Praktisches Jahr: Kein rechtsfreier Raum

Solange Medizinstudierende im Praktischen Jahr unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden Arztes ihnen zugewiesene ärztliche Verrichtungen entsprechend ihrem Ausbildungsstand durchführen, ist eine Haftung ausgeschlossen. Es gibt vor diesem Hintergrund auch keinen rechtsfreien Raum im PJ. Insoweit ist es auch folgerichtig, wenn die aktuelle Rechtsprechung eine (alleinige) Aufklärung eines Patienten durch einen Studenten im Praktischen Jahr zulässt, wenn diese seinem Ausbildungsstand entspricht und unter der Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden Arztes stattfindet. Dies setzt nicht in jedem Einzelfall zwingend unbedingt voraus, dass der ausbildende Arzt bei jedem Aufklärungsgespräch anwesend ist, wenn er sich im Vorfeld versichert hat, dass der PJ-Studierende hierzu fachlich in der Lage war. Insoweit wird auch eine Herzkatheter-Untersuchung durch einen erfahrenen PJ-Studierenden möglich sein, wenn er eine solche in Anwesenheit und unter Aufsicht des Ausbilders durchführt.

PJ-Studierende dürfen grundsätzlich darauf vertrauen, dass ihnen nur solche Aufgaben übertragen werden, die sie in Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Facharzt auch bewältigen können. Dies entbindet die Studierenden aber nicht von ihrer rechtlichen Verpflichtung, bei unklaren Weisungen nachzufragen und eventuell eine Aufgabenübertragung auch abzulehnen.

Zum Urteil zur Übertragung der ärztlichen Aufklärung auf PJ-Studierende geht es hier

Haftungsmassstab

Die ordnungsgemäße Behandlung von Patienten steht der Übertragung ärztlicher Tätigkeiten auf Studierende grundsätzlich nicht im Weg. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass medizinisches Wissen und (fach)ärztliche Expertise neben theoretischem Wissen auch eine fundierte praktische Erfahrung benötigt. Entscheidend ist, dass sich die Anfängerausbildung nicht zulasten der Patientinnen und Patienten auswirkt. Denn der Patient hat mit Abschluss eines Behandlungsvertrages einen Rechtsanspruch auf eine ärztliche Behandlung, welche dem Standard eines Facharztes entspricht. Nach ständiger Rechtsprechung müssen die mit der Ausbildung junger Ärztinnen und Ärzte verbundenen höheren Verletzungsgefahren durch ständige Eingriffsbereitschaft und Eingriffsfähigkeit des aufsichtsführenden Facharztes ausgeglichen werden. Ist dies nicht der Fall, haftet der ausbildende Facharzt. Der Berufsanfänger selbst haftet nur in Ausnahmefällen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs muss aber von einem ärztlichen Berufsanfänger erwartet werden, dass er bezüglich seiner Fähigkeiten selbstkritisch und sich der unter Umständen lebensbedrohenden Gefahren für einen Patienten bewusst ist, die durch fehlende Erfahrung oder das Unterdrücken von Zweifeln entstehen können. Diese Grundsätze sind strukturell auf die mögliche Haftung von PJ-Studierenden übertragbar.

Zu den Autoren dieses Artikels: Anke Stümpfig ist Leiterin des Studiendekanates der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn. Dirk Böhmann ist Justitiar des Deutschen Hochschulverbandes und Lehrbeauftragter der Universität Bonn.

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