Prof. Axel W. Bauer hat einen Ratgeber für Mediziner geschrieben, die promovieren möchten. Im Interview erklärt er, wie man die eigene Promotion am besten plant und wann man das Promotions-Projekt besser als erledigt betrachten sollte.
Herr Prof. W. Bauer, mit welcher Problematik haben angehende Mediziner bei ihrer Promotion besonders zu kämpfen?
Prof. Dr. Axel W. Bauer: Jedes Kapitel des Buches beschreibt einen wichtigen Punkt, aber ganz wesentlich erscheint mir die Frage des Zeitpunkts und der Themensuche. Denn wenn man das falsche Thema erwischt hat oder den falschen Zeitpunkt, dann wird die Sache nicht glücken.
Wann ist denn der richtige Zeitpunkt, um mit der Doktorarbeit zu beginnen?
Man sagt einerseits: nicht zu früh. Also möglichst nicht schon im Grundstudium. Ausgeschlossen ist das zwar nicht, aber der günstigere Zeitpunkt ist sicher eher in den ersten Semestern des Hauptstudiums, also im 3. oder 4. Studienjahr, wobei dann wiederum das Problem hinzukommt, dass man möglichst nach dem 5. Studienjahr fertig sein möchte. Die Zeit kann dann knapp werden, und dann zieht sich die Bearbeitung der Dissertation über das Staatsexamen hinaus.
Eine Doktorarbeit während der Weiterbildung zu verfassen, halten Sie also für schwierig?
Das ist ohne Zweifel sehr schwierig. Immer wieder melden sich auch bei mir Kandidaten in diesem Berufsstadium, aber sie unterschätzen, wie viel Arbeit eine Dissertation macht. Man muss enorm viel Mühe investieren, um Bibliotheken aufzusuchen oder auch mal ein Archiv, oder um Experimente zu machen. Wenn man abends um 19 Uhr müde nach Hause kommt, dann verschiebt man das Forschen aufs Wochenende, da braucht man aber eher Erholung. In der Weiterbildungsphase die Doktorarbeit zu schreiben ist also nicht sehr günstig, auch wenn es auch hier hin und wieder den für mich erstaunlichen Fall gibt, dass es jemand schafft. Aber es ist eher selten, dass das gelingt.
Wie findet man das richtige Thema für seine Doktorarbeit?
Ich habe gestern eine angehende Doktorandin zu Besuch gehabt, die habe ich das auch gefragt. Sie sagte mir, unter ihren Kommilitonen gelte es als ganz besonders wichtig, wer Doktorvater oder Doktormutter wird, der oder die sich dann auch um das Thema und seine Betreuung kümmert. Die Persönlichkeit des Betreuers spielt bei der Themenwahl also offenkundig eine überragende Rolle. Dann geht es natürlich auch noch um die Frage: Für was für eine Art von Doktorarbeit eigne ich mich? Es beginnt mit retrospektiven klinischen Studien, bei denen schon vorhandenes Datenmaterial mit fraglicher Qualität der Daten analysiert wird. Diese Arbeiten gelingen in der Regel, denn sie sind relativ leicht zu bewältigen, allerdings auch wenig spannend, da man hier ja keine Hypothese beweisen, sondern allenfalls eine Hypothese generieren kann. Aber dafür liegen die Daten schon vor.
Anders ist es mit klinisch prospektiven oder mit epidemiologischen Arbeiten, bei denen man die Daten erst gewinnen muss. Das kann länger dauern, als man zunächst glaubt. Ähnlich ist es bei einer experimentellen Arbeit. Nur bei einer prospektiven und experimentellen Arbeit ist es möglich, eine These zu bestätigen oder zu entkräften. Das gilt als wissenschaftlich wertvoller, wird dann auch mit besseren Noten wie "magna cum laude" oder "summa cum laude" belohnt. Solche Arbeiten haben aber auch das Risiko, dass sie scheitern, weil nicht genügend Patienten zur Untersuchung vorhanden sind oder weil der Beobachtungszeitraum zu kurz ist oder weil sich die Hypothese nicht bestätigen lässt.



Schließlich gibt es auch noch "Literaturarbeiten", bei denen man auch eine sehr gute Note bekommen kann. Allerdings sind diese Arbeiten - besonders in meinem Fachgebiet Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin - methodisch vom naturwissenschaftlich dominierten Medizinstudium recht weit entfernt, sodass es dann auch nicht schadet, wenn jemand sprachliche, philosophische, juristische oder theologische Interessen beziehungsweise Vorkenntnisse hat.
Man sollte sich also zunächst einmal überlegen, wo die eigene Neigung hingeht, und dann auch eruieren, was an der Medizinischen Fakultät angeboten wird. Viele Betreuer haben eine aussagekräftige Homepage, auf der man erkennen kann, was da früher schon an Doktorarbeiten betreut worden ist, wie die Themen lauten und was die Forschungsschwerpunkte sind. Man sollte sich auf jeden Fall kundig machen, bevor man den direkten Kontakt sucht, weil Doktorväter und -mütter es natürlich gerne sehen, wenn ein potenzieller Doktorand eine gewisse Vorstellung hat, was in dem entsprechenden Bereich, in der Abteilung oder in der Klinik geforscht wird.
Ist es notwendig, die Promotion in dem Bereich zu machen, in dem später auch die Weiterbildung absolviert wird?
Nein, sicher nicht. Ich selbst, der ich heute Medizinhistoriker, Wissenschaftsphilosoph und Medizinethiker bin, habe 1979 in der Hals-Nasen-Ohren-Klinik in Freiburg über die stereophone Hörgeräteversorgung promoviert. Oder denken Sie an die Fächer des Grundstudiums, also Anatomie, Physiologie und Biochemie. Da promovieren nicht nur Kollegen, die später Physiologe oder Biochemiker werden wollen. Es ist durchaus möglich, in dem Fach, auf das man sich später spezialisiert, bereits die Dissertation zu schreiben. Aber die Promotion ist keine Vorentscheidung in dem Sinn, dass man danach nichts anderes mehr machen könnte.