Was im Studium zu kurz kommt: Wichtige Infos zum Berufseinstieg

Was steht eigentlich im Arbeitsvertrag? Welche Rolle spielt der Tarifvertrag und wie erfahre ich, wie eine Klinik die Weiterbildungsinhalte genau vermittelt? Themen wie diese kommen im Studium oft zu kurz, sind für den Berufseinstieg aber wichtig. Timm Kaatz, Leiter Personalentwicklung, Recruiting und BGM an den Westküstenkliniken, sorgte in seinem Workshop beim Operation Karriere-Kongress für Klarheit.

© Stefanie Hanke

„Früher sagten Personaler nach einem Vorstellungsgespräch manchmal ‚Sie kommen in die engere Auswahl'. Heute sagen das die jungen Ärztinnen und Ärzte zu ihren potentiellen Arbeitgebern", verriet Kaatz zum Einstieg seines Workshops. Der Arbeitsmarkt habe sich gewandelt – zugunsten der Bewerberinnen und Bewerber.

Das bringe aber neue Herausforderungen mit sich: Für die Personalabteilungen sei es genauso schwierig, passende Kandidatinnen und Kandidaten für eine offene Stelle zu finden, wie für die jungen Ärztinnen und Ärzte, sich für einen passenden Arbeitgeber zu entscheiden.

Sich für eine Fachrichtung entscheiden

Nach dem Studium steht zunächst die Wahl einer Facharztrichtung für die Weiterbildung an. Mit viel Humor zeichnete Kaatz anhand eines Flussdiagramms mögliche Fragestellungen nach, die bei einer Entscheidung helfen können. Beispielsweise:

  • Magst du Menschen?
    • Eher weniger → Pathologie
    • Wärst du bereit, sie anzufassen?
      • Ja klar → Physikalische und Rehamedizin
      • Auf keinen Fall! → Psychiatrie

  • Magst du Kinder?
    • Ich liebe Kinder → Pädiatrie
    • Ja, in den ersten zwei Minuten ihres Lebens → Gynäkologie / Geburtshilfe
    • Nur wenn sie schlafen → Anästhesie

     

  • Wie wichtig ist dir Schlaf?
    • Ich liebe schlafen! → Anästhesie
    • Schlaf ist für Weicheier
      • Hast du ADHS?
        • HÄ?!? → Notfallmedizin
        • Weißt du immer noch nicht, was du machen sollst? → Innere Medizin

Die neue Weiterbildungsordnung

Wer mehr über den Ablauf einer bestimmten Facharzt-Weiterbildung erfahren wolle, sollte einen Blick in die jeweilige Weiterbildungsordnung der zuständigen Ärztekammer werfen, empfahl Kaatz. Bei der Wahl eines Arbeitgebers sei es außerdem wichtig zu erfahren, ob es in dem Haus eine vollständige Weiterbildungsermächtigung gebe. Wer beispielsweise eine chirurgische Weiterbildung in einem Haus ohne Kinderklinik absolvieren wolle, müsse später nochmal wechseln – denn für die Facharzt-Anerkennung sei auch Erfahrung im Bereich Kinderchirurgie nötig. Außerdem sei bei vielen Weiterbildungen ein halbes Jahr in einer Notaufnahme vorgeschrieben. Die gebe es in Fachkliniken aber nicht.

Wer nach Beginn der Weiterbildung noch in ein anderes Fach wechseln wolle, könne sich die Weiterbildungszeit in anderen Fächern unter Umständen anerkennen lassen, verriet Kaatz. Allerdings müsse man in einem Bereich mindestens drei Monate gearbeitet haben, um diese Zeit anerkennen zu lassen.

Außerdem gehören zu manchen Facharzt-Weiterbildungen auch bestimmte Kurse. Die werden nicht unbedingt von der Klinik bezahlt, seien aber oft sehr teuer. „Das sollte man unbedingt schon im Vorstellungsgespräch klären", empfahl der Wirtschaftspsychologe, „denn eigentlich gehört das zu einer vollen Weiterbildung dazu".

Nach der neuen Weiterbildungsordnung müssen die erbrachten Leistungen im E-Logbuch digital dokumentiert werden. Darin können sowohl die Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung als auch ihre Vorgesetzten eintragen, welche Kenntnisse und Fertigkeiten bereits erworben wurden. Der Schwerpunkt liege bei der neuen Weiterbildungsordnung nicht mehr auf der Zahl beispielsweise der ausgeführten Operationen, sondern darauf, ob die nötigen Fähigkeiten wirklich gelernt wurden. Das müsse dann von dem oder der Weiterbildungsbefugten bestätigt werden.

Das Curriculum der Weiterbildungsbefugten

Um bei den Ärztekammern als Weiterbildungsbefugte anerkannt zu werden, müssen Ärztinnen und Ärzte ein Curriculum ausarbeiten, nach dem die Weiterbildung bei ihnen ablaufen soll. Kaatz empfahl den jungen Ärztinnen und Ärzten, sich dieses Dokument anzusehen – spätestens am ersten Arbeitstag. Denn hier könne man im Detail nachlesen, was einen in welchem Abschnitt der Weiterbildung erwarte und was man wann lernen solle. „Bei uns im Westküstenklinikum haben wir die Curricula für die einzelnen Fachbereiche auch online gestellt", erklärte Kaatz. Das sei aber nicht bei allen Kliniken üblich. Im Zweifelsfall müsse man nachfragen.

Der Arbeitsvertrag

In vielen Kliniken seien die Arbeitsverträge nur etwa zwei Seiten lang, erklärte Kaatz. Der Grund: In Kliniken kommunaler Träger, aber auch in Universitätskliniken und bei einigen privaten Klinikkonzernen gebe es Tarifverträge, in denen viele Details festgehalten werden: Beispielsweise das Gehalt, die Arbeitszeit oder die Urlaubstage. Da sich der eigentliche Arbeitsvertrag auf diese Bestimmungen beziehe, sei er sehr kurz. In Kliniken ohne Tarifvertrag sei der Arbeitsvertrag entsprechend länger.

Voraussetzung, um als Arzt oder Ärztin arbeiten zu können, sei eine Ärztliche Approbation, Straffreiheit und eine entsprechende körperliche Verfassung. Das sei im Arbeitsvertrag vermerkt. Außerdem stehen dort Angaben zum Arbeitsort und der Befristung des Arbeitsverhältnisses für Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung. Denn mit Abschluss der Weiterbildung endet das Arbeitsverhältnis automatisch – die frischgebackenen Fachärztinnen und -ärzte bekommen dann einen neuen Arbeitsvertrag.

Generell gilt eine sechsmonatige Probezeit, in der beide Seiten das Arbeitsverhältnis schnell und unkompliziert kündigen können. Danach gilt das Kündigungsschutzgesetz – auch, wenn eine kürzere oder längere Probezeit vereinbart wurde.

Achtung! Doppelte Beitragszahlung

Alle, die in in Deutschland eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen, zahlen automatisch in die gesetzliche Sozialversicherung ein. Allerdings sind Ärztinnen und Ärzte auch Pflichtmitglieder beim Versorgungswerk der jeweiligen Ärztekammern. Die Konditionen hier seien in der Regel besser als bei der gesetzlichen Sozialversicherung, erklärte Kaatz. Damit man vom ersten Bruttogehalt nicht zweimal Beiträge zur Sozialversicherung abgezogen bekomme, müsse man sich von der gesetzlichen Versicherung aktiv abmelden. Das müsse man bei jedem Arbeitgeberwechsel erneut machen. Insgesamt habe man dafür drei Monate Zeit. Wer diese Frist versäume, bekomme sein Geld nicht zurück.

Quelle: Workshop Bewerbungstraining: So meisterst du den Berufseinstieg, Timm Kaatz, Wirtschaftspsychologe, Leiter Personalentwicklung, Recruiting und BGM, Westküstenkliniken Brunsbüttel und Heide, Operation Karriere Hamburg am 12. Mai 2023

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