Zwei Uhr nachts am Rande eines Parkplatzes: Amelie, Lia, Constanze, Martin und Konrad*, Medizinstudierende an der Uni Freiburg, fragen sich: Lebt der Fahrradfahrer dort am Boden noch? Er bewegt sich nicht. Seine Stirn blutet und ein Stück Knochen schaut aus dem Bein heraus. Amelie und Lia knien sich sofort auf den Boden und sprechen den jungen Mann an. Er heiße Rainer Unsinn, geboren am 11. November 1991, stöhnt er leise. Er habe starke Schmerzen. Zum Glück steht der Rettungswagen schon bereit. Martin übernimmt geistesgegenwärtig das Kommando und verteilt die Aufgaben: Constanze und Konrad, die zunächst schreckhaft erstarrt waren, holen den Notfallrucksack aus dem Wagen. Ein erfahrener Rettungsassistent hilft: Für die notfallmäßige Versorgung des blutenden Oberschenkels muss Constanze die Hose des Patienten aufschneiden. Dann schieben Martin und Konrad ein Spineboard unter den Verletzten und bringen ihn dann auf einer Trage mit (Pseudo-) Infusion, Stiffneck und Monitoring in den Rettungswagen.
Erleichtert bleiben die fünf Helfer Amelie, Lia, Constanze, Martin und Konrad davor stehen – zur Besprechungsrunde „ihres Falles“. Dieser ist einer von neun – die weiteren acht Fälle finden zeitgleich im Lehrgebäude statt. Dies ist kein Zufall, denn heute, am 26. Juni, ist „SkillsNight“ an der Uni Freiburg. Dies ist ein simulierter Nachtdienst, den das Freiburger SkillsLab (Studitz) unter Leitung von Dr. med. Sabine Diwo seit 2009 veranstaltet. Das Studitz-Team besteht aus studentischen Tutoren die heute verkleidet und realitätsnah geschminkt Fallszenarien aus unterschiedlichen Fachbereichen im Stundenrhythmus präsentieren. Ein Gong gibt jeweils das Zeichen für die Studierenden zu einem anderen Fall in den nächsten Raum zu wechseln.
Viel selbstständig ausprobieren
Die in dieser Juninacht freiwillig teilnehmenden 38 Medizinstudierenden kommen aus unterschiedlichen Semestern: vom fünften Semester bis zum Praktischen Jahr. „Ich möchte möglichst viel selbstständig ausprobieren – und zwar ohne Leistungsdruck oder Versagensangst“, begründet Constanze ihre Teilnahme. Erstaunlich ist es für die Medizinstudentin zu erleben, wie schwierig es wird, nach Stunden konzentrierten Arbeitens auch nach Mitternacht noch komplexe Situationen zu bewältigen. Wie es sich anfühlt, gegen die Müdigkeit anzukämpfen, verantwortungsvoll die Patienten zu untersuchen, eine Diagnose und die entsprechende Therapie zu finden. „Wir haben aber auch gemerkt, wie wichtig das kollegiale Miteinander ist, wie hilfreich der Austausch und wie sinnvoll gemeinsame Pausen sind“, ergänzt Martin. Apropos Pausen: Um Mitternacht gibt es im „Sozialraum“ etwas Warmes zu essen und zur Aufmunterung eine Ratepantomime mit Fachbegriffen.



„Jedes Jahr wächst das Projekt SkillsNight ein wenig weiter“, berichtet Diwo, die bis zum Wintersemester 2015 in Freiburg unterrichtete. Begonnen wurde 2009 mit 20 Teilnehmern, vier Fällen und noch relativ viel Theorie. „Seit einem Jahr bieten wir für 45 Studierende neun Szenarien in einer Nacht an, mit Simulatorpuppen und Tutoren als Darstellern.“ Dass die Anästhesistin und ihr Team mit dem Projekt den Nerv der Studierenden getroffen haben, zeigt der Erfolg: Kaum ist die Anmeldung freigeschaltet, bildet sich eine Warteliste für frei werdende Plätze. Die Evaluation der SkillsNight Ende Juni 2015 ergab (wieder einmal) eine glatte 1,0! Zudem spricht es sich herum: Zur SkillsNight reisen mittlerweile begeisterte Tutoren aus anderen SkillsLabs an und bringen sogar „eigene Fälle“ mit. Simulierte Nachtdienste fanden auch schon in Heidelberg und Berlin statt.
*Namen von der Redaktion geändert.
Quelle: Dieser Beitrag ist in Heft 4/2015 von Medizin Studieren, dem Magazin des Deutschen Ärzteblattes für Studierende der Medizin, S. 12, erschienen.