Was bieten Private Medizinische Hochschulen?

Zunehmend etablieren sich nicht-staatliche Angebote der Medizinerausbildung. DÄ Medizin Studieren hat Studierende nach ihrer Motivation, ein Studium an einer Privatuni aufzunehmen, gefragt und Studienangebote miteinander verglichen.

Studierende

Sind private Hochschulen eine gute Alternative für Studierende, die auf Wartesemester verzichten wollen? | Zinkevych - Fotoloa

"Wir haben unser Studium an einer staatlichen Hochschule begonnen und nicht an einer privaten, weil Letztere unabhängig von der Qualität der Lehre und der Attraktivität des Studienstandortes wegen der hohen Semestergebühren keine Option war“, sagen Marcel Schmude und Freddy Irorutola, die beide mit Begeisterung in Berlin Medizin studieren. Das Studium an der Charité zeichne sich durch ein innovatives Studienkonzept aus, wobei von Anfang an naturwissenschaftliche Themen mit der klinischen Praxis verknüpft würden, betonen sie.

Für andere Bewerber ist eine private Hochschule aber sehr wohl eine Option, wie die Entwicklung der letzten Jahre zeigt: Zunehmend etablieren sich nicht-staatliche Angebote der Medizinerausbildung nach deutschem und nach europäischem Recht. Jüngstes Beispiel ist die Gründung der Medizinischen Hochschule Brandenburg „Theodor Fontane“ (MHB), an der man nach deutschem Recht Medizin studieren kann (Kasten).

Ferner existieren staatenübergreifende Modelle der Ärzteausbildung wie Kooperationen zwischen Budapest (Ungarn) – Hamburg, Kassel – Southampton (England), Nürnberg – Salzburg (Österreich) sowie Pésc (Ungarn) – Bielefeld. Bei diesen Modellen finden das Medizinstudium und der Abschluss unter dem Dach einer ausländischen Universität und den Rechtsbedingungen dieses Landes statt. Die Absolventen können nach der Berufsanerkennungsrichtlinie der EU jedoch auch in Deutschland den Arztberuf ausüben.

Newcomer auf dem Prüfstand

Die neuen Entwicklungen riefen jetzt den Wissenschaftsrat, das hochrangig besetzte Beratergremium der Politik zu Fragen von Wissenschaft und Hochschulen, auf den Plan. Während seiner „Wintersitzungen“ nahm er die Newcomer ins Visier. Sein Fazit: Der Weg zum Arztberuf in Deutschland soll nur über ein Medizinstudium führen, das universitären Ansprüchen und gewissen Mindeststandards genügt. Diese sollen nicht nur für die staatlichen medizinischen Hochschulen gelten, sondern auch für nichtstaatliche Angebote der Medizinerausbildung.

In einem Positionspapier formuliert der Rat auch gleich fünf grundsätzliche und einheitliche Anforderungen an eine Medizinerausbildung. Diese sind erstens das Festhalten an einem einheitlichen universitären Anspruch des Medizinstudiums sowie zweitens an der Einheit von Lehre, Forschung und Krankenversorgung. Drittens sei eine qualifizierte Lehre, die auf der Basis des aktuellen Forschungsstandes die für den Arztberuf zwingend erforderlichen Kompetenzen durch entsprechend qualifizierte und engagierte Lehrende vermittelt, eine zwingende Voraussetzung. Zudem sollen die künftigen Ärzte an Einrichtungen ausgebildet werden, an denen viertens die Forschung strukturell und nachhaltig verankert ist sowie fünftens eine Krankenversorgung auf hohem Niveau stattfindet. Dies setze die Einbindung von Kliniken voraus, die trotz ökonomischen Drucks bereit sind, Lehre und Forschung einen herausgehobenen Stellenwert einzuräumen und diesen auch zu sichern. Den Medizinstudierenden sollen praktische und wissenschaftliche Kompetenzen vermittelt werden, damit sie als Ärztinnen und Ärzte evidenzbasierte diagnostische und therapeutische Entscheidungen treffen und lebenslang dazulernen können.

In Deutschland gibt es derzeit sechs Angebote einer nichtstaatlichen Medizinerausbildung. Grundsätzlich steht ihnen der Wissenschaftsrat offen gegenüber, empfiehlt jedoch Maßnahmen der Qualitätssicherung: Angebote nach deutschem Recht, wie von der Universität Witten/Herdecke oder der Medizinischen Hochschule Brandenburg, sollten verpflichtend eine Konzeptprüfung und Institutionelle Akkreditierung durch den Wissenschaftsrat durchlaufen. Den Anbietern von Medizin-Curricula nach europäischem Recht, bei denen die künftigen Ärzte teilweise im Ausland studieren beziehungsweise einen ausländischen Abschluss erhalten, empfiehlt der Rat eine solche Akkreditierung als freiwillige Maßnahme. Da die Curricula sehr variieren können, trage dies zur Transparenz bei.

Abiturschnitt ein wichtiger Entscheidungsfaktor

Noch sind es nicht sehr viele deutsche Abiturienten, die ein Medizinstudium an einer nichtstaatlichen Hochschule beginnen. Für die meisten stelle sich auch die Frage, ob staatlich oder privat, gar nicht, meint Maximilian Grummt. „Die Überlegung, ein Privatstudium in Ungarn oder das Studieren an einer staatlichen Hochschule in Deutschland aufzunehmen, wird oftmals nach den Chancen auf einen Medizinstudienplatz entschieden“, sagt der Medizinstudent im 7. Fachsemester und Sprecher der Fachschaftsinitiative Medizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin. „Wer kein Top-Abitur hat und nicht sechs oder sieben Jahre über die Wartesemesterquote auf einen Studienplatz warten möchte, denkt eben über alternative Möglichkeiten nach.“

Und dass diese alternativen Möglichkeiten auch zum Erfolg – also zum Arztberuf – führen, zeigen bereits einige Beispiele: Bei den meisten hierzulande bereits etablierten privaten Medical Schools sorgen deutsche Krankenhäuser für den Praxisteil und einen Teil der Lehre. Eine ausländische Hochschule garantiert unter ihrem universitären Siegel die Lehre in den Grundlagenfächern und verleiht den akademischen Grad. Deutsche Studierende erhalten nach erfolgreichem Studium die Lizenz zur ärztlichen Berufsausübung des Landes, in dem sie immatrikuliert waren. Nach der Richtlinie 2005/36/EG sind sie jedoch berechtigt, in jedem EU-Land zu arbeiten, ohne dass nochmalige Prüfungen notwendig sind. Im Normalfall wird derzeit auch die deutsche Approbation erteilt. Der Medizinische Fakultätentag und der Verband der Universitätsklinika weisen allerdings darauf hin, dass aus der Berufsanerkennungsrichtlinie nicht die Pflicht der Behörden folgt, die Approbation nach § 3 der Bundesärzteordnung unbesehen zu erteilen.

Viele private Hochschulen werben mit einem engen Praxisbezug sowie alternativen Lehrmethoden. „Im Sinne der Differenzierung ist diese Entwicklung zunächst einmal zu begrüßen und wir sehen durchaus Chancen der nichtstaatlichen Angebote, insbesondere in der innovativen Gestaltung von Curricula und in der gezielten Auswahl von Studierenden“, sagt der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Prof. Dr. phil. Manfred Prenzel. Er betont jedoch auch: „Gleichzeitig sind unsere Erwartungen an eine Ärztin oder einen Arzt bei aller Differenzierung der Ausbildung immer die gleichen: die bestmögliche Patientenversorgung. Dies erfordert eine Ausbildung auf höchstem Niveau, auf einem einheitlichen Standard.“

Vielseitigkeit der Ausbildung

Kommt die Sprache auf die Vielseitigkeit der medizinischen Ausbildung, verweist Maximilian Grummt auf den Modellstudiengang an der Berliner Charité, in dem er studiert und der sich von den Regelstudiengängen deutlich unterscheidet. „Klinische Anteile werden ab dem ersten Tag des Studiums vermittelt und sind mit dem vorklinischen Anteil verknüpft“, berichtet er. „Das Studium ist in Module gegliedert, so dass von Grundlagen über Organ-, Krankheitsmodell- und Erkrankungsmodulen die Inhalte vermittelt werden.“ Darüber hinaus gebe es weitere Formate, wie Problemorientiertes Lernen (studierendenzentriertes Format), KIT (Kommunikation, Interaktion, Teamarbeit) und GÄDH (Grundlagen Ärztlichen Denkens und Handelns), die im Berliner Modellstudiengang ärztliche Fertigkeiten vermitteln, die in Regelstudiengängen nur selten curricular verankert wären.

Aber auch die 48 Studierenden, die im vergangenen Sommersemester im Modellstudiengang Humanmedizin der nicht weit von Berlin entfernten MHB gestartet sind, schwören auf die praxisnahe Ausrichtung ihres Studiums. Ragna Iwers, 21 Jahre, aus dem nahe gelegenen Werder an der Havel, gerät beim Kaffee in der Cafeteria sogar ins Schwärmen über die Art und Weise, wie in Brandenburg Medizin vermittelt wird. „Durch den direkten praktischen Bezug lernt man besser. Man sieht, wofür man etwas lernt und weiß, was dahintersteckt“, sagt sie. „Das Konzept ist einfach super.“

Dabei hat sich auch Iwers – wie fast alle hier – zunächst auf einen Platz an einer staatlichen Universität beworben. Doch mit einem Abiturschnitt von „nur“ 1,7 war sie im Ranking ziemlich schlecht platziert. Inzwischen überzeugt sie aber neben Inhalten und Struktur auch das Studienumfeld. Die MHB gewähre eine intensive Betreuung. „Wir haben einen sehr direkten Zugang zu den Lehrenden, können immer mit ihnen in Kontakt treten“, sagt sie. Sie sind in dem Modulbuch vermerkt, das Iwers durch den Lehrplan führt. Die familiäre Atmosphäre der Universität empfindet die Studentin ebenfalls als Plus. Die Hilfsbereitschaft untereinander sei groß, niemand habe Angst, Fragen zu stellen.

Medizinische Praxis im Mittelpunkt

Die medizinische Praxis steht in Brandenburg im Mittelpunkt des Studiums, daran lässt bereits der Leitspruch der MHB keine Zweifel: Wir brauchen nicht nur neue Mediziner, sondern auch andere. „Junge Ärzte werden bislang unzureichend auf die Arbeit in Krankenhäusern und Praxen vorbereitet“, sagt Prof. Dr. med. Dieter Nürnberg, Dekan der MHB. „Sie häufen im Studium Unmengen an Wissen an, kommen aber nur schwer mit praktischen Problemen zurecht.“ Stichworte, auf die es hier ankommt, sind ärztliche Praxis, Kommunikation mit Patienten, Umgang mit Angehörigen, Fähigkeit zur Selbstorganisation, Zeitmanagement, Anwendung von Telemedizin, Beherrschen moderner Dokumentationstechnik. Zu den POL-Gruppen gesellt sich beispielsweise das Fach TRIK. Es steht für Team-Reflexion-Interaktion-Kommunikation. Es werden die Fähigkeiten im Umgang mit Patienten geschult, die Soft Skills, etwa durch den Besuch von Patienten einer Diabetes-Selbsthilfegruppe. 

Fragt man heute die Studierenden: Würde jemand wechseln, wenn der staatliche Studienplatz plötzlich vom Himmel fiele? Von manchen heftiges Kopfschütteln. Mehr als einmal ein klares „Nein“. Nur einige wenige Grübeln, denn ein Wermutstropfen für die Studenten ist natürlich der Faktor Geld. Das Studium an der MHB hat seinen Preis. Es kostet 115 000 Euro. Zwei Drittel der Studierenden haben einen Darlehensvertrag mit einer der kooperierenden Kliniken geschlossen und sich verpflichtet, dort die Weiterbildung zum Facharzt zu absolvieren. Dafür übernimmt die Klinik 80 000 Euro der Studienkosten. Ansonsten: Eltern, Kredite, Erspartes. Wer Arzt werden will, zahlt diesen Preis – offensichtlich.

Die Achillesferse an der MHB ist aktuell noch das Stichwort Forschung, vor allem das noch fehlende Promotionsrecht. „Das ist eine enorme Bremse für uns“, räumt Nürnberg ein. Das Land habe aber die Bereitschaft signalisiert, in den Aufbau eines Forschungsnetzes zu investieren, erläutert Nürnberg.

Quelle: Dieser Beitrag ist in Heft 1/2016 von Medizin Studieren, dem Magazin des Deutschen Ärzteblattes für Studierende der Medizin, S. 16, erschienen.

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