Blog zum Medizinstudium: Blutspendeverbot in Deutschland

Bewerbung, richtiges Lernen, Physikum und Pflegepraktikum: Andrej Weissenberger gibt Tipps zu allen Themen, die Medizinstudenten bewegen. Selbst an der Universität Bonn eingeschrieben, sorgt er in seinem Blog regelmäßig für Einblicke in seine eigenen Erfahrungen. Teil 11: Blutspendeverbot in Deutschland.

Operation Karriere-Blogger Andrej Weissenberger

Hier bloggt Andrej Weissenberger über alles, was Medizinstudenten interessiert.

Nach schweren Unfällen oder terroristischen Anschlägen rufen Kliniken und Krankenhäuser häufig zum Blutspenden auf, da das Blut immer noch eine sehr knappe, aber extrem wichtige Ressource in der erfolgreichen Behandlung von PatientInnen ist.

Um Blut zu spenden, kann man in ein Krankenhaus oder in einen mobilen Blutspendewagen, die man vom Deutschen Roten Kreuz kennt, gehen. Dort muss man einige Fragebögen ausfüllen und ein Gespräch mit der diensthabenden Ärztin führen, in den allermeisten Fällen wird man direkt im Anschluss angezapft. Als kleine Aufwandsentschädigung gibt es kostenlose Getränke, manchmal auch Gutscheine oder kleine Geldbeträge.

Einige Personengruppen dauerhaft ausgeschlossen

Nach den derzeit gültigen Hämotherapie-Richtlinien der Bundesärztekammer sind allerdings einige Personengruppen als Blutspender dauerhaft ausgeschlossen. Dazu gehören Menschen, die sich während der BSE-Epidemie länger als sechs Monate im Vereinigten Königreich aufgehalten haben, die alkoholkrank, medikamentenabhängig oder rauschgiftsüchtig sind, aber auch Menschen, die aufgrund ihres Sexualverhaltens ein höheres Risiko haben, mit HVB, HCV oder HIV infiziert zu sein (z. B. MSM, Häftlinge oder Prostituierte).

Die zum Teil sehr emotional geführte Debatte über den dauerhaften Ausschluss von homo- und bisexuellen Menschen (um nicht diskriminierend zu wirken, hat man den Begriff „MSM: Männer, die Sex mit Männern haben“ eingeführt) kann man eigentlich mehrmals im Jahr irgendwo in den Zeitungen oder Talkshows verfolgen. Die Tatsache, dass das Blutspenden für MSM verboten ist, ist meiner Meinung nach immer noch nicht in der Gesellschaft angekommen.

Viele Tests nach der Blutspende

Nach einer Blutspende wird das Blut probeweise vielen Tests ausgesetzt. Es wird nach Hepatitis und HIV-Antikörpern gesucht, die je nach Menge auf eine entsprechende Infektion schließen lassen. Bei denjenigen Menschen, die gegen Hepatitis geimpft wurden, werden mit Sicherheit Hepatitis-Antikörper im Blut sein, allerdings in sehr geringen Mengen.

Sind die Tests alle negativ, so wird das Blut freigegeben, da mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit keine Ansteckungsgefahr für potenzielle EmpfängerInnen besteht. Dass ich von einer „sehr hohen Wahrscheinlichkeit“ schreibe, ist Absicht. Aufgrund der diagnostischen Lücke, die für das HI-Virus inzwischen sechs Wochen beträgt, ist man trotz des großen technischen Fortschritts nicht in der Lage, HIV nachzuweisen. Dies liegt in der Natur des Virus, die tatsächliche Dauer ist von Person zu Person unterschiedlich. Da Blutkonserven meistens nicht über sechs Wochen unbenutzt in einem großen Kühlschrank der Klinik liegen bleiben, besteht ein Risiko von 1 : 1.000.000, eine HIV-Infektion „übersehen“ zu haben.

Ist ein Test positiv, so wird der/die SpenderIn informiert und es werden weitere Tests gemacht, um eine ggf. falsche Diagnose auszuschließen. Das entsprechende Blut wird nicht zur Weiternutzung freigegeben und die Betroffenen auf Wunsch entsprechend therapiert.

Die meisten HIV-Infektionen durch Fremdbluttransfusionen stammen aus der Zeit von 1982 und 1985. Dies liegt vor allem daran, dass es um diese Zeit keine HIV-spezifischen Tests gab. Erst nach dem Anstieg der HIV-Infektionen führte man entsprechende Tests ein und schränkte die MSM-Gruppe im Blutspenden ein, da dessen MitgliederInnen rein statistisch häufiger HIV hatten bzw. haben als andere BlutspenderInnen. Seitdem feilte man an den Testverfahren, das Verbot wurde allerdings bis heute, auch nicht teilweise, aufgehoben.

Alternativen zu einem Ausschluss

Im Jahr 2015 gab es vom Europäischen Gerichtshof in Luxemburg eine Entscheidung zum Fall des Franzosen Léger, der sich durch das ebenfalls in Frankreich geltende Blutspendeverbot diskriminiert fühlte. Laut den Richtern ist ein Blutspende-Verbot für Homosexuelle gerechtfertigt, wenn es keine geeigneten Alternativen zu einem Ausschluss gebe. Als Alternativen könnte man etwa Testmethoden oder eine Befragung des Spenders zu riskantem Sexualverhalten verstehen.

Vor kurzem ist die Diskussion erneut aufgeflammt, da der Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) eine Lockerung des Verbots für MSM in einem Interview angedeutet hat. Sein Vorschlag ist ein zeitlich befristeter Ausschluss von der Blutspende, dem eine mehrmonatige Enthaltsamkeit vorausgehen soll. Ganz nach dem Vorbild einiger Länder wie den USA. Auf Nachfrage bei der Bundesärztekammer wertet derzeit eine gemeinsame Arbeitsgruppe des vom BMG eingerichteten „Arbeitskreis Blut“ sowie der Ständige Arbeitskreis „Richtlinien Hämotherapie“ des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer die aktuellsten medizinischwissenschaftlichen Daten, also auch das Urteil des EuGH, zur Blutspende aus. Mehr Informationen gibt es vom zuständigen Dezernat nicht.

Ergebnis offen

Es bleibt abzuwarten, zu welchem Ergebnis die Arbeitsgruppen kommen werden. Die Prüfung der Richtlinien läuft bereits mehrere Jahre, es kann also sicherlich nochmal so lange dauern, bis ein Ergebnis vorliegt. Auf der Basis der Erkenntnisse der Wissenschaftler sollen die „Erläuterungen und Regelungsoptionen zum Blutspende Ausschluss bzw. zur Rückstellung von Personen, deren Sexualverhalten ein Risiko für den Empfänger von Blutprodukten birgt“ aus dem Jahr 2012 aktualisiert werden.

Andrej Weissenberger (21) studiert Medizin in Bonn und wohnt in Köln. Derzeit befindet er sich im dritten vorklinischen Semester und bereitet sich auf sein Physikum im kommenden Jahr vor.

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