Die Corona-Pandemie hat eine hohe Relevanz im Erleben der Studierenden. Erstmalig in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik ist für das Sommersemester 2020 bundesweit die Präsenzlehre ausgesetzt worden und die Universitäten waren gehalten, ad hoc eine weitestgehende Umstellung auf Online-Lehre und digitale Ersatzformate vorzunehmen.
Für die Studierenden war das mit gravierenden Veränderungen verbunden. Diese veranlassten die Fachschaften der Universität zu Lübeck (UzL), im April eine Umfrage unter allen Studierenden zu ihren Erfahrungen zu starten. Etwa 66 Prozent der etwa 5.000 Lübecker Studierenden – darunter etwa 1.000 Medizinstudierende – meldeten sich zurück (n = 3.282; Sektion MINT: Angewandte Naturwissenschaften und Technik [ANT] n = 897 [28 Prozent der Responder]; Mathematik und Informatik [MaIn] n = 705 [22 Prozent]; Psychologie [Psy] n = 322 [10 Prozent]; Sektion Medizin: Gesundheitswissenschaften [GeW] n = 251 [acht Prozent]; Medizin [Med] n = 1.092 [33 Prozent]).
Sehr erfreulich für die Universität im Rahmen dieser Umfrage war, dass etwa 80 Prozent der Studierenden angaben, dass das Online-Studium besser liefe als gedacht (top two boxes trifft [eher] zu). Von fast drei Vierteln der Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurde die technische Umsetzung der Lehre, die Strukturierung der Lehrinhalte und die Unterstützung durch die Dozierenden als gut bis sehr gut bewertet.
Wesentlich stärker als andere Studierendengruppen waren die Mediziner davon betroffen, dass Praktika abgesagt wurden und sie daher nicht alle gewünschten/benötigten Veranstaltungen besuchen konnten. In den Studiengängen der Gesundheitswissenschaften war dies besonders für die Examenssemester ein zu lösendes Problem. Während gut die Hälfte aller Studierenden angab, von der Schließung der Bibliothek beeinträchtigt zu sein, war die Schließung der PC-Pools für ein Drittel der Teilnehmer insbesondere aus den MINT-Studiengängen problematisch.
Rund ein Drittel der Studierenden befürchten, ihr Studium aufgrund der aktuellen Situation verlängern zu müssen. Als Gründe dafür wurden häufig ein vermehrter Lernaufwand, fehlende Kinderbetreuung und Verschiebungen von Praktika und Abschlussarbeiten durch geschlossene Labore angegeben.
Ein erfreulich hoher Anteil der Studierenden bestätigte einen geregelten Tagesablauf (86 Prozent). Gut die Hälfte der Studierenden (51 Prozent) gab an, dass sich der Arbeitsaufwand für das Studium im Vergleich zu vorangegangenen Semestern etwas/deutlich erhöht hätte. Dabei zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den Fachbereichen. Während ca. 70 Prozent der Studierenden in den Gesundheitswissenschaften diese Aussage bestätigten, waren dies bei den Medizinern nur gut 30 Prozent. Besonders der Zeitaufwand für das Selbststudium wurde von 61 Prozent der Studierenden als etwas/deutlich gestiegen angegeben.
Gleichzeitig wurde deutlich, dass für 15 Prozent der Medizinstudierenden bis 26 Prozent der Psychologiestudierenden die mentale Belastung im Studium gestiegen war. Neben finanziellen Belastungen, die für 28 Prozent der Studierenden etwas/deutlich gestiegen waren, trug dazu sicher auch eine von 75 Prozent als etwas/deutlich schlechter empfundene Vernetzung bei. Trotz umfangreicher Nutzung von Kommunikationsplattformen und sozialer Messenger/Medien wurde von 60 Prozent der Studierenden das zeitweise Gefühl von Einsamkeit als (eher) zutreffend angegeben. In gleichem Umfang wurde das Lernen an einem Ort als belastend empfunden. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass mehr als die Hälfte der Studierenden eine vermehrte Nutzung von Streamingdiensten angaben (55 Prozent trifft [eher] zu). Ein vermehrter Konsum von Alkohol wurde dagegen „nur“ von 13 Prozent bestätigt (trifft [eher] zu).
Angesichts der Ergebnisse überrascht nicht, dass eine überwältigende Mehrheit der Studierenden (85 Prozent) sich darauf freut, bald den Campus wiederzusehen. Für ein knappes Drittel trifft dies auch für das Mensaessen zu. Bemerkenswert und sehr erfreulich sind die konstruktiven studentischen Initiativen, die sich in dieser Zeit entwickelten. Dazu zählt bereits die hier berichtete Umfrage. Darin wurde auch deutlich, dass gut ein Viertel der Studierenden aus Medizin und Gesundheitswissenschaften sich in medizinischen Einrichtungen in der Coronahilfe engagieren. In Antizipierung der in dieser Umfrage deutlich gewordenen Belastungen wurden zudem bereits auf verschiedenen Kanälen (E-Mail-Verteiler, WhatsApp-Gruppen, soziale Medien der Fachschaften und Internetforum der Uni) Informationen und Strategien zu Angeboten und Verhalten in der Pandemiezeit geteilt. Diese sollen den Kommilitonen helfen, auch während der Coronakrise körperlich und mental gesund und leistungsfähig zu bleiben. Dazu zählen Online-Spieleabende, Speed-Meetings und E-Mail-Freundschaften, Buchbesprechungen und Erfahrungsberichte über das eigene Erleben oder Hinweise auf hilfreiche Angebote anderer Universitäten (wie Studentenseelsorge).
In Zusammenarbeit des Dezernats Qualitätssicherung und Personalentwicklung sowie der an der Universität zu Lübeck eingerichteten Professur für Gesundheitsförderung in Studium und Beruf wurde die Internetpräsenz von Beratungsangeboten für Studierende und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhöht. Für Studierende gehören dazu auch Empfehlungen für Gesundheit und Wohlbefinden in Coronazeiten. Eine Notfallkarte bietet eine Übersicht über alle Angebote.
Neben Belastungen und Risiken der Coronapandemie wird durch die aufgezeigten Aktivitäten an der Universität zu Lübeck deutlich, dass Krisensituationen die Chance für die Entwicklung und Freisetzung von Ressourcen in sich bergen. Dies gilt besonders für die Digitalisierung, die einen enormen Entwicklungsschub verzeichnete. Aus den Freitexten der Umfrage ging hervor, dass die Studierenden die persönliche Interaktion mit ihren Kommilitonen, aber auch mit den Dozierenden in diesem Semester vermissen. Jedoch wird auch sehr häufig gewünscht, dass die Videoaufnahmen der Vorlesungen beibehalten werden, da diese als sehr hilfreich beschrieben werden.