PJ-Blog: Meine Wurst

Nach reichlich Theorie im Studium endlich im PJ in den Alltag eines Arztes eintauchen – ein Traum für jeden Medizinstudenten – oder? Fräulein Licht berichtet regelmäßig auf www.operation-karriere.de von ihren Erfahrungen an der Klinik. Teil 40: "Meine Wurst".

Operation Karriere-Bloggerin Fräulein Licht

Hier bloggt Fräulein Licht.

Liebes Krankenhaus,

alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei – und natürlich das PJ. Es regnet hier gerade in Strömen, donnert und blitzt. Und ich sitze gemütlich am Schreibtisch, trinke einen Tee mit Honig und schwelge ein bisschen in Erinnerungen an St. Petersburg. Und lese meinen Blogeintrag von meinem ersten Ende im Klinikum Holzhausen. Wie enttäuscht ich da war, nicht das Gefühl zu haben, überhaupt etwas gelernt zu haben. Und welches Gefühl ich jetzt habe, wirklich die Chirurgie verstanden zu haben und auch operieren zu können. Das soll hier aber kein Angeberbrief werden, als ob ich jetzt schon der Super-Chirurg wäre. Nur ein Vergleich, vielleicht ein positiver, vermutlich aber ein ernüchternder.

Ich hätte nie gedacht, dass ich in Russland so viel lernen und gleichzeitig so viel Spaß haben würde. Und ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ich Deutschland mit so einem unguten Gefühl verlassen würde (ja, vielleicht hätte ich bei der Krankenhauswahl doch bei dem so kompetent anmutenden Namen: Klinikum Holzhausen vorsichtiger sein sollen, wer weiß,…). Aber das scheint nicht unbedingt an meiner Klinik zu liegen. Meine Kommilitonen erzählten mir gestern, dass sie auch im Chirurgie-Tertial eher die Hakenhalter und Kaffeekocher waren und sich dadurch verständlicherweise nur wenig fürs Fach Chirurgie begeistern konnten.

Liebes Krankenhaus, wir sind mehr als nur Hakenhalter, wir sind viel mehr als nur preisgünstige Blutabnehmer, Aktenschreiber und Kaffeekocher. Wir sind fast fertige Ärzte und sollten auch so behandelt werden! Wir haben uns nicht durch fünf Jahre hartes Studium gequält, nur um jetzt fast das Gleiche tun zu dürfen, wie im Pflegepraktikum! Und es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass wir angeleitet werden und dass sich die Ärzte Zeit für uns nehmen und uns nicht gestresst irgendwo stehen lassen. Und wenn es nur einen Arzt geben sollte, der sich bemüht (und das heißt, wirklich bemüht), dann blühen wir auf und sind begeistert und interessiert und dann ist es auch kein Problem mal länger zu bleiben und noch einen Patienten zu versorgen.

Wir sind nicht Wurst, wir sind die Zukunft und das sollte auch dir, liebes Krankenhaus, klar sein. Uns aber als PJlern auch. Wir haben eine lange und teure Ausbildung hinter uns und können mehr als nur Multiple-Choice-Tests ankreuzen, davon bin ich überzeugt. Aber genau das, sollten wir auch einfordern, denn dazu haben wir meiner Meinung nach das Recht und auch die Pflicht!

In diesem (russischen) Sinne: PJler aller Länder vereinigt euch ;) und fordert endlich das, was ihr schon so lange verdient, nämlich eine gute ärztliche Ausbildung im PJ und nicht nur stumpfes Blutabnehmen und Hakenhalten den ganzen Tag. Es ist eure Zeit, verschwendet sie nicht!

Fräulein Licht (25) studiert Medizin in Münster und hat Ende 2015 ihr Praktisches Jahr an der Klinik begonnen. Alle Blog-Inhalte beruhen auf den Erfahrungen der Bloggerin im PJ und geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Die Namen von eventuell vorkommenden Personen wurden geändert.

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