Liebes Krankenhaus,
frisch erholt vom PJ-Tag mit Feueralarm startete ich heute wieder top motiviert in den Tag an der Klinik. Nach der alltäglichen und von mir so sehr geliebten Frühbesprechung folgte ich Dr. Dr. PD Gordojamatamaris Dvošrákyszczykiewicz auf die Station (Ich kann seinen Nachnamen jetzt übrigens fließend aussprechen. Nun wage ich mich an größere Aufgaben, zum Beispiel den Vornamen vorwärts und rückwärts fehlerfrei aufsagen zu können).
Nach einer Stunde Blutabnehmen und einer kleinen Verschnaufpause an der Deluxe-Kaffeebar auf der Privatstation – heute hatte ich einen Latte Macchiato mit Haselnusssirup und Schokosplittern – ging es dann weiter. Wohin? Richtig, weiter zum Blut abnehmen auf eine andere Station. Nachdem auch das erledigt hatte und die anfängliche Motivation trotz Haselnusssirupgeschmack eher im Keller war, durfte ich Arztbriefe vorschreiben. Natürlich von Patienten, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe und bei denen auch die Hälfte der Behandlungsakte fehlte. Aber wozu hat man schließlich motivierte und strebsame PJler, wenn nicht dazu?!
Genervt und verständlicherweise leicht frustriert dachte ich, schlimmer kann es heute nicht mehr kommen, aber weit gefehlt, es kam ja schließlich noch das PJ-Seminar bei der Ethikbeauftragten des Krankenhauses, Frau Dr. Reitz. Mit wehendem Haar, einem violetten Batik-Shirt und einer riesigen Hornbrille betrat sie den Seminarraum. Dann kam sie auch schon zielsicher auf mich zu gestürmt und hielt mir gefühlte zehn und tatsächliche fünf Minuten beide Hände. Nach dieser wortwörtlich "reitzenden" Begrüßung wurde ich dann schnurstracks in einen Stuhl verfrachtet und durfte mir eine halbe Stunde lang anhören, warum und wie sie denn nun Ethikbeauftragte des Krankenhauses geworden ist und ihren Beruf so liebt. Um ihren persönlichen Lebenslauf noch farbenfroher darzustellen, hatte sie auch gleich eine PowerPoint-Präsentation über sich mitgebracht. Sie hat einen Hund, mit dem sie gerade nicht klarkommt – er zieht immer so sehr an der Leine – zwei Kinder, beide Mädchen in der Pubertät, und einen Mann, der nicht mit ihr einkaufen gehen will – und gerade wird ihr alles zu viel.
Nachdem ich Frau Reitz getröstet hatte und nach den obligatorischen fünf Minuten Händchenhalten konnten wir über das eigentliche Thema Sterbehilfe dann gar nicht mehr sprechen (die PJ-Unterrichtszeit war da nämlich schon vorbei und der Seminarraum wurde anderweitig genutzt). Wir haben uns aber fest versprochen, einen neuen Seminartermin auszumachen, schon nächste Woche. Mal sehen, was bis dahin mit den pubertierenden Töchtern und dem Hund noch so alles geschieht.
Fräulein Licht (24) studiert Medizin in Münster und startet in diesem Winter in ihr Praktisches Jahr an der Klinik. Alle Blog-Inhalte beruhen auf den Erfahrungen der Bloggerin im PJ und geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Die Namen von eventuell vorkommenden Personen wurden geändert.