Am Anfang der bvmd-Stellungnahme steht ein fettes Lob: Bei der Umstellung auf digitale Lehrmethoden sei an vielen Stellen großartiges geleistet worden, heißt es in der Pressemitteilung: "Lehrende haben sich mit neuen Unterrichtsformaten vertraut gemacht, in den universitären Gremien wurden flexible Lösungen gefunden und es wurde versucht, den Studierenden ein vollwertiges Semester unter den besonderen Umständen zu bieten". Allerdings: Das habe nicht überall gleich gut funktioniert, heißt es weiter.
So sei das gesamte Potential der Digitalisierung im Sommersemester noch bei weitem nicht ausgeschöpft worden, kritisiert die bvmd. Ein Problem: Nicht alle Veranstaltungsformate seien gleich gut für eine Übertragung ins Netz geeignet, aber auch die Lehrenden seien häufig nicht ausreichend geschult worden und von den zuständigen Stellen der Universitäten habe es nicht genug Unterstützung gegeben.
Als eine besondere Herausforderung hebt die bvmd in ihrer Stellungnahme die Vermittlung von praktischen Kompetenzen hervor: Während es an einigen Unis Präsenzveranstaltung unter besonderen Hygieneauflagen gegeben habe, seien die Inhalte andernorts nur digital in der Theorie besprochen worden. Allerdings habe es an einigen Fakultäten die Möglichkeit gegeben, digitale Videosprechstunden zu üben – beispielsweise in Bonn: Die bvmd wertet das als eine gute Vorbereitung auf telemedinische Angebote, die derzeit auch in der Praxis immer häufiger werden. Daher fordert die Studierendenvereinigung auch, solche Leuchtturmprojekte in Zukunft auf ganz Deutschland auszuweiten.
Mehr Interaktivität, mehr Praxisbezug
Für das Wintersemester sei vor allem eine Rückkehr zur praktischen Ausbildung wichtig, erklärt Mareike Lüdtke, Bundeskoordinatorin für medizinische Ausbildung der bvmd: "Was die Studierenden jetzt brauchen ist eine Rückkehr zu den Patientinnen und Patienten, nicht in den Hörsaal. Wo immer vertretbar muss praktische Lehre in Präsenz stattfinden – viele andere Formate lassen sich jedoch auch gut, wenn nicht sogar besser, online umsetzen". Außerdem fordert die bvmd mehr Interaktivität in den digitalen Lehrformaten und verweist auf verschiedene moderne Formate:
- Flipped-classroom Konzepte: Hierbei eignen sich die Studierenden die Theorie zu Hause in ihrem eigenen Tempo an, beispielsweise mit Lehrvideos oder Büchern. Im Online-Seminar wird der Stoff dann vertieft, mit anderen diskutiert und in Übungen praktisch ausprobiert. Dieses Konzept dreht quasi den traditionellen Frontalunterricht um, bei dem Schüler die Grundlagen in Vorlesungen lernen sollen und den Stoff in Eigenarbeit vertiefen.
- Audience-response Systeme: Konzepte, bei denen das Publikum aktiv in den Unterricht einbezogen wird – beispielsweise durch Abstimmungen, die per Smartphone oder direkt im Online-Seminar durchgeführt werden können.
- Blended learning: Konzepte, die klassisches Lernen im Präsenzunterricht mit Formen von E-Learning verknüpfen. So werden die didaktischen Vorteile von elektronischen Lernformaten mit der Kommunikation einer Präsenzveranstaltung verbunden.
- Elemente der Gamification: Einsatz von spielerischen Elementen beim Lernen, beispielsweise in einer virtuellen Notaufnahme.
Auch wenn die bvmd Vorlesungsformate on demand im Internet grundsätzlich begrüßt, weil sie den Studierenden eine größere Flexibilität ermöglichen: Auch ein guter Austausch zwischen Studierenden und Lehrenden müsse sichergestellt werden, mahnen die Studierendenvertreter. Denn: Der Austausch sei auch für die Evaluierung der Lehrformate wichtig, erklärt Daniel Bechler, auch Bundeskoordinator für medizinische Ausbildung der bvmd. “Evaluation darf kein Selbstzweck sein, sondern muss konkrete Veränderungen zur Folge haben. Der offene Austausch der Lehrenden mit den Studierenden ist dafür aus unserer Erfahrung unabdingbar.”
Einsam durch Corona?
Ein weiterer Punkt: Die digitale Lehre hat natürlich auch Auswirkungen auf das Sozialleben der Studierenden – speziell für die jüngeren Semester. Denn wer schon länger studiert, hat in der Regel schon einen Freundeskreis aufgebaut. Wer gerade erst anfängt, für den ist noch vieles neu – und da seien Präsenzveranstaltungen wichtig, um sozialen Anschluss zu finden und sich ein eigenes Netzwerk aufzubauen. Die bvmd regt daher an, in den niedrigeren Semestern mehr Wert auf Präsenzveranstaltungen zu legen, um dadurch die mentale Gesundheit der Studierenden zu fördern.
Insgesamt fordert die bvmd, die teilweise entstandene Flexibilität des letzten Semesters zu erhalten und konsequent weitere innovative Methoden in den Lehrbetrieb aufzunehmen. Ein weiteres wichtiges Anliegen ist das Thema Planungssicherheit für die Studierenden – besonders in Bezug auf Prüfungen.
Quelle: Stellungnahme zur digitalen Lehre im Wintersemester 2020/21 (bvmd, 8.10.2020)