Über die vergangenen 13 Jahre konnte die Landesärztekammer Hessen durch diese Langzeit-Befragungen einige spannende Daten erheben. Was sind die Gründe, warum sich Abiturientinnen und Abiturienten für ein Medizinstudium entscheiden? Welche Berufsvorstellungen haben sie zu Beginn des Studiums? Wie sehen die Pläne dann später aus, wenn sie die Approbation endlich in der Tasche haben? Das sind nur einige der Fragen, die die Kammer in ihrer Befragung stellt.
Erfreulich: Die Rücklaufquote liegt im langjährigen Durchschnitt immer bei etwa 50 Prozent. Das heißt, jeder und jede zweite Befragte nimmt tatsächlch an der Befragung teil und liefert verwertbare Antworten. So erhebt die Kammer auch soziodemographische Daten: Aktuell sind knapp zwei Drittel (64,1 Prozent) der Studierenden weiblich, 94,8 Prozent haben die deutsche Staatsangehörigkeit. 2,1 Prozent stammen aus anderen EU-Ländern, 3,3 Prozent sind aus Ländern außerhalb der EU nach Deutschland gekommen. Bis zum Abschluss brauchen die Studierenden im Schnitt 13,2 Semester. Im Vergleich zu Studierenden anderer Fächer sind sie dann verhältnismäßig alt: im Durchschnitt 27,5 Jahre. Das liege vor allem an den Wartezeiten vor Beginn des Studiums, erklärte Walter. „Dadurch fehlen zwei bis drei Jahre ärztliche Arbeitszeit, die der Gesellschaft nicht zur Verfügung stehen", bedauerte sie – ein Umstand, der den ohnehin schon wachsenden Ärztemangel weiter verschärfe.
Medizinstudium: Was ist die Motivation?
Die wichtigste Motivation, ein Medizinstudium zu beginnen, ist laut Befragung „wissenschaftliches / medizinisches Interesse". 64,9 Prozent der Befragten gaben das als Grund an. Auch wichtig: Der Wunsch nach einer „interessanten und vielseitigen Tätigkeit" (62,8 Prozent), der „Umgang mit Menschen" (54,4 Prozent), und der Wunsch, „helfen zu wollen" (33,4 Prozent).
Zu Beginn des Studiums wollen 37,4 Prozent der Befragten später als Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus arbeiten. Ein gutes Viertel (25,8 Prozent) hat noch keine konkreten Pläne, ähnlich viele (25,1 Prozent) träumen von einer eigenen Facharzt-Praxis. Knapp 8 Prozent wollen sich als Hausärztin oder Hausarzt niederlassen. Weniger als 1 Prozent wollen übrigens nach dem Medizinstudium einen anderen Beruf ergreifen und im nicht-kurativen Bereich tätig sein. Bei der Frage, wann sie in den Beruf einsteigen wollen zeigt sich: Mehr als die Hälfte will nach dem Examen erstmal etwas durchschnaufen. 57,8 Prozent der befragten Absolventinnen und Absolventen gaben an, „später" eine ärztliche Tätigkeit aufnehmen zu wollen. Nur 40,5 Prozent wollen sofort durchstarten, wenn sie die Approbation in der Tasche haben. Dabei hatten über die Hälfte (56,4 Prozent) der Befragten schon eine feste Stellenzusage.
Chefarzt? Lieber nicht!
Eine interessante Entwicklung zeigen die Langzeitdaten der Landesärztekammer Hessen, wenn es um die langfristigen Karriereziele der Befragten geht. So streben knapp 30 Prozent eine Oberarzt-Stelle an. Chefarzt oder Chefärztin will dagegen noch nicht einmal jeder Zwanzigste werden (4,6 Prozent). Etwa 20 Prozent wollen sich gern im fachärztlichen Bereich selbstständig machen. Aber auch eine Tätigkeit als angestellter Facharzt oder angestellte Fachärztin ist für 8,9 Prozent der Befragten ein erstrebenswertes Ziel. Dabei steigt die Beliebtheit dieser Variante seit Jahren kontinuierlich an.
Die Liste der beliebtesten Fachrichtungen für die Weiterbildung hat sich dagegen seit 2009 nicht nennenswert verändert. Auf den vorderen Plätzen liegen hier konstant die Innere Medizin (23,1 Prozent), die Chirurgie (16,8 Prozent) und die Anästhesie (10,6 Prozent). Die überwältigende Mehrheit der Befragten (93,5 Prozent) strebt generell eine Facharzt-Weiterbildung an. 5,6 Prozent sind sich noch unsicher. Weniger als ein Prozent möchte keine Weiterbildung machen.
Was ist ein guter Arbeitgeber?
Bei der Wahl eines passenden Arbeitgebers für die Weiterbildung steht für die meisten (60,5 Prozent) der Wunsch nach einer interessanten und vielseitigen Tätigkeit ganz oben. Auch wichtig: eine passende Weiterbildungs-Ermächtigung des Arbeitgebers. Doch auch die Einhaltung von Arbeitszeiten (40,0 Prozent) und eine hohe Lebensqualität (36,8 Prozent) werden häufig genannt. Weitere Punkte sind ein gutes Betriebsklima und die Nähe zum Wohnort.
Was passiert nach dem Studium? Das Weiterbildungsregister
Um den Werdegang der jungen Ärztinnen und Ärzte auch nach dem Studium weiter zu verfolgen, führt die Landesärztekammer Hessen außerdem ein Weiterbildungsregister. Dabei müssen die Weiterbildungsbefugten der Kammer mitteilen, wie viele Ärztinnen und Ärzte bei ihnen eine Weiterbildung absolvieren, mit welcher Wochenarbeitszeit diese beschäftigt sind und ob sie sich aktuell in Elternzeit befinden. Auch hier kann sich die Kammer über hohe Rücklaufquoten von 90 Prozent freuen. Das Ergebnis: Die Zahl der Assistenzärztinnen und Assistenzärzte in Hessen steigt seit Jahren an. 2021 waren insgesamt 7.228 Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung bei der Kammer gemeldet.
Im Durchschnitt sind diese Ärztinnen und Ärzte 34,8 Jahre alt, 56 Prozent sind weiblich. Seit einigen Jahren steigt auch die Zahl der Assistenzärzte und Assistenzärztinnen mit einem ausländischen Pass immer weiter an. Aktuell haben 28 Prozent eine ausländische Staatsangehörigkeit, gut die Hälfte davon ist männlich. Das erkläre die Diskrepanz zwischen dem Geschlechterverhältnis im Studium und in der Weiterbildung, erklärte Walter – denn für die Weiterbildung kommen überwiegend männliche Ärzte aus dem Ausland nach Hessen.
Quelle: Operation Karriere-Kongress Frankfurt, 14.5.2022, "Impulsvortrag: Beruf und Karriere – Was Nachwuchsärztinnen und -ärzte wirklich wollen", Nina Walter, Ärztliche Leiterin Stabsstelle Qualitätssicherung und stellvertretende ärztliche Geschäftsführerin, Landesärztekammer Hessen, Frankfurt a.M.