Droemer Verlag
Jeder hat zu jeder Zeit freien Zugang zu den Räumlichkeiten eines rechtsmedizinischen Instituts
Falsch! Zu dem
Sektionssaal und den Laboren haben nur wenige Befugte Zutritt. Wichtige Akten und Schreiben von der Staatsanwaltschaft und der Polizei liegen hier aus, die nicht in die Hände unbefugter Dritter gelangen dürfen. Auch die Asservate, wie zum Beispiel Blutproben oder Kleidungsstücke der Leiche, werden im rechtsmedizinischen Institut in der Asservatenkammer gelagert. Sie enthalten, ebenso wie die Leiche selbst, viele Spuren, die zum Täter führen können.
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Der Obduktionssaal ist im Keller eines rechtsmedizinischen Instituts gelegen
Falsch beziehungsweise
nur in Ausnahmefällen richtig, denn man muss sehen, was man obduziert. Da eignet sich Tageslicht am besten. Weil viele Obduktionssäle aus früheren Zeiten stammen, in denen es noch keine effiziente Stromversorgung gab, war man beim Obduzieren auf das Tageslicht angewiesen. Und auch heute kann elektrisches Licht verfremden. Leichenflecken sind bei der oft unabsichtig auftretenden Kohlenmonoxidvergiftung zum Beispiel hellrötlich, fast pink. Kunstlicht verfremdet diesen Farbton unter Umständen so sehr, dass man die Verfärbungen übersieht.
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Rechtsmediziner hören klassische Musik bei der Arbeit
So wie etwa der Münsteraner
Tatort-Kommissar Professor Boerne, der vorzugsweise Opern von Richard Wagner oder Giuseppe Verdi hört. Michael Tsokos ist sich sicher, dass kein Rechtsmediziner auf der ganzen Welt klassische oder eine andere Musik bei der Leichenöffnung hört. Bei Operationen ist der positive Effekt von klassischen Musik auf die Patienten erwiesen, deshalb sorgen Chirurgen schon einmal für eine Musikbeschallung. Für die "Patienten" der Rechtsmediziner kommt jede Entspannung jedoch zu spät, deshalb kann die Stereoanlage ausgeschaltet bleiben.
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Vor der Obduktion reiben sich Rechtsmediziner Mentholpaste unter die Nasenlöcher, damit sie den Leichengeruch besser ertragen können
Dies ist in dem Film "Das Schweigen der Lämmer" geschehen, wo Jodie Foster (in der Rolle von Clarice Starling) und Scott Glenn (Jack Crawford) sich vor der Inspektion einer Leiche des Serienkillers Buffalo Bill aus einer kleinen
Dose Mentholpaste unter die Nase schmieren. Michael Tsokos würde das nie tun. Erstens, weil er sich vor dem Geruch von Mentholpaste graut. Zweitens, weil der tägliche Einsatz von Mentholpaste für die Haut ätzend ist. Und drittens, weil der Geruchssinn bei der Obduktion hilfreich sein kann. Ein fruchtiger Geruch der inneren Organe kann zum Beispiel auf einen entgleisten Zuckerstoffwechsel hindeuten. Der Geruch nach Ammoniak auf ein Nierenleiden, aromatischer Geruch auf Alkoholkonsum vor dem Tode und bei Bittermandelgeruch besteht die Möglichkeit einer Blausäurevergiftung.
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Die Angehörigen identifizieren ihre Verstorbenen in der Rechtsmedizin
Ein Klischee, sagt
Michael Tsokos. Zum einen, weil die Täter in über 80 Prozent aus dem direkten persönlichen Umfeld des oder der Getöteten stammen und er oder sie bei der Identifizierung Spuren hinterlassen könnte, die vorherige Spuren verwischen. Zum anderen soll das Wohl der Trauernden geschützt werden. Etwa 50 Prozent der etwa 2000 Berliner Leichen, die Tsokos und seine Kollegen pro Jahr obduzieren, sind stark fäulnisverändert. Kein schöner Anblick. Deshalb findet die Erkennung über einen Fotoabgleich oder die Identifizierung unveränderlicher körperlicher Merkmale (Tätowierungen, Operationsnarben etc.) statt.
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Rechtsmediziner sind chronisch gelaunte Zyniker
Spezielle Zeitgenossen, ja! Zyniker, nein!, sagt Michael Tsokos
und erzählt von einem Kollegen, der in seinem Keller Modelleisenbahnlandschaften aufgebaut hat, in denen Szenarien von Katastrophen mit vielen Toten nachgestellt sind. Mittendrin identifizieren Miniatur-Rechtsmediziner die Opfer. Ein anderer Kollege fertigte aus Wirbelkörpern von Hausschweinen Weihnachtsbaumanhänger an. Ein weiterer hat das Becken seiner Schwiegermutter in Formalin eingelegt und bewahrt es bereits seit mehreren Jahrzehnten bei sich im Institut auf. Und er selbst hält bei jedem überfahrenen Tier an der Landstraße an und prüft, ob sich eine Präparation lohnt.
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Nach dem Tod wachsen Nägel und Haare weiter
Stimmt so nicht. Es kann unter Umständen
zwar so aussehen, als ob Bartstoppel oder Fingernägel wachsen, tatsächlich zieht sich aber nur die Haut zusammen. Denn nach dem Tod lockern sich die einzelnen Zellverbindungen zwischen den Hautzellen und Gewebswasser tritt aus. Daher schrumpft die Haut zusammen und vorher in der Tiefe des Unterhautgewebes gelegene Bartstoppel oder Fingernägel werden sichtbar.