Es ist die Horrorvorstellung eines jeden Medizinstudierenden: Man bekommt eine Aufgabe zugeteilt, der man sich noch nicht gewachsen fühlt oder die man einfach noch nicht vollständig überschaut. Doch mit Nachfragen macht man sich nicht beliebt und im hektischen Stationsalltag fühlen sich viele gezwungen, die Flucht nach vorn anzutreten. Also: Einfach handeln! Was aber, wenn man dann ein wesentliches Symptom übersieht, eine notwendige Untersuchung unterlässt oder eine falsche Entscheidung trifft und ein Patient dabei zu Schaden kommt?
Dramatische Ereignisse dieser Art sind zwar nicht häufig, kommen aber immer mal wieder vor und sind aus der Presse bekannt: Beispielsweise der Fall eines Studenten im Praktischen Jahr, der am Evangelischen Krankenhaus Bielefeld durch eine fehlerhafte Medikamentengabe ein Kind getötet hat. Er verabreichte ein Antibiotikum nicht oral, sondern injizierte es. Der leukämiekranke Säugling starb und die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen den angehenden Arzt wegen fahrlässiger Tötung. Er wurde 2013 zu einer Geldstrafe verurteilt, darf aber weiter als Arzt arbeiten (DÄ Medizin studieren, Heft 2/2014).
Berichtet hat das DÄ Medizin studieren Heft 3/2014 auch über die Mainzer Medizinstudentin, die einer frisch operierten Patientin mit Übelkeit eine angebrochene Infusion verabreicht hat, die sich noch im Operationssaal befand. Diese hatte zwar ein Etikett mit der Aufschrift „NaCl“. Allerdings war in der Flasche nicht nur Kochsalzlösung, sondern auch das Narkosemittel Propofol, das den Inhalt trübte. Die Patientin erlitt einen Atem- und Kreislaufstillstand und musste vom alarmierten Notarzt reanimiert werden. Das war im Juni 2011. In einem Urteil vom April 2014 entschied das Landgericht Mainz: Die Klinik, der operierende Arzt und die Studentin müssen für den Fehler haften (Az.: 2 O 266/11).
Studierende und Mentoren sind haftbar
Nach Einschätzung des Gerichts haben strukturelle Probleme in der Organisation der Klinik den Fehler verursacht. Die Betreuung einer frisch operierten Patientin habe nicht allein einer Studentin anvertraut werden dürfen. Der operierende Arzt und Geschäftsführer der Klinik hätte nach Meinung des Gerichts erkennen müssen, dass die Studentin für die Nachtwache ungeeignet war. Auch diese sei aber haftbar zu machen, so der Richter. Sie habe „gravierende Fehlentscheidungen“ getroffen. So habe sie eine angebrochene Infusion verabreicht, von der sie nicht sicher wissen konnte, worum es sich handelt.
Diese Fälle zeigen: Als Medizinstudent unterliegt man wie jeder andere dem Strafgesetzbuch und kann wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB) und fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) mit Geld- oder Freiheitsstrafen bestraft werden. Hinzu kommen Auswirkungen auf die Approbation. Diese Fälle sind aber auch deutschlandweit für viele Medizinstudierende Anlass, über ihre rechtliche Stellung im Praktischen Jahr (PJ) nachzudenken: Was dürfen PJ-Studierende im Krankenhaus eigentlich für Aufgaben übernehmen? Und: Wie sieht es mit der Haftung aus?
Lukas Käsmann, Medizinstudent im neunten Semester an der Universität Lübeck, stellt sich derzeit diese Fragen. Denn bald startet auch er ins PJ: Neben der obligatorischen Chirurgie und der Inneren Medizin will er das Wahltertial in der Radioonkologie absolvieren. Als Regionalsprecher der Studierenden des Hartmannbundes in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern weiß er auch, dass nicht nur vielen Kommilitonen, sondern selbst vielen gestandenen Ärzten, die PJ-Studierende betreuen, die rechtliche Situation im PJ zum Teil nicht geläufig ist. Vielen sei bekannt, dass der Ärztlichen Approbationsordnung (ÄAppO) zufolge im Mittelpunkt des PJ die Ausbildung der Studierenden am Patienten stehen soll. Dabei sollen diese ihre „ärztlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vertiefen und erweitern“ (§ 3 Abs. 4 S. 1 und 2 ÄAppO). Ziel ist es, „das medizinische Wissen in der Prophylaxe, Diagnostik und Behandlung auf den einzelnen Krankheitsfall anzuwenden“. Die Lehrenden sollen die Studierenden zu fachlich kompetenten und eigenverantwortlich handelnden Persönlichkeiten ausbilden. Auch die rechtlichen Vorgaben stellt die ÄAppO bereits klar: So sollen die PJler „entsprechend ihrem Ausbildungsstand unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden Arztes ihnen zugewiesene ärztliche Verrichtungen durchführen“ (§ 3 Abs. 4 S. 3 ÄAppO).