Die Bedeutung von Publikationen für Karriere und Ansehen wächst stetig (publish or perish). Konflikte um die Autorenschaft nehmen entsprechend zu. Bei einer aktuellen Befragung gaben 300 von 600 Chemikern an US-amerikanischen Universitäten an, ihre Autorenrechte seien schon einmal verletzt worden. Auch medizinische Promovenden sind von dieser Problematik betroffen.
Das Promotionswesen an den medizinischen Fakultäten in Deutschland durchläuft derzeit eine sehr dynamische Phase. Die Exzellenzinitiativen haben allerorten zu großen Anstrengungen geführt, das Niveau der medizinischen Promotion zu erhöhen und sie qualitativ an naturwissenschaftliche Dissertationen heranzuführen. International akzeptierte Standards werden herangezogen und durchgesetzt, wie es in der Vergangenheit nicht immer der Fall war. Institutionelle Verfahren werden professionalisiert. In diesem Umfeld führen einige falsch eingeschliffene Praktiken zu Auseinandersetzungen in und mit Arbeitsgruppen, die von akademischen Gremien und – im letzten Schritt – auch Gerichten behandelt und gelöst werden müssen. Durchgreifende Entwicklungen im Promotionswesen – insbesondere die großflächige Untersuchung abgeschlossener Doktorarbeiten auf Plagiate durch die Vroniplag-Initiative – legen auch Probleme offen, die mit der Autorenschaft von Veröffentlichungen verbunden sind. Es kommt zu absurden Situationen: Zum Beispiel wird ein Doktorand der Übernahme eines Textes aus einer Veröffentlichung seiner Arbeitsgruppe bezichtigt, obwohl der inkriminierte Text eigentlich aus seiner Dissertation stammt – er ist jedoch als Autor in der Veröffentlichung übergangen worden.
Autorenschaft gerecht und nachvollziehbar gestalten
Viele Promotionen werden derzeit schon in der Anfangsphase als Publikationspromotion angelegt – das heißt, Doktoranden können ihre bereits in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlichten Ergebnisse als Promotion einreichen. Auch wenn eine Monographie angestrebt wird, ist eine separate Publikation der Daten in einem Journal gern gesehen und geht in die Bewertung der Dissertation ein. Die Autorenreihung in ihrer Gesamtheit, die Erstautorenschaft (ob nun geteilt oder nicht) und die Letztautorenschaft können eine große Rolle in akademischen Bewertungsverfahren spielen. Es kann zu ernsten Konflikten zwischen den Belangen der Promovierenden und ihrer habilitierenden Sekundärbetreuer kommen. Diese Problematik kann dadurch verstärkt werden, dass die jeweiligen Habilitationsordnungen und Promotionsordnungen nicht miteinander harmonieren beziehungsweise entsprechende Grundsätze nicht ausreichend verankert sind. Erkennt etwa die Habilitationsordnung die Letztautorenschaft nicht als gleichwertig mit der Erstautorenschaft an, werden Promovend und Habilitand gegeneinander stehen.
Auch die Primärbetreuer, die ja bereits habilitiert sind, stehen in akademischen Verfahren (Berufung, Ernennung zum außerplanmäßigen Professor et cetera), in denen Publikationen vorgewiesen werden müssen. Bestehen sie oder gar der Abteilungsleiter auf einer Letztautorenschaft, hat der Promovend oft das Nachsehen.
Bei hochrangigen Journalen wird der Konflikt noch ausgeprägter sein. Wenn schließlich in der Promotionsordnung eine Erstautorenschaft in einem erstklassigen Journal als Publikationspromotion akzeptiert wird, steht die Promotion selbst auf dem Spiel. Interessenkonflikte dieser Art sind für die Wissenschaft kontraproduktiv.
Ein weiterer Aspekt ist von Bedeutung: Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass Autorenkonflikte häufiger in Arbeitsgruppen auftreten, deren Arbeitsklima zu wünschen übrig lässt. Bei unkollegialem und unfairem Umgang miteinander liegt der Verdacht nahe, dass gehäuft auch andere Verstöße gegen die gute wissenschaftliche Praxis vorkommen (2). Akademische Gremien sind daher geneigt, sich darüber ein Gesamtbild zu verschaffen. In der Konsequenz steigt sowohl der externe als auch der interne Druck an, die Autorenschaft an wissenschaftlichen Veröffentlichungen nachvollziehbar und gerecht zu gestalten.
Wer einen wesentlichen Beitrag zu einer Veröffentlichung macht, hat ein Recht darauf, in ihr als Autor genannt zu werden. Überragt der Beitrag den der anderen Autoren, sollte eine Erstautorenschaft zwingend sein. Der Person, die das Thema vergibt und die Arbeit intensiv betreut (häufig PI – principal investigator – genannt), steht regelhaft die Letztautorenschaft zu. In jedem Falle sollte sich die Aufnahme in die Autorenliste an einem internationalen und etablierten Standard orientieren wie er mit den auch von der Deutschen Forschungsgemeinschaft übernommenen Richtlinien des ICMJE (International Committee of Medical Journal Editors) vorliegt.
Die Autorenschaft gründet sich gemäß ICMJE auf folgende vier Kriterien (3):
1. Substanzielle Beiträge zu Konzept und Design der Arbeit; oder Erfassung, Analyse oder Interpretation der Daten der Arbeit – und
2. Skizzieren der Arbeit oder kritische Durchsicht auf wichtige intellektuelle Inhalte – und
3. endgültige Zustimmung zur publizierten Endversion – und
4. Bereitschaft, für alle Aspekte der Arbeit die Mitverantwortung zu übernehmen, damit Fragen der Genauigkeit und Integrität jedes Teils der Arbeit angemessen untersucht und gelöst werden.
Zusätzlich zu der Verantwortung für den eigenen Anteil an der Arbeit sollte ein Autor ebenfalls identifizieren können, welcher Koautor für definierte andere Teile der Arbeit die Verantwortung trägt. Des Weiteren sollte ein Autor der Integrität der Beiträge seiner Koautoren vertrauen.
Alle, die als Autoren vorgesehen sind, sollten alle vier Kriterien erfüllen und alle, die die vier Kriterien erfüllen, sollten als Autoren kenntlich sein. Diejenigen, die nicht alle vier Kriterien erfüllen, sollten in den Acknowledgements aufgeführt werden.
Die Kriterien der Autorenschaft sollen die Autorenschaft auf die Personen begrenzen, die sie sich verdient haben und die die Verantwortung für die Arbeit tragen können.
Die Kriterien sind nicht dazu gedacht, Kollegen von der Autorenschaft auszuschließen, die die Kriterien erfüllen, jedoch zu den Aktivitäten gemäß den Punkten 2 oder 3 nicht zugelassen wurden. Aus diesem Grunde sollten alle Individuen, die das erste Kriterium erfüllen, die Gelegenheit bekommen, an der Überarbeitung, der Skizze und der endgültigen Freigabe des Manuskripts mitzuwirken.
(Übersetzung durch die Autoren)
Diese Richtlinien sollten tunlichst in den entsprechenden akademischen Ordnungen und den Promotionsvereinbarungen verankert sein.
Für die Reihung der Autoren zwischen Erst- und Letztautor gibt es keine etablierten Regeln, nur Gewohnheiten wie „Macher vorne, Denker hinten“. Die „Zwischenautoren“ nach der Relevanz oder dem Ausmaß des Beitrages zu ordnen, ist sicherlich ein gutes Grundprinzip, das in der Praxis jedoch komplex werden kann. Eine derartige leistungsabhängige Reihung wird allerdings bisher von außen nicht zuverlässig wahrgenommen. Sicherlich sind der Letztautor und auch der Erstautor am ehesten in der Lage, die Reihenfolge vorzuschlagen oder mit der Autorengruppe abzustimmen. Dieser Prozess sollte vorzugsweise konsensuell und iterativ sein (4). Keinesfalls jedoch sollten Abhängigkeitsverhältnisse, wie sie im Rahmen von Promotionen unweigerlich auftreten, zu sogenannten „Ehrenautorenschaften“ führen, die auf keinem substanziellen Beitrag fußen. Bei einer Befragung von korrespondierenden Autoren gaben allerdings 52 Prozent an, „Ehrenautorenschaften“ zu halten (5).
Für Publikationen, die im Rahmen von Promotionen entstehen, werden alle angesprochenen Aspekte zusätzlich von Promotionskommissionen, Gutachtern und Prüfern durchleuchtet. In diesem Umfeld wird eine Missachtung der Autorenrichtlinien häufig auffallen und möglicherweise zu akademischen Verfahren führen. Die Schlichtung dieser Konflikte ist eine schwierige Aufgabe, der zum Beispiel Ombudspersonen an der Charité mit großem Zeiteinsatz nachgehen. Will man an der medizinischen Promotion als wissenschaftlicher Hochleistung festhalten, sollte man hier richtlinienkonform vorgehen. Für die Zukunft gibt es dazu keine Alternative.