Eine bedarfsgerechte ernährungsmedizinische Versorgung könne das Komplikationsrisiko nach OPs reduzieren, die Genesung fördern sowie zu einem verkürzten Klinikaufenthalt beitragen. „Im Medizinstudium kommt dieses Wissen aber zu kurz vor“, bemängelte Nicola Amarell, Mitarbeiterin der Medizinischen Klinik I. „An die Bedeutung von Ernährung denkt man typischerweise bei Patienten mit Adipositas oder Diabetes. In den anderen medizinischen Bereichen steht die krankheitsspezifische Kost weniger im Fokus.“
Um gegenzusteuern, wurde am UKB 2019 ausgehend vom ernährungsmedizinischen Team der Gastroenterologie in der Medizinischen Klinik I eine Ernährungskommission gegründet. Ziel war, ernährungsmedizinische Standards zu etablieren. Das Ernährungsteam am UKB soll dafür sorgen, dass die Beschlüsse der Ernährungskommission umgesetzt werden. Eine Diätküche versorgt schwer kranke Patienten mit bedarfsgerechtem Essen inklusive frisch zubereiteter hochkalorischer Proteinshakes.
Der nächste Schritt ist nun eine interprofessionelle Fortbildungsreihe, in der die ernährungsmedizinischen Inhalte an die angehenden Ärzte und Ernährungswissenschaftler vermittelt werden. Das von der Medizinischen Fakultät finanzierte Projekt ist eines von insgesamt neun geförderten interprofessionellen Lehrprojekten und ist auf zwei Jahre angelegt, soll aber darüber hinaus fortgeführt werden. „Die frühe Integration von wissenschaftlichen Aspekten der Ernährungsmedizin in die Ausbildung von Ärzten ist ein bislang zu wenig beachteter Schritt zur langfristigen Verbesserung der klinischen Versorgung“, sagt Christian Strassburg, Direktor der Medizinischen Klinik I des UKB.
Da die Patientenversorgung heutzutage in multiprofessionellen Behandlungsteams erfolge, müssten die verschiedenen Berufsgruppen bereits im Rahmen ihrer Ausbildung zusammengebracht werden, damit sie im interprofessionellen Setting mit- und voneinander lernen, fordert Bernhard Steinweg, Geschäftsführer des Studiendekanats: „Durch die Förderung möchten wir am Standort Bonn neue Akzente in der interprofessionellen Zusammenarbeit setzen.“
Die Fortbildung besteht aus zehn wöchentlichen Einheiten, die als Workshops konzipiert sind. Mit Modulen wie Ernährungsepidemiologie, krankheitsspezifischen Ernährungsformen oder heimparenteralen Ernährung bei chronischem Darmversagen soll möglichst das gesamte ernährungsmedizinische Spektrum inhaltlich abgedeckt werden. Das Angebot richtet sich vor allem an die PJler der Medizinischen Klinik I, der Abteilung für Integrierte Onkologie sowie der Chirurgie.
Projektinitiatorin Annekristin Hausen, Fachärztin für Innere Medizin und Gastroenterologie sowie Ernährungsmedizinerin, ist überzeugt, dass bereits PJler sich mit der Ernährung befassen sollen. „Mit der richtigen und auf den Patienten individuell abgestimmten Ernährung können wir immens viel bewirken. Der Ernährungszustand eines kranken Menschen kann über die Komplikationsrate oder Überlebensrate bei OPs oder Transplantationen entscheiden“, sagte die UKB-Ärztin. Darum gehöre das Wissen um die ernährungsmedizinischen Zusammenhänge als fester Bestandteil zum Medizinstudium.