Nur etwa zwei Drittel aller Ärztinnen und Ärzte in Deutschland tragen derzeit einen Doktortitel – Tendenz fallend. Für zunehmend viele scheint angesichts der günstigen Arbeitsmarktsituation ein Doktortitel nicht mehr notwendig und auch nicht unbedingt erstrebenswert zu sein. Umfragen unter Medizinstudierenden zum Thema Promotion zeigen gleichzeitig ein großes Wissensdefizit bezüglich der Auswahl eines individuell passenden Themas, eines Instituts, eines Betreuers und einer guten Planung. An vielen medizinischen Fakultäten herrscht zudem nicht gerade fächerübergreifend eine Atmosphäre, die Medizinstudierende zu Forschungsarbeiten beflügelt.
Doch dies soll sich ändern. Die Medizinischen Fakultäten wollen ihre Studierenden wieder verstärkt für Forschung begeistern und die Humboldtsche Trias, die Einheit von Krankenversorgung, Forschung und Lehre, an den Universitäten bereits während des Studiums erlebbar machen. Der Medizinische Fakultätentag (MFT) plädierte deshalb bei seinem diesjährigen bundesweiten Treffen in Würzburg für eine flächendeckende Einführung von strukturierten Programmen zur Qualitätssicherung aller medizinischen Promotionen. Nach Ansicht der Dekane der medizinischen Fakultäten ist die medizinische Promotion nach wie vor eine grundlegende Voraussetzung für die wissenschaftliche Qualifikation von forschenden Ärztinnen und Ärzten. Die Grundqualifikationen für wissenschaftliches Arbeiten müssten zudem schon vor der Promotion allen Medizinstudierenden vermittelt werden. Die Zeit muss sein!
Lange Studiendauer erschwert die Forschungstätigkeit
Aufgrund der langen Studiendauer von häufig mehr als sechs Jahren und der sich daran anschließenden fachärztlichen Weiterbildung sehen die Fakultäten die Notwendigkeit, die promotionsvorbereitende Forschungstätigkeit schon in die zweite Studienhälfte einzubetten – auch wenn der eigentliche Doktortitel erst nach dem erfolgreichen Abschluss des Studiums erlangt wird.
Hier räumen die Fakultäten auch eigene Defizite ein: Künftig müssten flächendeckend ausreichende Freiräume geschaffen werden, die eine eigenständige Forschungsarbeit zur Generierung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ermöglichen, heißt es in ihrem Beschluss vom Sommer dieses Jahres. „Wie die viel zu große Zahl problematischer Beispiele in der Vergangenheit gezeigt hat, müssen verbindliche Verfahren zur Qualitätssicherung greifen“, sagte Prof. Dr. rer. nat. Heyo Kroemer, MFT-Präsident. Die überwiegende Zahl der Medizinischen Fakultäten habe mittlerweile strukturierte Promotionsprogramme eingerichtet.
Förderprogramme sollen Promotionsvorhaben attraktiver machen
Allerdings kommen diese meist nur einem Teil der Promovierenden zugute. „Die positiven Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren mit den bereits bestehenden strukturierten Promotionsprogrammen machen konnten, bestätigen uns darin, diese nun als die Regel für die Erlangung des Dr. med. und des Dr. med. dent. zu fordern“, erklärte der Würzburger Dekan Prof. Dr. med. Matthias Frosch, Mitglied des MFT-Präsidiums. Einstimmig sprach sich der MFT in diesem Jahr dafür aus, strukturierte Promotionsprogramme flächendeckend an allen Fakultäten und für alle in der Humanmedizin und der Zahnmedizin Promovierenden anzubieten. Diese sollen eine reine Forschungszeit von mindestens neun Monaten und klare Anforderungen zur Auswahl, Betreuung und Bewertung der Promovierenden und ihrer Forschungsarbeiten beinhalten.
Diese Vorstellungen decken sich auch mit den Vorschlägen des Wissenschaftsrates zur künftigen Gestaltung des Medizinstudiums in Deutschland. Bereits vor zwei Jahren plädierte das Beratergremium dafür, den Erwerb wissenschaftlicher Kompetenzen im Studium zu verstetigen. Konkret empfahl er sogar eine obligatorische Forschungsarbeit für alle Medizinstudierenden nach der M1-Prüfung (6. Semester). Auch die Studierenden wollen das: Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) sprach sich ebenfalls in einem Positionspapier für eine stärkere wissenschaftliche Orientierung des Studiums mit einer verpflichtenden wissenschaftlichen Arbeit aus.
Quelle: Deutsches Ärzteblatt Medizin Studieren, Heft WS 2016/17, Seite 7.