Wofür soll ich mich entscheiden? Diese Frage stellen sich viele Medizinstudierende am Ende ihres Studiums, wenn es darum geht, die passende Facharztrichtung zu wählen. Auch wenn man denkt, sich schon sicher zu sein, kann sich das ändern, weiß Gunnar Müller, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Klinikum Itzehoe. „Ich habe das ganze Studium darauf hingearbeitet, Kinderarzt zu werden“, erzählt er. Aber das zweite Tertial seines PJ habe er in der Unfallchirurgie gemacht, mit der er zuvor keine Berührungspunkte hatte. „In den vier Monaten haben sie mich völlig überzeugt und ich bin Orthopäde und Unfallchirurg geworden“, sagt der Mediziner. Seine Botschaft an die Studierenden: Sich umzuentscheiden, ist kein Karrierehindernis. „Schauen Sie, was Ihnen Spaß macht“, rät er. Seinem Instinkt zu folgen, sei der beste Weg.
Aber wie geht der Weg weiter, wenn man sich für eine Fachrichtung entschieden hat? „Dann steht die Wahl des richtigen Arbeitgebers an“, beschreibt Dr. Benjamin Waschki, Chefarzt Innere Medizin für die Klinik für Pneumologie, Infektiologie und Onkologie am Klinikum Itzehoe, die Situation. Wichtig sei dabei, sich Gedanken darüber zu machen, wo man sich in zehn Jahren sehe. Das helfe schon bei der Auswahl des Arbeitgebers im Hinblick auf die Größe des Klinikums. „Streben Sie eine Karriere als Ordinarius oder Ordinaria an, sollten Sie natürlich an eine Uniklinik gehen“, rät der Mediziner. Interessiere man sich langfristig für die Arbeit in der Praxis, sei ein kleines oder mittleres Krankenhaus die bessere Wahl.
Wichtige Fragen für die Wahl des Arbeitgebers
Doch damit sei es noch nicht getan, sagt Bianca Schirmer, Personalreferentin am Klinikum Itzehoe. Denn auf den ersten Blick könne man nicht erkennen, ob die Klinik als Gesamtpaket zu einem selbst passe. Wie ist die Atmosphäre? Wie ist das Zwischenmenschliche? Wie ist die Qualität der Weiterbildung? „Das finden Sie nicht im Vorstellungsgespräch heraus“, sagt Schirmer. Über Famulaturen und Hospitationen könne man am besten Eindrücke vom Haus und der Arbeitssituation erhalten, ergänzt Waschki. „Niemand kauft so die Katze im Sack. Sie nicht und wir auch nicht“, ergänzt Müller. In seiner Abteilung sei eine mindestens eintägige Hospitation Pflicht. Er rät den Studierenden, ins direkte Gespräch mit anderen Assistenzärztinnen und -ärzten während der Hospitation zu kommen. So erhalte man viel mehr Informationen zu Themen wie Überstunden, Rotationsplänen oder Fortbildungsbudget, als man im Vorstellungsgespräch bekomme. „Wenn Ihnen ein Arbeitgeber die Hospitation verweigert, wäre ich sehr skeptisch“, mahnt der Mediziner.
Natürlich solle man aber auch die Chance des Vorstellungsgesprächs nutzen. „Man sollte die Fragen stellen, die einem auf dem Herzen liegen“, rät Waschki. Es sei wichtig, offen seine Vorstellungen von der Stelle anzusprechen und zu besprechen. So funktioniere das Arbeitsverhältnis direkt vom ersten Tag an. Die Arbeitsmarktsituation sei momentan für Medizinstudierende besonders gut, beschreibt Müller die Situation. „Sie sind in der Position, Fragen oder auch Anforderungen zu stellen“, sagt der Chefarzt. Er zählt einige Qualitätsmerkmale auf, die eine gute Abteilung aufweisen sollte, und nach denen man im Vorstellungsgespräch fragen könne:
- Gibt es einen Assistentensprecher oder -sprecherin? Und ist er oder sie direkt im Vorstellungsgespräch dabei? Das zeuge von niedrigen Hierarchien und Mitspracherest der Assistenzärztinnen und Ärzte
- Gibt es ein Tutorensystem?
- Gibt es eine interne Weiterbildungsordnung?
- Wie groß ist das Fortbildungsbudget pro Mitarbeitendem pro Jahr?
- Wer macht den Dienstplan und Urlaubsplan? Wenn das alles der Chef oder die Chefin macht, spreche das eher für starke Hierarchien.
Offene Kommunikation in allen Bereichen
Ebenso rückt das Thema Teilzeit immer mehr in den Vordergrund. Wolle man seine Wochenstunden langfristig reduzieren, solle man das im Vorstellungsgespräch offen und ehrlich ansprechen. „Der Anteil an Teilzeitbeschäftigten, egal ob Männer oder Frauen, ist deutlich gestiegen“, sagt Schirmer. Am Klinikum Itzehoe gebe es in allen Bereichen viele Ärztinnen und Ärzte, die in den unterschiedlichsten Teilzeitmodellen arbeiten. In manchen Abteilungen sei Teilzeit einfacher umzusetzen als in anderen. „In der Inneren Medizin ist es wahrscheinlich am schwierigsten“, erklärt Waschki. Das begründe sich in der Stations- und Schichtarbeit. Da man die komplette Versorgung abdecken müsse, sei eine Teilzeitbeschäftigung für alle nicht durchführbar. Hier gebe es aber ein gutes Modell, in dem man beispielsweise drei Wochen voll arbeiten und anschließend eine Woche die Überstunden abfeiere.
Wer keine Teilzeit haben müsse, solle aber besser zunächst in Vollzeit beginnen, um richtig in den Beruf zu starten, sagt der Mediziner. Ein paar Jahre später könne man immer noch die Stunden auf beispielsweise 80 Prozent reduzieren. „Heutzutage muss man als Arbeitgeber einfach flexibel sagt“, erklärt Müller. Wenn man keine Teilzeit, Elternzeit oder Sabbatical ermögliche, stehe man sehr schnell allein da. Das sei den meisten auch klar.
„Offene Kommunikation ist immer wichtig“, sagt Kim-Laura Meyer, Assistenzärztin an der Klinik für Anästhesiologie am Klinikum Itzehoe, über den Berufseinstieg. Personen, die keine Fragen stellen würden, könne man auch nicht einschätzen. Nur wenn man wisse, was eine Person bereits könne oder nicht, könne man sie entsprechend einplanen. „Der erste Dienst ist immer aufregend, egal wann man ihn macht“, nennt sie ein Beispiel, bei dem man alle möglichen Fragen stellen solle, die einem die Situation erleichtern. „Brauche ich ein eigenes Kissen? Wie viel Essen soll ich mitnehmen? Wo ist eigentlich das Dienstzimmer?“, zählt sie mögliche Fragen auf. Das seien vielleicht Kleinigkeiten, machen aber einen großen Unterschied, um sich wohl zu fühlen.
Quelle: Vortrag „Tipps und Tricks für einen erfolgreichen Berufseinstieg“, Dr. Benjamin Waschki, Chefarzt Innere Medizin: Klinik für Pneumologie, Infektiologie und Onkologie; Gunnar Müller, Chefarzt Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie; Kim-Laura Meyer, Assistenzärztin Klinik für Anästhesiologie; Bianca Schirmer, Personalreferentin; Klinikum Itzehoe, Operation Karriere Hamburg, 12.05.2023