Eine stärkere Praxisorientierung von Studium und Prüfungen und eine differenziertere Auswahl der Bewerber: Das sind zwei der Neuerungen, die mit dem Masterplan Medizinstudium 2020 in Verbindung stehen. Um dem Ärztemangel entgegenzuwirken, soll auch die Allgemeinmedizin im Studium gestärkt werden. Und die umstrittene "Landarztquote" soll für mehr hausärztlichen Nachwuchs sorgen – in mehreren Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Bayern und Sachsen wurde sie bereits beschlossen bzw. umgesetzt. Sie wird bei den Bewerbern gut angenommen, das zeigt der derzeitige Run auf die Landarztplätze in Bayern.
Seit Dezember liegt nun auch ein Arbeitsentwurf für eine neue Approbationsordnung für Ärzte vor. Aber was bedeutet diese Reform konkret für die Studierenden? Und was müssen die Bundesländer und die medizinischen Fakultäten jetzt tun, um die Neuerungen möglichst sinnvoll umzusetzen? Das war Thema auf dem 12. „Forum Gesundheit“, zu dem die Ärztekammer Nordrhein am 18. Februar 2020 nach Mülheim an der Ruhr eingeladen hatte.
Masterplan Medizinstudium 2020: Was ändert sich?
Als Key Note-Speakerin stellte Prof. Jana Jünger, MME, Direktorin des Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) in Mainz, die Meilensteine der Umsetzung des Masterplans und der neuen Approbationsordnung als Chance für Reformen vor:
- Kompetenzbezogenes Zulassungsverfahren zum Studium
- Verknüpfung von Theorie und Praxis während des gesamten Studiums
- Strukturierte Vermittlung wissenschaftlicher Kompetenzen
- Kompetenzorientierte Ausrichtung/Lernzielkatalog und Fokussierung der Studieninhalte auf ein Kerncurriculum
- Stärkung der kommunikativen Kompetenzen
- Interprofessionelle Ausbildung mit den Gesundheitsberufen
- Abbildung des ambulanten Versorgungsbereichs in der ärztlichen Ausbildung
- Stärkung der Allgemeinmedizin im Studium
- Praxisnahe Prüfungen als zentrales Steuerungsinstrument
Zwei wesentliche Punkte: Erstens soll besonders die Prüfung am Patienten vollkommen neu strukturiert werden und eine besondere Bedeutung bekommen. Und zweitens wurden schon im vergangenen November neue Absolventenprofile definiert und in den IMPP-Gegenstandskatalog integriert: Sie legen fest, was Studierende am Ende des Studiums und vor Beginn der Facharzt-Weiterbildung schon beherrschen müssen. Für die Zukunft bedeute dies eine Neuausrichtung hin zu einem interdisziplinären Denken und einer patientenzentrierten Versorgung, erklärte Jünger.



Schon jetzt klaffe die Vorstellung der angehenden Mediziner von ihrem Traumberuf und die Realität im Gesundheitswesen stark auseinander, beklagte sie. Die Folge: Schon im PJ haben viele Studierende unter dem Gefühl von Überforderung und Anzeichen eines Burnouts zu leiden. Das sei nicht nur für sie selbst ein Risiko, sondern auch für die Patienten. „Die Studierenden von heute haben schon längst verstanden, dass das, was früheren Generationen angehender Ärzte noch als Karriereleiter erschien, schon längst zum Hamsterrad geworden ist“, so die IMPP-Direktorin.
Die anschließende Podiumsdiskussion wurde von Ulrich Langenberg, dem geschäftsführenden Arzt der Ärztekammer Nordrhein, moderiert. An der Diskussion nahmen Univ.-Professor Dr. Joachim Fandrey, Studiendekan der Uni Duisburg-Essen, und Martin Jonathan Gavrysh vom Vorstand der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) teil.
bvmd-Vertreter für mehr Interdisziplinarität im Studium
Gavrysh als Studierendenvertreter begrüßte vor allem die höhere Praxisorientierung und die Stärkung der Allgemeinmedizin. Er forderte außerdem mehr Interprofessionalität im PJ: "Interprofessionalität ist wichtig, beispielsweise das Konzept der interprofessionellen Ausbildungsstation, die von Studierenden der Medizin, Pflegeschülern und weiteren Vertretern der Gesundheitsberufe geführt wird. Durch die Supervision wird nachweislich gewährleistet, dass die Patientensicherheit nicht sinkt und die Zufriedenheit sogar erhöht wird. Solche Konzepte sollten in die Breite gehen, denn das verbessert nicht nur die Lehrqualität für die Studierenden, sondern auch die Versorgungsqualität." Sinnvoll seien gute, pointierte und fachlich begleitete Lehrangebote für Studierende, die auch gut erreichbar sein müssten.
Fandrey mahnte an, die Universitäten sollten die Zeit nutzen, um den Studierenden ein umfassendes Faktenverständnis und ein angewandtes Wissen zu vermitteln, das während des gesamten Berufslebens als Grundlage benötigt werde, um erfolgreich als Arzt zu arbeiten. Gleichzeitig warnte er davor, zu viele Anforderungen, die an das Berufsbild des Arztes gestellt würden, komplett in das Studium zu verlagern.
Insgesamt knapp 100 Teilnehmer waren beim 12. „Forum Gesundheit“ in Mülheim dabei.