"Studium + 1/2": Wie es ist, als Medizinstudentin Mama zu werden

Für Nora Müller (Name geändert) war immer klar: Sie möchte jung Mutter werden. Als Gastautorin schildert sie im Beitrag, mit welchen Herausforderungen eine Schwangerschaft während des Medizinstudiums verbunden ist.

Nora Müller stellte zu Beginn des 6. Semesters fest, dass sie schwanger ist. Ein Grund zur Freude – aber auch eine große Herausforderung. | privat

Es gibt gewisse Dinge, die man einfach über sich weiß. Ob es darum geht, wer man ist, oder was man erreichen möchte. Eine Sache, die mir stets völlig klar war: Ich möchte gerne jung Mama werden. Es überrascht euch also sicher nicht, dass ich mich sehr freute, dann im Beginn des 6. Semesters eher halb-geplant schwanger zu sein. In den ersten drei Monaten behielt ich meine Schwangerschaft noch für mich und verbrachte meine freie Zeit mit Recherche zu Kita, Karriere und Kindsentwicklung. (Hier ein kleiner Buchtipp: Taschenlehrbuch Embryologie von Beate Brand-Saberi.)

Das Ergebnis war hinsichtlich der ersten beiden Themen eher verhalten positiv. Generell war es schwierig, zu meiner speziellen Situation aktuelle Infos zu bekommen. Deswegen möchte ich euch hier schildern, welche Schwierigkeiten und Möglichkeiten das Leben als Mama im Medizinstudium mit sich bringt.

Fangen wir mit einem der wichtigsten Themen an: dem Kita Platz. Es ist nicht möglich, ein Medizinstudium weiter erfolgreich zu bewältigen und gleichzeitig die volle Betreuung eines Säugling oder Kleinkindes zu leisten. Ist der Kindsvater dann nicht bereit einzuspringen und die Familie nicht in der Nähe, bleibt als Möglichkeit eine Tagesbetreuung durch 'Dienstleister'. Ein Anrecht auf ein Kita Platz hat man ja, und die Vergabe erfolgte in meiner Heimatstadt recht einfach und zentral über eine Website. Wobei "Vergabe" für uns das falsche Wort war – leider konnten wir trotz Bewerbung noch im Wochenbett keinen Kita Platz ergattern. Recht enttäuscht waren wir von der Kita an der Uni, die nur 25 Prozent ihrer Plätze mit den Kindern von Studierenden füllt. Für uns war der fehlende Kitaplatz nicht weiter tragisch: Mein Partner konnte dank sehr kooperativer Arbeitgeber seine praktische Ausbildungszeit verkürzen und seinen Resturlaub ab drei Wochen vor dem errechneten Termin nehmen. Ab dem ET war er von der Arbeit freigestellt und musste nur noch einmal die Woche die Berufsschule besuchen. Seinen Abschluss machte er ungefähr mit dem Ende meines Mutterschutzes zusammenfallend und bleibt seitdem mit unserer Tochter "zu Hause".

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Jemandem, der auf eine Betreuung außerhalb der Familie angewiesen ist, kann ich es sehr empfehlen, noch vor der Geburt eine Tagesmutter zu suchen. Der Umgang ist dort sehr familiär, nur leider braucht man einen Plan B für eine plötzliche Krankheit der Tagesmutter. Erfahrungsgemäß ist es aber unproblematisch, sein Baby (gerade wenn es noch nicht im Laufalter ist) zu den meisten Uni-Veranstaltungen mitzunehmen. Für den kleinen Anteil, wo das nicht möglich ist (z.B. Onkologie), lassen sich durch direktes Gespräch auch Lösungen finden.

Ich brachte unsere Tochter gegen Ende der Semesterferien zur Welt, an den Veranstaltungen des vorherigen Semesters habe ich regulär teilgenommen. Das verwundert euch sicherlich, doch im Telefonat mit unserer Lehrkoordination verdeutlichte man mir, dass ich als Studierende keinem Arbeitsverhältnis unterliege und darum eigenverantwortlich entscheiden könne, welche Kurse ich besuche und welche nicht. Ich hatte in dem Semester auch Unterricht am Krankenbett, dort informierte ich meine Dozenten über meine Schwangerschaft und verzichtete z.B. auf die körperliche Untersuchung bei den Epilepsie-Patienten. Meine Kommilitonen vertraten mich dabei gern. Dem Mutterschutz im eigentlichen Sinne unterlag ich nicht, und besuchte vier Wochen nach der Entbindung wieder Vorlesungen. In Absprache mit der Lehrkoordinatorin hatte ich meine Pflichtveranstaltungen auf das Ende des Semesters gelegt, und konnte so ganz nach der Qualität meiner Müdigkeit morgens spontan entscheiden, ob ich zur Uni kommen wollte oder nicht. Wenn ich mich dagegen entschied, war das auch nicht weiter tragisch; meine tollen Kommilitonen teilten die Klausurhinweise und Mitschriften ganz unbürokratisch. Auch das Stillen verlief in den ersten vier Monaten Dank kabelloser handlicher Milchpumpe und Bereitstellung von Räumlichkeiten durch die Lehrkoordination problemlos.

Ganz anders verlief es mit meinem Nebenjob als Blutabnahmekraft und OP Assistenz einer chirurgischen Station. Im ersten Gespräch mit meinem Vorgesetzten sah man noch ‚keinen Grund, warum ich meinen Job nicht weiter ausüben können sollte‘. Der Betriebsarzt sah diesen Grund allerdings schon. Ich wurde schnell und gegen meinen ausdrücklichen Willen beurlaubt: eine Situation, die ich als sehr bevormundend empfunden habe. Generell schien jeder besser zu wissen, was man als Schwangere alles nicht machen sollte. Während ich das Berufsverbot noch nachvollziehen konnte, wurde mir unter anderem einmal der Apfelsaft fast aus der Hand geschlagen (es sei doch bekannt, dass in Fruchtsäften Alkohol enthalten sein könnte). Und als ich im 2.Trimenon schwanger vor meinem Schwiegervater sagte,  dass ich gerne einen Horrorfilm sehen würde, konnte ich kurzzeitig einen Exophtalmus mit Flush Symptomatik erahnen, bevor ich mich dann fragen sollte, ob das wirklich das richtige für das Kind sei. Ihr seht sicher schon: Die Mutterschaft ist nicht nur etwas zwischen einer Mutter und ihrem Kind. Sie beinhaltet auch eine komplexe gesellschaftliche Rolle, die nicht leicht zu gestalten ist.

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