist nicht betrachtet oder „vermessen“, sondern nur die Leitungsebene. Diese Frauen sind aber eventuell die stillen Vorbilder für die nächste Generation, die dann auch die Scheu – es sind nicht nur Barrieren! - vor einer Leitungsfunktion verliert. Momentan scheinen zumindest im Wissenschaftsbetrieb lediglich 10 Prozent der Frauen überhaupt eine Chance für sich für eine Professur zu sehen.

Personalmanagement sollte daher gerade für Frauen mit Karrierewunsch die drei Bereiche Gewinnung – Entwicklung – Bindung, und hierzu zählen Recruitment, Cultivate und Retain - stärker entwickeln.

Es kann natürlich auch überlegt werden, ob die Männer den Frauen zu sehr im Weg stehen, um eine leitende Position zu erreichen. Hier ist es nach meiner Meinung und Erfahrung über all die Jahre im Beruf tatsächlich so, dass viele Männer sehr viel zielorientierter sind und bereits früh, nach der Facharztausbildung, eine Oberarztposition anstreben oder aber auch eine Ausbildung anstreben, die sie in Führungspositionen bringen kann. Diese Zielorientiertheit und diesen Ehrgeiz sehe ich gerade bei den jungen Frauen nicht so stark ausgebildet. Männer fragen – zumindest öffentlich – auch nicht so sehr nach, ob sie der Position überhaupt gewachsen sind. Damit kommt der ureigene Charakter eines Mannes mit ins Spiel, nämlich der natürliche Drang nach Führung.

Als weiterer Aspekt kommt hinzu: Die Generationen Y setzt Ihre Schwerpunkte anders als die bisher in Führungspositionen befindlichen Frauen. Eine Work-Life-Balance, eine gute Arbeitsumgebung und Betreuung im Beruf werden höher gewertet als die Vergütung oder der Karriereweg. Das Ziel, eine leitenden Position zu erreichen, ist möglicherweise von vornherein mit dieser Parallelisierung der privaten und beruflichen Ziele unter den gegebenen Voraussetzungen an Hochschulen oder Kliniken für viele Frauen nicht gegeben. Möglicherweise wird aber auch gar nicht mehr nach Wegen gefragt oder gesucht. Die Entscheidung von jungen Frauen für die Familie überwiegt einer Entscheidung in eine leitende Position zu gehen und möglicherweise auf Familie zu verzichten oder aber einen Spagat auszuüben und beides anzustreben.

Die Daten zeigen ja auch, dass die heutigen weiblichen Inhaber von Führungspositionen überdurchschnittlich häufig keine Kinder haben und damit tatsächlich etwas aufgegeben haben, was in der heutigen Zeit für junge Studierende oder Ärztinnen unmöglich ist.

Es gibt aber auch Hinweise, dass Frauen während ihrer Ausbildung ihr Ziel, hin zu einer leitenden Position, eher aufgeben, als Männer. Dieses hat dann offensichtlich sehr viel mit der Unzufriedenheit im Team oder in der Zusammenarbeit zu tun. Frauen betrachten das Umfeld offensichtlich in einer anderen Weise als Männer und lassen es auch zu, dass das Umfeld ihre Entscheidungen stärker beeinflusst. Hier könnte ein gut funktionierendes Mentoren-Netzwerk helfen.

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