Burnout: Ärzte gefährdeter als Lehrer

In einer Studie wurde erfasst, wie belastend bayerische Klinikärzte und Klinikärztinnen ihren Berufsalltag erleben. An der Befragung nahmen 1045 Ärzte des Marbuger Bundes (MB) Bayern teil. Das Ergebnis: Fachärzte fühlen sich am stärksten benachteiligt.

Erschöpfter Doktor

Viel Stress, wenig Erholung: Fachärzte in Krankenhäusern | CC0 Public Domain/Pixabay

An der Befragung nahmen von Juli bis September 2013 insgesamt 1045 Klinikärzte aus verschiedenen Fachrichtungen teil – davon 477 Männer und 568 Frauen. Das Durchschnittsalter der Männer lag bei 42, das der Frauen bei 37 Jahren; fast zwei Drittel der Teilnehmer arbeiteten in allgemeinen Krankenhäusern, 15,9 Prozent  in Universitäts- und 10,8 Prozent  in Spezialkliniken. Fachärzte und Assistenzärzte waren stark überrepräsentiert, aus der Gruppe der Chefärzte kamen nur 35 ausgefüllte Fragebögen zurück.

Gefragt wurden die Ärzte, wie häufig unzumutbare Aufgaben ausgeführt werden müssen, also Tätigkeiten, die gemessen an der eigenen Position als zu simpel oder als zu komplex empfunden werden. Hier gaben etwa 78 Prozent an, „ab und zu“ bis „sehr häufig“ unnötige Aufgaben erledigen zu müssen. Diese Zahlen sind, so die Autorin der Studie, Dr. Carla Albrecht, höher als bei der Vergleichsgruppe der Lehrer.

Weniger Wertschätzung für Fachärzte

Beim Thema Wertschätzung zeigte sich, dass circa 30 Prozent der Krankenhausärzte den Eindruck haben, zu wenig Anerkennung für ihre Anstrengungen zu erhalten. Hier war der hohe Anteil der Fachärzte mit 38 Prozent sehr auffällig. Bei Lehrern liegt der Anteil nur bei 14 Prozent.

Besser als die Lehrer schnitten die Krankenhausärzte bei der Wahrnehmung des beruflichen Erfolges ab. Der überwiegende Teil der befragten Ärzte empfand die Arbeit als sinnvoll. Etwa 80 Prozent waren der Meinung, „manchmal“ bis „häufig“ durch die Arbeit einen positiven Einfluss auf andere nehmen zu können, was sich unmittelbar durch positive Rückmeldungen von Patienten und Angehörigen feststellen lässt. Bei den Lehrern ist die Gruppe jener, die sich in ihrer Tätigkeit als Lehrer anerkannt fühlen, signifikant kleiner. Ganze 95 Prozent der befragten Ärzte gaben an, „ab und zu“ bis „sehr häufig“ ihre Ziele zu erreichen.

Allerdings fühlen sich Lehrer besser unterstützt durch Vorgesetzte und Kollegen. Fast drei Viertel der befragten Ärzte gaben an, durch ihre direkten Vorgesetzten „wenig“ bis „gar nicht“ sozial unterstützt zu werden. Deshalb spielt die Partnerschaft eine große Rolle. Etwa 80 Prozent der Befragten sagten, dass sie von dem Partner/der Partnerin „ziemlich“ bis „völlig“ sozial unterstützt werden.

Abschalten kaum möglich

Gefragt wurden die Ärzte auch, wie gut es ihnen gelingt, nach der Arbeit abzuschalten und zu regenerieren. Fast 70 Prozent antworteten, dass sie auch in der Freizeit an ihre Arbeit denken. Noch größer war der Prozentsatz derjenigen, die Schwierigkeiten haben, sich in der Freizeit zu regenerieren und neue Kräfte zu sammeln (75 Prozent).

Alarmierend sind die sich daraus ergebenden Folgen: Ein Viertel der befragten Krankenhausärzte gaben an, im Schnitt weniger als sechs Stunden pro Nacht zu schlafen. 40 Prozent schlafen „ziemlich schlecht“ bis „sehr schlecht“. Auffällig ist auch – im Vergleich zur Gesamtbevölkerung – die sehr hohe Tagesmüdigkeit: 35 Prozent der Teilnehmer haben demnach „etwas“ bis „große“ Probleme, im Alltag wach zu bleiben. Über 60 Prozent fühlen sich nach dem Aufwachen „selten“ bis „nie“ erholt.

Trotz des bedenklichen Werts zeigte sich bei der psychischen Stabilität kein bedeutender Unterschied zur Gesamtbevölkerung: „21,5 Prozent der Teilnehmer gaben an, momentan unter klinisch relevanten depressiven Symptomen zu leiden. Dies entspricht in etwa der Zwölf-Monats-Querschnitts-Prävalenz in der deutschen Bevölkerung“, so Albrecht.

Der Landesvorsitzende des Marburger Bundes Bayern, Dr. Christoph Emminger, bezeichnete gerade die große Unzufriedenheit der Fachärzte als alarmierend. Ihre „Sandwich-Position“ zwischen dem Assistenzarzt und dem Oberarzt sei besonders undankbar. Emminger forderte strukturelle Veränderungen in den Kliniken. Eine Maßnahme könnte sein, Stellen mit entsprechenden Tätigkeitsprofilen zu schaffen, damit Aufgaben fachgerecht zugeordnet werden. Die mangelhafte Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzten sei dem „künstlichen Druck“ geschuldet, so Emminger, der durch die immer stärkere betriebswirtschaftliche Ausrichtung von Kliniken verursacht würde. Die Folge: längere Arbeitszeiten, eine zunehmende Unterbesetzung von Personal und die besorgniserregende Tagesmüdigkeit der Ärzte. „Hier brauchen wir dringend andere Rahmenbedingungen“, so der Landesvorsitzende. 

 

Quelle:

Albrecht C, Giernalczyk T: Psychother im Dial 2016;17(2):36-39

Albrecht C: Belastungserleben bei Lehrkräften und Ärzten. Neue Ansätze für berufsgruppenspezifische Prävention. Verlag Julius Klinkhardt 2016

Münchner Ärztliche Anzeigen, Heft 22/2014 

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