Absolventen befragt: Was kommt nach der Ärztlichen Prüfung?

Viele Absolventen der Ärztlichen Prüfung gehen ins Ausland oder wollen gar keine ärztliche Tätigkeit aufnehmen. Stimmen solche Behauptungen? Die seit 2009 laufenden Befragungen von Absolventen der Landesärztekammer Hessen gehen dieser und vielen weiteren Fragen auf den Grund.

Symbolfoto | INFINITY/Fotolia.com

Der Stabsstelle Qualitätssicherung Versorgungsmanagement und Gesundheitsökonomie der Landesärztekammer Hessen, die das Projekt in Kooperation mit dem Hessischen Landesprüfungs- und Untersuchungsamt durchführt, stehen mittlerweile Daten aus elf Befragungsdurchgängen zur Verfügung. Seit 2009 wird die Zielgruppe jährlich im Frühjahr und im Herbst befragt. Die Absolventen der Ärztlichen Prüfung in Hessen erhalten den Fragebogen zusammen mit ihren Examensergebnissen.

Die Fragen des teilstandardisierten Fragebogens, der kontinuierlich weiterentwickelt wird, befassen sich mit dem Verlauf des Studiums und den Plänen der Absolventen für ihre Weiterbildung. Die Daten aus dieser Erhebung werden ergänzt durch eine Befragung der Medizinstudierenden und weiteren Befragungsprojekten im Verlauf der Weiterbildung. Alle Ergebnisse sollen zusammen ein umfassendes Bild des ärztlichen Nachwuchses vom Beginn der Ausbildung, über den Einstieg ins Berufsleben, bis hin zum Abschluss der fachärztlichen Ausbildung bieten. Um eine Entwicklung der Angaben der Studierenden über diese Phasen zu gewährleisten, werden die Fragebögen pseudonymisiert, aber personenbezogen miteinander verknüpft.

Rückblick, Status quo und Ausblick

Die Absolventen der Ärztlichen Prüfung werden retrospektiv nach ihrer ursprünglichen Motivation zur Wahl des Studienfachs, zu ihren beruflichen Plänen zu Studienbeginn sowie zu ihren Erfahrungen während des Medizinstudiums befragt.

In einem zweiten Abschnitt geht es um den Blick in die Zukunft und den Weg in die Berufswelt:

  • Wollen Sie eine Stelle als Arzt antreten?
  • Welche Kriterien bei der Wahl des Arbeitgebers bzw. des Arbeitsplatzes ist Ihnen wichtig?
  • Welches langfristige Ziel verfolgen Sie nach Abschluss des Studiums?

Mehr weibliche Absolventen

Ein Blick auf die Soziodemografischen Daten zeigt, dass mit 63,5 Prozent zwischen 2009 und 2014 deutlich mehr Frauen als Männer (36,5 %) die Ärztliche Prüfung in Hessen abgeschlossen haben. Der Mittelwert der Altersstruktur liegt bei 27,5 Jahren, die Männer sind mit 28,1 Jahren etwas älter als die Frauen (27,2 Jahre). Die Absolventen stammen zum überwiegenden Teil aus Deutschland (95,5 %). Die Dauer des Studiums liegt bei durchschnittlich 13 Fachsemestern.

Warum haben sich die Absolventen zur Aufnahme des Medizinstudiums entschieden? Auf diese Frage gibt es eine deutliche Antwort: Die Spitzenplätze belegen allesamt Faktoren, die immaterieller Natur sind. Das wissenschaftliche bzw. medizinische Interesse (64,1 %), eine interessante und vielseitige Tätigkeit (61 %) und der Umgang mit Menschen (55,7 %) belegen die ersten drei Ränge. Ein hohes Sozialprestige (8,6 %), gute Karrierechancen (6 %) sowie die gute Bezahlung (5,7 %), landeten noch hinter dem Wunsch, einfach helfen zu wollen (32,7 %), einen sicheren Arbeitsplatz zu haben (24,3 %) und eine eigenverantwortliche Tätigkeit ausführen zu können (15,7 %).

Adäquate Vorbereitung auf die Ärztliche Tätigkeit

Ein weiterer Punkt betrifft die Relevanz des Studiums für die spätere Berufsausübung. Wie gut bereitet die Ausbildung auf die Praxis vor? Gute Bewertungen erhielten die Kompetenzen "Umgang mit Patienten", "Fähigkeit zur Teamarbeit", "breites Grundlagenwissen", "spezielles Fachwissen" und "Belastbarkeit". In diesen Kompetenzen sehen die Absolventen sich gut auf den beruflichen Alltag vorbereitet. Negativ fiel das Fazit in den Kategorien "psychosoziale Kompetenz", "Führungsqualitäten", "ökonomische Kenntnisse" und "praktische Fähigkeiten" aus.

Während des Studiums erwogen 18,3 Prozent der Absolventen einen Abbruch. Als Hauptgründe hierfür gaben sie die Unzufriedenheit mit der Perspektive als niedergelassener Arzt oder Arzt im Krankenhaus, die Überlastung während des Studiums, z.B. aufgrund der Prüfungen, und die Unzufriedenheit mit den Lehrinhalten an. Trotz dieser zwischenzeitlichen Zweifel bejahten 86,9 Prozent die Frage, ob sie das Medizinstudium noch einmal aufnehmen würden, mit "sicher". Mit "sicher nicht" antworteten nur 2 Prozent.

Frauen wollen nicht Chefarzt werden

Interessante geschlechtsspezifische Unterschiede gibt es im ambulanten Bereich. Mehr Frauen (9,2 %) als Männer (3,1 %) bevorzugen eine Anstellung. Chefarzt wollen 9,7 Prozent der Männer werden, allerdings nur 1,8 Prozent der Frauen. Die am häufigsten genannte Perspektive ist der Oberarzt, mit 34,9 Prozent bei den Männern und 33,3 Prozent bei den Frauen.

Die zuvor bereits in den Raum gestellte These, dass viele Absolventen keine ärztliche Tätigkeit aufnehmen wollen, stimmt nicht. Eindeutige 97,8 Prozent entscheiden sich für den Weg in Praxis oder Klinik. Ein Großteil möchte direkt nach Erhalt der Approbation eine Stelle antreten. Auch die massenhafte Abwanderung von Ärzten ins Ausland kann widerlegt werden. Auslandserfahrungen sind zwar sehr beliebt, doch von 31,9 Prozent, die sich ein Engagement außerhalb Deutschlands vorstellen können, rechnen lediglich 4,2 Prozent mit einer längeren Beschäftigung.

Fachrichtung: Innere Medizin sehr beliebt

Bei der Frage nach den beliebtesten Fachrichtungen steht die Innere Medizin an der Spitze, gefolgt von der Chirurgie, der Anästhesiologie, der Kinder- und Jugendmedizin und der Allgemeinmedizin. Als Gründe für ihre Entscheidung gaben die Absolventen das Interesse am gewählten Fachgebiet (eher Innere Medizin, Chirurgie) sowie die Vielfältigkeit der Tätigkeiten, das selbstständige Arbeiten und das enge Arzt-Patienten-Verhältnis (alle Allgemeinmedizin) an.

Dass das Berufsleben interessant und vielseitig ist, gaben die meisten Befragten (59,6 %) als wichtigstes Kriterium für den späteren Arbeitsplatz an. Auch die Weiterbildungsermächtigung der anstellenden Einrichtung (51,9 %) sowie das Angebot von Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten (43,3 %) ist vielen ein Anliegen. Weitere Nennungen sind die Einhaltung der Arbeitszeiten (42,5 %) und eine hohe Lebensqualität in Bezug auf den Standort (39,5 %).

Quelle: Bruchhäuser, Iris mit Silke Nahlinger und Roland Kaiser: 'Berufliche Pläne und Motive hessischer Absolventen der Ärztlichen Prüfung von 2009 bis 2014' in Hessisches Ärzteblatt, Ausgabe Mai 2015, S. 270 - 276.

Foto: INFINITY - Fotolia

Operation Karriere auf Instagram