Video-Ausschnitt: Das Deutsche Medizinstudierenden-Sinfonieorchester spielt Mozarts 29. Sinfonie in A-Dur (KV 201) im Atrium des CharitéCrossOver, Berlin (Konzert vom 1. Juni 2018)
Frau Förster, warum gibt es ein eigenes Orchester für Medizinstudenten? Sie könnten ja auch mit anderen Musikern zusammen spielen.
Antje Förster: Die Idee ist daraus entstanden, dass wir bei uns an der Charité festgestellt haben, dass es unheimlich viele Musiker gibt, die auf einem sehr hohen Niveau musizieren, und die eben auch Medizin studieren. Wir wollten uns selbst, aber auch anderen, die da mit uns auf einer Wellenlänge sind, die Möglichkeit geben, sich zu vernetzen und sich die Welt der Musik noch weiter zu erschließen. Wir wollten das gemeinsam erleben und dabei auch noch andere Gleichgesinnte aus dem medizinischen Bereich kennenlernen.
Warum gibt es denn gerade bei den Medizinstudenten so viele Menschen, die gleichzeitig so gute Musiker sind?
Antje Förster: Ich denke, dass die Grundvoraussetzungen bei Musik und Medizin sehr ähnlich sind. Man muss für beides erstmal viel Zeit investieren – als Musiker fängt man ja oft schon mit fünf Jahren an und muss dann jahrelang möglichst jeden Tag üben. Das ist sehr zeitintensiv, ähnlich wie auch die Medizin. Auch da sollte man schon in der Schulzeit begeistert sein und muss viel lernen – und man darf auch während des Studiums nie den Faden verlieren. Ich glaube, dass diese Ambition beide Fächer vereint. In beiden Disziplinen arbeitet man außerdem viel mit den Händen und braucht ein gewisses Geschick. Es geht aber auch um Eigenschaften wie Menschlichkeit und Teamfähigkeit – das ist meiner Meinung nach auch in beiden Bereichen wichtig. Zwischen Medizin und Musik gibt es einfach viele Parallelen.
Warum entscheidet man sich denn neben dem sehr zeitaufwändigen Medizinstudium auch noch für so ein aufwändiges Hobby? Wird das nicht schnell zur Doppelbelastung?
Antje Förster: Es ist schon auch eine Doppelbelastung. Aber wie gesagt ist es ja oft so, dass man mit der Musik schon als Kind beginnt. Das heißt, das zeitaufwändige Üben ist schon viel früher passiert, und später überwiegt dann die Freude an der Musik. Ich habe viele Leute kennengelernt, die in ihrer Schulzeit wirklich überlegt haben, ob sie Musik studieren sollen. Sie haben sich dann nach dem Abitur aber dagegen entschieden, weil die Zukunftsaussichten als Berufsmusiker nicht so rosig sind. Und es ist natürlich auch als Hobby ein super Ausgleich. Musik ist ja nicht nur anstrengend und geistig fordernd, sondern sie entspannt eben auch. Man kann die ganzen kognitiven Aufgaben, die man im Medizinstudium hat, einfach mal loslassen.
Was ist das Deutsche Medizinstudierenden-Sinfonieorchester genau?
Antje Förster: Wir haben das Orchester mit vier Medizinstudierenden im Sommer 2017 an der Charité gegründet. Die Idee ist, dass man sich als Orchester zweimal im Jahr in den Semesterferien trifft – in diesen Arbeitsphasen musizieren wir etwa eine Woche lang zusammen. Daran kann jeder Medizinstudierende aus dem deutschsprachigen Raum teilnehmen. Es gibt keine regelmäßigen gemeinsamen Proben – das wäre organisatorisch schwer umzusetzen. In der Zeit außerhalb der Arbeitsphasen musiziert jeder für sich – und dann führen wir es als Orchester zusammen. Wir hatten bisher zwei Arbeitsphasen – einmal im März 2018 in Berlin und einmal im August in Tübingen, mit Konzerten in Tübingen und Stuttgart. Dieses Konzept wollen wir in Zukunft weiter ausbauen und möglichst viele Konzerte spielen. Die nächste Arbeitsphase ist in Leipzig / Halle geplant – dort wird es auch Konzerte geben und vielleicht entsteht daraus eine kleine Tournee.
Haben Sie denn alle Instrumente besetzen können, die ein Orchester braucht?
Antje Förster: Es gibt natürlich wie immer auch Instrumente, die weniger beliebt sind. Da muss man dann schon ein bisschen nach den passenden Leuten suchen. Wir haben es bisher noch nicht geschafft, tatsächlich nur Medizinstudierende spielen zu lassen. Wir wollen aber schon darauf achten, dass zumindest ein Medizinbezug da ist. Das bedeutet, wir richten uns vor allem an Mediziner und verwandte Studienfächer, aber auch an Ausbildungsberufe mit Medizinbezug. Vor allem bei den Bläsern ist das schwer, alle Stellen zu besetzen. Wir hoffen, dass wir an Popularität gewinnen – wir sind ja ein sehr junges Orchester, das hoffentlich noch viel mehr Zukunft hat.
Wie wählen Sie die Musiker für das Orchester aus und wer übernimmt den Posten des Dirigenten?
Antje Förster: Jeder, der Interesse hat, kann uns seine Bewerbung schicken. Da sollte angegeben werden, wie lange man sein Instrument schon spielt und ob man Orchestererfahrung hat. Den Anmeldebogen findet man auf unserer Website. Da wählen wir dann entsprechend aus, wer mitspielen darf. Im Moment herrscht aber noch kein Überschuss an Mitspielern – deshalb kann eigentlich so gut wie jeder mitmachen. Wir haben keinen festen Dirigenten - die erste Phase wurde von Mitgründer Robert Havkin dirigiert, der auch Medizin studiert und jetzt parallel dazu anfängt, Trompete zu studieren. In der zweiten Phase hat das dann Tim Fluch gemacht - Dirigat-Student aus Dresden. Wie das in Zukunft laufen soll, diskutieren wir gerade noch. Unser Ziel ist, weiterhin mit Dirigenten zu arbeiten, die neben künstlerischer Erfahrung auch einen Bezug zur Medizin haben.
Was für ein Repertoire haben Sie denn bisher gespielt und was steht noch auf dem Plan?
Antje Förster: Bei der Arbeitsphase in Tübingen haben wir die 5. Sinfonie und das 3. Klavierkonzert von Beethoven gespielt. Außerdem stand die „Freischütz“-Ouvertüre von Weber auf dem Programm. Im März haben wir die 4. Sinfonie von Brahms, die Leonoren-Ouvertüre, auch von Beethoven, und das Trompeten-Konzert von Haydn gespielt. Es war bisher also ein sehr klassisch-romantisches Programm – und so soll das auch in Zukunft bleiben. Bei uns entscheiden der Dirigent und das Orga-Team zusammen, was gespielt wird, aber die Orchestermitglieder können sich gern auch mal ein Stück wünschen.
Das Deutsche Medizinstudierenden-Sinfonieorchester (DMSO) wurde 2017 von Medizinstudierenden der Charité – Universitätsmedizin Berlin gegründet. Sein Ziel ist die Förderung der Vernetzung unter jungen Menschen, die sich sowohl für die Medizin als auch die Musik begeistern.
Mehr Informationen auf fsi-charite.de/dmso.
Was passiert alles hinter den Kulissen? Neben dem eigentlichen Musizieren gibt es doch bestimmt viel zu organisieren.
Antje Förster: Der Organisationsaufwand ist tatsächlich sehr groß. Da geht es um Aufgaben wie vor Ort passende Räume zu finden – für die Proben, aber auch einen Konzertsaal für den Auftritt. Aber es müssen auch Unterkünfte gefunden werden – bisher haben wir es so gemacht, dass die Medizinstudenten vor Ort andere bei sich zu Hause aufgenommen haben. Dann müssen die Noten und der Instrumententransport organisiert werden, und es tauchen auch immer wieder neue Fragen auf: Zum Beispiel müssen wir uns mit der GEMA beschäftigen – das hatten wir am Anfang gar nicht eingeplant. Wir haben uns gerade als gemeinnütziger Verein ins Vereinsregister eintragen lassen. Auch das war ein großer Planungsaufwand.
Was ist für die Zukunft noch geplant?
Antje Förster: Wir planen jetzt als erstes die dritte Übungsphase im März 2019 in Halle / Leipzig. Aber darüber hinaus wollen wir künftig auch das Zusammenspiel von Musik und Medizin stärker in den Fokus rücken. Da soll es zum Beispiel während der Arbeitsphasen Seminare für die Mitspieler im Orchester geben, die sich mit dem Thema Musiktherapie beschäftigen. Wir wollen die Bedeutung von Musiktherapie stärker in die Öffentlichkeit rücken: Uns ist wichtig, dass man sich bewusstmacht, dass Musik nicht nur Spaß macht, sondern auch bei vielen neurologischen Krankheitsbildern eine große Rolle spielen kann: beispielsweise bei der Rehabilitation von Schlaganfall-Patienten, bei Demenz oder bei Parkinson. Wir wollen auch eines der kommenden Konzerte als Benefizkonzert stattfinden lassen und die Einnahmen dann an einen gemeinnützigen Verein im Bereich der Medizin spenden.