Anfangs erschreckte mich der Gedanke. Ein Semester lang Pause machen, das hält mich wieder auf! Ich möchte endlich fertig werden mit dem Studium und rein in die Arbeitswelt! Zum Familienbudget beitragen. Mich unabhängig fühlen! Das sind meine Wünsche, meine Bedürfnisse. Ihnen gegenüber steht meine Tochter. Oder genauer: Meine Rolle als Mutter. Noch genauer: Wie ich meine Rolle als Mutter erfüllen möchte. Alisa ist vor kurzem ein Jahr alt geworden, gerade schläft sie den selig-süßen Schlaf eines Kindes. Ich betrachte sie und weiß, dass ich nicht kann. Kann sie nicht alleine lassen. Jeglicher Versuch, sie jemand anderen zu geben, endete in bitteren Tränen. Sogar bei ihrer Oma! Dabei stehen Omas eigentlich hoch im Kurs – mein Sohn Nikita und meine Mutter waren von Anfang an beste Kumpels. Aber Kinder sind eben unterschiedlich, selbst die derselben Eltern.
Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, Alisa kommt einfach überall hin mit mir mit. Den Gedanken an das kommende Semester habe ich bis jetzt verdrängt, hat ja noch Zeit. Nun aber ist es soweit und ich überlege seit einiger Zeit, was ich mit ihr machen soll, wenn ich in die Uni gehe. Meinen Stundenplan habe ich ja schon auf die Beine gestellt, ab November soll es losgehen, mit mehrstündigen bis ganztägigen Seminaren und Praktika.
Eines Tages, während ich so grübelte, tauchte – ganz unerwartet – ein neuer, leichtfüßiger Gedanke in mir auf: “Dann machst du eben ein Semester Pause.”
Ich wollte diesen Einfall wieder tief in mein Unterbewusstsein verjagen, ja zum Teufel wollte ich ihn schicken! Aber er blieb. Langsam wich der Schreck, und Erleichterung machte sich breit. Ich konnte es nicht fassen. Was machte die denn hier? “Ich. Will. Doch. Endlich. Fertig. Werden.”, pochte es in meinem Frontalhirn. Doch auch dieses Pochen löste sich langsam in der Erleichterung auf. Ein Lächeln huschte über meine Lippen, ich entspannte mich. Na gut, dann eben ein Semester Pause. Oder zwei? Danke, Alisa. Von euch Kindern können wir Erwachsene noch einiges lernen. Zum Beispiel, auf sein Gefühl zu hören.
Natürlich habe ich mich nicht im gleichen Moment fest entschlossen. Ich dachte noch über die Möglichkeit nach, einfach mein Semester durchzuziehen, die Kleine wird sich schon daran gewöhnen, dass Mama ab und zu nicht da ist. Doch dass sich der Gedanke an Pause so echt, so frei anfühlte, ließ mich verstehen, dass dies die richtige Entscheidung ist.
Außerdem, wieso beeile ich mich so? In meinem ersten Beitrag habe ich davon geschwärmt, wie schön es ist, neben den Kindern etwas für mich zu haben, das Studium. Nun könnte ich schon in zwei Jahren fertig sein. Ich freue mich darauf, in die Arbeitswelt einzutauchen, doch je näher das Ende des Studiums rückt, desto klarer stellt sich mir die Frage: Was dann? Klar, Facharztausbildung. Wer sich ein bisschen umhört, weiß, dass die Zeit als Assistenzarzt nicht ohne ist. 40-Stunden-Woche, Überstunden, Nachtdienste, Wochenenddienste und das mit Kindern die dann drei und sechs sein werden? Den Facharzt in Teilzeit zu absolvieren, macht wenig Sinn. Erstens werden Teilzeitstellen kaum vergeben, zweitens verdoppelt sich die Ausbildungszeit und wer will schon rund zehn Jahre lang Assistenzarzt sein? Es ist ein Dilemma, manchmal weiß ich einfach nicht, wohin mit mir und meinen Kindern in der Medizin. Wie in meinem letzten Beitrag geschildert, strebe ich nicht “Kind versus Karriere”, sondern “Kind fusioning Karriere” an. Aber die Rahmenbedingungen dafür machen es mir nicht einfach.
Also trete ich nun einen Schritt zurück und nehme von all dem ein bisschen Abstand, um dann von einer anderen Seite auf diese Herausforderung blicken zu können.
Aber keine Sorge, I’ll be back.