Rund 42.000 Menschen haben sich im Wintersemester 2019/2020 auf einen der circa 9.500 Medizin-Studienplätze beworben. Eine viel zu geringe Zahl, nicht nur für die vielen Bewerber, für die "Arzt oder Ärztin" ein Traumberuf ist. Die Zahl der Studienplätze reicht auch nicht aus, um das Problem mit dem Fachkräftemangel in Deutschland nachhaltig zu lösen: "Der Fachkräftemangel ist schon jetzt besorgniserregend – und das Problem wird immer größer: Schon 2030 werden in Deutschland mehr als 100.000 Ärzte fehlen", erklärte Christina Hayek von den Bezirkskliniken Mittelfranken beim Operation Karriere-Kongress in Frankfurt, "um diese Stellen zu besetzen, bräuchten wir insgesamt etwa 16.000 Studienplätze in Deutschland".
Kein Wunder, dass sich immer mehr künftige Ärzte den Traum vom Medizinstudium im Ausland erfüllen: 2015 studierten rund 11.300 Deutsche Human- und Gesundheitswissenschaften in anderen Ländern wie Österreich, Ungarn oder Rumänien – mehr als an deutschen Universitäten. Vor allem für osteuropäische Universitäten sind die Gäste aus Deutschland ein lukratives Geschäft, weil hier oft auch Studiengebühren anfallen.
Studieren im Ausland – aber wo?
"Alle, die in Deutschland keinen Studienplatz bekommen haben, sollten sich im Ausland umsehen", riet Hayek. Aber wo sind die Rahmenbedingungen am besten? Das hänge von verschiedenen Faktoren ab:
Kosten:
- Lebenshaltungskosten
- Reisekosten
- Höhe der Studiengebühren
- Verwaltungskosten
Unterrichtssprache:
- Deutsch
- Englisch
- Landessprache
Studienqualität:
- Welche Zertifikate und Auszeichnungen hat die Uni?
- Wie sieht der Betreuungsschlüssel Professor / Studierende aus?
- Wie ist die Uni technisch ausgestattet?
- Wie ist das Gesundheitssystem vor Ort aufgebaut? Gibt es die Möglichkeit, hier eine Famulatur oder das PJ zu absolvieren?
Aufnahmebedingungen: Welche Rolle spielen
- Noten,
- Aufnahmetests,
- bürokratische Hürden?
Um sich zu orientieren, empfahl Hayek, die Universität vor der Bewerbung kennenzulernen und z.B. einen Tag der Offenen Tür zu besuchen, das Gespräch mit Studierenden vor Ort zu suchen und Erfahrungsberichte im Internet kritisch zu prüfen.
Beispiel: Studieren in Varna (Bulgarien)
Als Beispiel stellte Hayek das Medizinstudium in Varna vor, einer bulgarischen Hafenstadt am Schwarzen Meer. Hier hob sie zunächst die niedrigen Lebenshaltungskosten hervor: "Hier bekommen Sie eine schöne 60-m²-Wohnung für 250 Euro im Monat – vergleichen Sie das mal mit den Mietpreisen in Hamburg oder München!" Der Unterricht finde in englischer Sprache statt. Wer Englisch auf Deutschem Abitur-Niveau beherrsche, sei dafür aber gut gerüstet.
Wer zum Studium in Varna zugelassen werden möchte, muss einen Aufnahmetest bestehen, auf den man sich laut Hayek aber gut vorbereiten kann. "Die Noten spielen auch eine Rolle, vor allem in den naturwissenschaftlichen Fächern Biologie und Chemie", erklärte Hayek. Am Ende sei eine Mischung aus den Noten und den Testergebnissen entscheidend.
Studieren mit Stipendium
Und was ist mit den Studiengebühren? Die liegen aktuell bei 4.000 Euro pro Semester. Wer diesen Betrag nicht aufbringen kann und an einem Medizinstudium in Varna interessiert ist, kann sich bei den Bezirkskliniken Mittelfranken um ein Stipendium bewerben. Jedes Jahr werden fünf Studierende in das Programm aufgenommen. Die Stipendiaten werden bis zu sechs Jahre lang in Höhe der Studiengebühren gefördert – also mit bis zu 48.000 Euro insgesamt. Der Deal: die Stipendiaten verpflichten sich im Gegenzug dazu, nach ihrer Approbation mindestens fünf Jahre lang bei den Bezirkskliniken Mittelfranken zu arbeiten.
Und was passiert, wenn man sich nach dem Studium doch für eine Karriere in der Forschung oder einen Job an einer anderen Klinik entscheidet? "Dann muss das Stipendium zurückgezahlt werden", erklärt Hayek. Für die Bezirkskliniken Mittelfranken ist das Programm ein Instrument der gezielten Nachwuchsförderung: Es soll dafür sorgen, dass der eigene Fachkräftebedarf auch langfristig gesichert ist. Für die Studienbewerber könne ein Klinik-Stipendium ein Weg sein, doch noch Medizin zu studieren – und zwar ohne 1,0-Abi oder reiche Eltern.
Quelle: Operation Karriere-Kongress Frankfurt, 1.2.2020, Vortrag: "Medizinstudium im Ausland – Stipendienprogramm", Christina Hayek, Fachbereichsleitung Arbeitgeberattraktivität und Recruiting, Zentrales Personalmanagement, Bezirkskliniken Mittelfranken, Ansbach