Universitätsmedizin: Kulturwandel und mehr Klarheit bei Interessen­konflikten

Der diesjährige Medizinische Fakultätentag hat sich für mehr Transparenz beim Umgang mit Interessenkonflikten an den Medizinischen Fakultäten ausgesprochen und 12 Empfehlungen formuliert.

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Der diesjährige 83. Ordentliche Medizinische Fakultätentag (oMFT) in Essen hat sich für mehr Transparenz beim Umgang mit Interessenkonflikten an den Medizinischen Fakultäten ausgesprochen. Da­für gab das Gremium konkrete Handlungsempfehlungen und verabschiedete ein Positionspapier.

Mit diesem möchte der oMFT die Medizinischen Fakultäten anregen, zu einem Kulturwandel im Umgang mit pharmazeutischen Unternehmen, Medizinprodukteherstellern, privaten Klinikbetreibern und weiteren privat­wirtschaftlichen Akteuren beizutragen.

Die konsequente Umsetzung von Handlungsem­pfehlungen sei wichtig, um die Glaubwürdigkeit und hohe Repu­tation der Medizinischen Fakultäten in der Ärzteschaft und Wissenschaft, bei Lehrenden und Studierenden, aber auch in der Gesellschaft dauerhaft zu erhalten, sagte Christopher Baum, Vorstandsvorsitzender des Berlin Insti­tute of Health (BIH) an der der Charité – Universitätsmedizin und Mitglied des MFT-Präsidiums. „Es ist an der Zeit, dass wir das Thema aufgreifen“, so Baum. Das Positionspapier sei als ein erster „Steinwurf“ zu verstehen.

Erleichterung und Stolz, die COVID-19 Pandemie und ihre Folgen bisher gut zu bewältigen, bestimmt derzeit das Klima in der Universitätsmedizin. Dies wurde gestern beim 81. Ordentlichen Medizinischen Fakultätentag (oMFT) deutlich, der allerdings nicht wie geplant an der Medizinischen Fakultät in Essen, sondern als virtuelles Treffen in Berlin stattfand.

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Die Pharmaindustrie zeigte sich interessiert an ho­her Transparenz und offen für neue Regelungen: Interaktionen und Kooperationen von akademi­schen Einrichtungen und Privat­wirtschaft seien essenzielle Komponenten eines patientenorien­tier­ten und wertschöpfenden Innovationssystems, be­tonte Han Steutel, Präsident des Verbands der for­schenden Pharmaunternehmen. „Transparenz ist dabei für unsere Industrie, die auf Erkrankungen von Menschen basiert, besonders wichtig“, erklärte er.

Kooperationen sollten nach Ansicht der Deutschen Forschungsgemeinschaft so gestaltet werden, dass das me­dizinische Wissen nicht beeinflusst wird, betonte Axel Brakhage, Vizepräsident der Deutschen Forschungsge­meinschaft. Ein konstruk­tiver und transparenter Umgang mit Interessen­konflikten sei notwendig, um anwen­dungsorien­tierte Forschung und leitlinienorientierte Kranken­versorgung zu befördern.

Best-practice-Beispiele gebe es bereits, sagte Baum dem Deutschen Ärzteblatt und verwies auf die von der Ar­beitsgemeinschaft der Wissen­schaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und ihren Fachgesell­schaften erarbei­teten und konsentierten Regelungen bezüglich der Leitlinien.

Sie könnten dazu beitragen, für alle Beteiligten eine bestmögliche Transparenz, Sicherheit und Kooperations­ba­sis zu schaffen. Die AWMF hatte 2017 und zuvor auch schon 2010 Empfehlungen zum Umgang mit Interessen­kon­flikten bei Aktivitäten der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften veröffentlicht.

Das beim diesjährigen oMFT konsentierte Posi­tions­papier gebe nun konkrete Empfehlungen für Studium, Weiter- und Fortbildung, Forschung sowie forschungsnahe Krankenversorgung, erläuterte Baum.

Die Empfehlungen (siehe Kasten) sollen den Medi­zinischen Fakultäten konkrete Anleitungen geben, wie sie ihre bereits vorhandenen Instrumente zur Transparenz von und zum Umgang mit Interessen­konflikten kontinuierlich weiterentwickeln können. Sie sollen alle drei Jahre überprüft und wenn nötig angepasst werden.

Der oMFT ist davon überzeugt, dass dieser Kultur­wandel und die kontinuierliche Weiterentwicklung von entspre­chenden Instrumenten notwendig sind, um das hohe Ansehen der Medizinischen Fakultä­ten nicht nur bei den Pa­tientinnen und Patienten, sondern auch bei den Studierenden weiter zu er­hal­ten und bittet daher die Medi­zini­schen Fakul­täten, sich der Thematik und den Empfehlungen anzunehmen. 

Die zwölf Empfehlungen

  1. Mitglieder der Medizinischen Fakultäten mit leitender Funktion sollen ihre Interessenkon­flikte jährlich für die letzten drei Jahre und das laufende Jahr nach fakultätsübergreifenden einheitlichen Mustern freiwillig offenlegen.
  2. Die Medizinischen Fakultäten sollen ihre Mit­glieder durch geeignete Maßnahmen für das Thema Interessenkonflikte und einen ange­mes­senen Umgang damit sensibilisieren, konkrete Hilfsmittel zur Förderung der Transparenz be­reitstellen und somit zu einem Kulturwandel beitragen.
  3. Die Medizinischen Fakultäten sollen auch bei ihren Lehrpraxen und Lehrkrankenhäuser dafür sorgen, dass Studierende nicht direkt und ohne Supervision durch Lehrende mit Personen in Kontakt treten, die wirtschaftliche Partikular­interessen vertreten.
  4. Zum Umgang mit Interessenkonflikten sollen Lehrveranstaltungen im Lehrcurriculum ver­ankert werden. Zu Beginn jeder Lehrveran­stal­tung soll zudem eine Folie zur Offenlegung von Interessen bzw. Interessenkonflikten der Dozierenden gezeigt werden soll.
  5. Informationen von pharmazeutischen Unterneh­men oder Medizinprodukteherstellern über neue Medikamente und Medizinprodukte sollen an den Fakultäten nicht im Einzelkontakt, sondern in Konferenzen vermittelt werden. Eine einsei­tige oder unkontrollierte Beeinflussung von Ärzten im Rahmen der Weiter- und Fortbildung soll so vermieden werden.
  6. Durch pharmazeutische Unternehmen gespon­ser­te Fortbildungsveranstaltungen sollen die Fakultäten verantwortlich mitgestalten, wenn sie auf ihrem Gelände stattfinden. Wenn das nicht möglich ist, sollen sie darauf hinweisen, dass der Inhalt nicht mit der gastgebenden Einrichtung abgestimmt wurde und auch nicht deren Position widerspiegelt.
  7. Forschungskooperationen mit pharmazeutischen Unternehmen oder Medizinprodukteherstellern sind wünschenswert, wenn sie dem Ziel einer bes­seren Diagnostik, Therapie oder Versorgung dienen und hierbei eine hinreichende Transpa­renz im Hinblick auf Leistung und Gegenleistung sichergestellt ist, meinen die Fakultäten.
  8. Bei der wissenschaftlichen Gremienarbeit sollen Interessenkonflikte konsequent erfasst werden, um sicherzustellen, dass Personen mit Interes­sen­konflikten entweder den Gremien nicht an­gehören oder zumindest bei Entscheidungen, die durch Interessenkonflikte berührt sind, ausge­schlossen werden. Medizinische Fakultäten sollen ihre Mitglieder auch aktiv auf mögliche Interessenkonflikte hinweisen. Dazu sollen Hand­reichungen genutzt werden, wie etwa von der AWMF oder dem Wissenschaftsrat.
  9. Die im Bereich der Krankenversorgung existie­renden Compliancerichtlinien sollen von den Medizinischen Fakultäten bei jeglicher For­schungs- und Lehrtätigkeit mit Bezug zur Krankenversorgung in enger Zusammenarbeit mit den Universitätsklinika in örtliche Handlungsanweisungen umgesetzt werden.
  10. Berufungskommissionen sollen von den Medi­zinischen Fakultäten so besetzt werden, dass die Entscheidungsmaßgeblichkeit gewährleistet ist.
  11. In Fragen der Befangenheit sollen beispiels­wei­se die Kriterien der DFG als Grundlage dienen. Die Medizinischen Fakultäten sollen Interessen­konflikte in Berufungsverfahren systematisch erfassen und transparent machen.
  12. Die Medizinischen Fakultäten sollen unabhängi­ge Ansprechpersonen benennen und ein Bera­tungs­angebot zum Umgang mit Interessenkon­flikten schaffen.
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