Ich finde, lernen mit Kindern ist (fast) kein Problem. Als ich mit meinem ersten Kind schwanger war, war der Plan, ein Jahr Babypause zu machen, ihn danach in die Kita zu geben und dann wieder mit voller Power weiterzumachen. Bis mir eine Freundin sagte: “Ach, mach doch ein paar kleine Klausuren, dann hast du schon mal etwas weg.” Die Stundenplanberatung sagte: “Ach, wissen Sie, die kleinen Klausuren würde ich mir für den Schluss aufbewahren, machen Sie doch jetzt gleich ein paar 'richtige'!”
Blauäugig stimmte ich zu. Neben meinem Kopf schwebte eine Gedankenwolke, in der ein kleines Baby vergnügt in seinem Bettchen sitzt und spielt und ich am Computer sitze und lerne. Klar, Vorlesungen kann ich erst einmal streichen, aber es lernt sich ja gut von zu Hause mit den Vorlesungsfolien und sogar Videoaufzeichnungen online!
Effektives lernen, wenn es gerade passt
Ein paar Monate später konnte ich über diese Gedankenwolke nur noch lachen. Mit einem wachen Baby lernen?! Geht leider doch nicht. Zumindest meine Babys lagen nicht fröhlich im Bett, sondern schrien, wollten ständig gewickelt, gestillt, getragen, kurzum: geliebt werden. Umso effektiver wurden und werden dann aber die Schlafzeiten des Babys genutzt! Kaum ist das kleine schreiende Bündel endlich eingeschlafen, ab an den Computer und lernen. Was ich früher nasepopelnd in fünf Stunden geschafft habe, schaffe ich nun in sage und schreibe einer Stunde! Ein unglaubliches Paradox, das mir bis jetzt alle studierenden Mütter und Väter bestätigt haben. Selbst wenn das Baby mal zu Hause nicht schläft – was bei uns ziemlich oft der Fall ist – auch unterwegs mit Kinderwagen lässt sich das Tablet auf die Beine des Babys legen und Vorlesungsfolien können laufend durchgebüffelt werden. Allerdings muss ich mich manchmal ziemlich anstrengen, um die Augen vor den immer größer werdenden Wäschebergen, vor dem Chaos in der Küche, zu verschließen – das muss einfach warten.
Und ich kann mich glücklich schätzen, dass meine Mama in der Nähe wohnt. Sie spielt liebend gerne mit ihren Enkeln, wenn es bei mir mal knapp mit der Zeit wird. Ein Luxus! Wenn es in der heißen Klausurenphase mal ganz knapp wird, muss ich eben abends etwas länger aufbleiben und pauken. Auch das geht erstaunlich gut. Als Mama lernt man nun mal gezwungenermaßen mit Schlafmangel umzugehen.
Flexibler Stundenplan an der Uni
Ich möchte dazu sagen, dass ich auch Glück mit meiner Uni habe: Der Stundenplan ist sehr flexibel. Ich kann mir aussuchen, welche Klausur ich wann schreibe, wann ich welchen Kurs belege und, der “Mama-Bonus”: ich darf mich bis zu einem Tag vor der Klausur wieder abmelden, ohne einen Fehlversuch zu kassieren. Zudem haben wir vergleichsweise wenig Anwesenheitspflichten. Da ich mich mit diesen wenigen Kursen schon herumschlage, an dieser Stelle Hut ab an alle studierenden Mütter und Väter, die an Unis mit starrem Curriculum und zahlreichen Kursen studieren!
So viel zur Theorie der Medizin. Die Praxis, also Famulaturen, Hospitanzen und Praktika blieben leider bis jetzt auf der Strecke. Als mein Sohn mit einem Jahr halbtags in die Kita ging, konnte ich ein paar Seminare abarbeiten. Was für ein tolles Gefühl das war, endlich wieder unter Leute zu kommen! Ich hing dem Professor an den Lippen und erinnere mich bis jetzt an nichts so gut wie an die Themen aus dem Dermatologie-Seminar. Wobei Dermatologie eigentlich nicht so meins ist. Es war einfach dieses Gefühl der Freiheit, endlich einmal ohne Kinderwagen etwas machen zu können. Wäre das nicht gewesen, ich hätte bestimmt genauso gelangweilt wie meine Kommilitonen da gesessen und damit gekämpft, nicht einzuschlafen.
Aber Seminare sind nun leider auch nicht das Gelbe vom Ei, wenn man praktische Erfahrung sucht. Famulaturen, Blockpraktika, das alles geht über mehrere Wochen ganztags, und dafür ist es schwer eine Betreuung zu organisieren. Oder, um ehrlich zu sein, schwer, mich so lange von meinen Kindern zu trennen. Kinder sind nur einmal klein und brauchen in dieser Zeit ihre Mama so sehr wie sonst nie wieder – das Studium läuft mir nicht davon. Dank meines Mannes, der tagein tagaus arbeitet, habe ich auch keinen finanziellen Druck.
So häufe ich mir also theoretisches Wissen an und praktiziere erst einmal als Mama. Dabei lernt man auch viel: Organisation, Geduld, Multitasking...und nicht zuletzt einiges über sich selbst!
Theorie und Praxis
Ein bisschen deprimierend ist es trotzdem. Was ist ein Mediziner ohne praktische Erfahrung? Theoretisches wird schnell wieder vergessen und in der Klinik lernt man Dinge, die in keinem Buch stehen. So fühle ich mich nicht gerade schlau auf dem Gebiet der Medizin, obwohl ich bis jetzt alle Klausuren bestanden habe. Außer vielleicht in der Pädiatrie, aber da habe ich die Praxis ja schließlich zu Hause. Mein weiterer Plan sieht deshalb so aus: Bald habe ich alle Klausuren vor dem zweiten Staatsexamen geschrieben, die Kinder sind etwas älter und ich kann mich dann voll auf die Praxis konzentrieren. Und zwischen den Famulaturen und Blockpraktika werde ich schon für das Staatsexamen lernen. Mal sehen, was aus dieser Gedankenwolke in einem Jahr wird!