Gemäß Koalitionsvertrag erarbeiten Bund und Länder einen "Masterplan Medizinstudium 2020", mit dem Studienplatzbewerber zielgerichteter auswählt und die Allgemeinmedizin gestärkt werden sollen. Doch kann man Studierende, die nach ihrem Abschluss im hausärztlichen Bereich in ärztlich unterversorgten Regionen arbeiten, via Zulassungsverfahren gewinnen? Eine aktuelle Studie des BMG kommt zu folgendem Ergebnis: Ja, man kann.
Gender Mainstreaming: Männer profitieren
Es könne nicht ausgeschlossen werden, so die Verfasser des Berichts, „dass eher Männer von der Einführung einer auf Vorlieben des Arbeitsortes rekurrierenden Quote profitieren würden.“
Rund zwei Drittel der ein Studium der Medizin Aufnehmenden sind weiblich. Eine Quote könnte dazu führen, dass sich die Chancen von Studienbewerberinnen, die sich in den derzeitigen Auswahlverfahren gegenüber männlichen Mitbewerbern durchgesetzt hätten, möglicherweise verschlechterten.
Hinzu komme eine in ländlichen Regionen gegenüber Ballungsgebieten schlechtere Ausstattung mit sozialen Infrastrukturen, wie Ganztagesbetreuungsangeboten für Kinder, „welche sich typischerweise stärker hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf Frauen auswirken und dadurch zu einer geringeren Attraktivität der Tätigkeit als Ärztin in unterversorgten Gebieten führen könnten.“
Ein Baustein zur Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung
Eine Vorabquote für angehende Medizinstudierende, die sich verpflichten, sich später in ländlichen Räumen als Hausarzt niederzulassen, lässt sich demnach verfassungskonform ausgestalten. Sie kann laut der Autoren einer von mehreren Bausteinen zur Sicherstellung einer flächendeckenden ärztlichen Versorgung sein.
Verpflichtungserklärung: Acht bis zehn Jahre
Da die Verfassungsmäßigkeit einer Vorabquote voraussetze, dass die bevorzugten Bewerber später tatsächlich zur Sicherung der ärztlichen Versorgung in unterversorgten Räumen beitragen, müssten Instrumente eingeführt werden, die dies sicherstellten, so der Bericht. Ein solches Instrument wäre demzufolge eine vorher abzugebende Verpflichtungserklärung. Deren Ausgestaltung müsse allerdings dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, „weil sie intensiv in die Gestaltung von Lebensentwürfen und die Berufsausübung der Absolventen hineinwirkt.“, so der Bericht.
Daran gemessen, sei eine achtjährige Bindung zu einer späteren Tätigkeit in einem ärztlich unterversorgten Gebiet rechtlich nicht bedenklich; auch eine zehnjährige Verpflichtung dürfte nicht zu beanstanden sein. Die Umsetzung muss den Betreffenden "in einer ihre Grundrechte weitestmöglich schonenden Regelung" ermöglichen, auswählen zu können, in welchem unterversorgten Gebiet sie sich niederlassen wollten. Ihre Verpflichtung bestehe also darin, nach Studiumsabschluss binnen einer bestimmten Frist die Zulassung als Vertragsarzt in jenem Gebiet zu beantragen sowie die Antragstellung und gegebenenfalls die erteilte Zulassung der zuständigen Stelle nachzuweisen.
Keine Zwangsversetzung
Eine weitergehende Klausel, die der zuständigen Stelle die Befugnis einräumen würde, eine vertragsärztliche Tätigkeit in einem von ihr zu bestimmenden Gebiet anzuweisen, sei mit dem geltenden ärztlichen Zulassungsrecht und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kaum vereinbar, so die Autoren. Auch sei es „aus Gründen der Verhältnismäßigkeit“ geboten, in Härtefällen eine Beendigung der Verpflichtung vor Ablauf der Verpflichtungsdauer zu ermöglichen.
150.000 Euro Vertragsstrafe
Die Sicherung der Verpflichtung, nach Abschluss des Medizinstudiums in einem ärztlich unterversorgten Gebiet tätig zu werden durch ein Vertragsstrafeversprechen ist laut der Verfasser des Berichts zulässig. Auch eine Empfehlung für die Höhe der Strafe liefert der Bericht gleich mit: Auf der Grundlage der zur zulässigen Höhe von Vertragsstrafen in den untersuchten Referenzgebieten vorliegenden Rechtsprechung dürfte eine Vertragsstrafe in Höhe von 150.000 Euro demnach nicht die durch das Verhältnismäßigkeitsgebot gezogenen Grenzen übersteigen.
Ist eine solche Quote rechtens?
Um es kurz zu machen: Ja, zumindest kommt der Kurzbericht des BMG zu diesem Schluss. In der Begründung heißt es: Die bestehenden rechtlichen Vorgaben für das Auswahlverfahren erlauben so genannte Vorabquoten für Bewerberinnen und Bewerber, die sich aufgrund entsprechender Vorschriften verpflichtet haben, ihren Beruf in Bereichen besonderen öffentlichen Bedarfs auszuüben. Danach ist es grundsätzlich möglich, eine Quote für künftige Ärztinnen und Ärzte zur Behebung regionaler medizinischer Unterversorgung zu bilden.
Quelle: Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen der Einführung und Ausgestaltung einer Quote zur Sicherstellung der primärärztlichen Versorgung, insbesondere im ländlichen Raum, bei der Zulassung zum Medizinstudium. Kurzbericht.
Ressort: Bundesministerium für Gesundheit (BMG)
Auftragnehmer: Univ.-Prof. Dr. Mario Martini, Univ.-Prof. Dr. Jan Ziekow
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr. Jan Ziekow
Autoren: Univ.-Prof. Dr. Mario Martini, Univ.-Prof. Dr. Jan Ziekow