Liebes Krankenhaus,
diese Woche gab es das volle Kulturprogramm und einige schockierende Erkenntnisse.
Fangen wir mit der Kultur an: Am Montag, so gegen 16 Uhr, stand ich am OP-Tisch (ich durfte diesmal Pins setzten, bohren und schrauben, es wurde ein Knie operiert und ich habe mich sogleich als Top-Chirug gefühlt, als der Pin richtig im Knie war, was das Röntgenbild bestätigte). Und weil ich den Pin beim ersten Mal gleich richtig gesetzt hatte (ich glaube es war aber mehr Glück als Verstand), wurde ich auch postwendend vom Chefarzt gefragt, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm nach der Arbeit in die Oper zu gehen (eine kleine Anmerkung zur russischen Oper bzw. dem Besuch des Theaters: alle Leute sind schick, fast jede Vorstellung ist ausverkauft und die Darsteller und Musiker sind ausnahmslos hervorragend, also ein wirkliches Erlebnis).
So und da waren wir dann auch im berühmten Mariinskithater. Der Ausblick war einfach grandios. Durch 30 Meter hohe Fensterscheiben konnte man auf den Theatervorplatz blicken und den Sonnenuntergang über den goldenen Dächern der Stadt genießen. Und dann ging die Vorstellung auch schon los. Eine mir völlig unbekannte Oper von Rimsky-Korsakov. Und sie ging fünf Stunden. Ich dachte zuerst, sie hätten sich auf dem Programmheft verschrieben, aber nein, fünf Stunden ist Minimum für jede vernünftige Oper. Und ich muss sagen, dass das auch stimmt. In zwei Stunden kann man eigentlich keine vernünftige Geschichte auf die Bühne bringen. Und jede Minute der fünf Stunden hat sich gelohnt. Das Orchester hat wundervoll gespielt (unter dem weltberühmten Dirigenten Gergijew), die Sänger waren ausgezeichnet und die Geschichte war auch mal was Neues (nicht die typische Liebesgeschichte, bei der der Prinz und die Prinzessin sich am Ende kriegen und alles Friede Freude Eierkuchen ist, sondern eine Geschichte, bei der der Prinz verzweifelt und die Prinzessin verlässt.
So und nun schwelge ich in Erinnerungen und summe ein paar Arien vor dem Schlafen gehen …
Fräulein Licht (24) studiert Medizin in Münster und hat Ende 2015 ihr Praktisches Jahr an der Klinik begonnen. Alle Blog-Inhalte beruhen auf den Erfahrungen der Bloggerin im PJ und geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Die Namen von eventuell vorkommenden Personen wurden geändert.