Auf der Website washabich.de können Patienten ihre medizinischen Befunde einreichen und kostenlos in eine leicht verständliche Sprache übersetzen lassen. Die Übersetzer sind Medizinstudierende und Ärzte, die sich ehrenamtlich engagieren. Seit dem Start im Januar 2011 wurden bereits über 32.000 Dokumente übersetzt. Der Vorteil für die Patienten: Wenn sie ihre Erkrankungen verstehen, verhalten sie sich therapietreuer, stellen im Arztgespräch die richtigen Fragen und treffen gesundheitsförderliche Entscheidungen. Der Vorteil für Mediziner: Sie erlernen beim Übersetzten der Befunde eine patientenfreundliche Sprache und erfahren, wie dankbar die Patienten durch vergleichsweise wenig Aufwand sind. Wir haben mit dem Gründer von washabich.de, Ansgar Jonietz, gesprochen.
Herr Jonietz, gab es ein Schlüsselerlebnis, das dazu geführt hat, dass Sie sich der Verbesserung der Arzt-Patienten-Kommunikation verschrieben haben? Sind Sie selbst ausgebildeter Arzt?
Ich selbst bin Informatiker. Meine beiden Mitgründer Anja und Johannes Bittner haben als Medizinstudierende allerdings sehr oft die Erfahrung gemacht, dass sie von Freunden oder Bekannten gebeten wurden, deren medizinische Befunde zu erklären. Wir haben uns gefragt: Was machen eigentlich diejenigen, die keinen Mediziner im Bekanntenkreis haben? So entstand die Idee zu „Was hab‘ ich?“. Innerhalb von vier Tagen haben wir die Website online gestellt, nach 12 Minuten kam der erste Befund. Wir haben dann schnell gemerkt, dass der Bedarf nach leicht verständlichen Gesundheitsinformationen sehr groß ist und aus der Idee wurde ein gemeinnütziges Unternehmen mit mittlerweile mehr als 1.600 Medizinern, die sich bislang ehrenamtlich bei uns engagiert haben.
Der Sitz ihrer gemeinnützigen GmbH ist in Dresden, können Studierende auch aus anderen Städten mitmachen?
Unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter kommen aus ganz Deutschland und dem deutschsprachigen Ausland. Da alles digital stattfindet, sowohl die Einsendung der Befunde als auch das Erstellen der Übersetzungen, ist das Ehrenamt bei uns zeitlich und örtlich absolut flexibel.
Medizinstudierende, die Befunde allgemeinverständlich übersetzen, schulen ihre Kommunikationsfähigkeiten. Wie profitieren sie noch?
Zunächst einmal erhält jeder neue Ehrenamtler eine intensive Kommunikationsausbildung durch unsere hauptamtlich angestellten Ärzte.
In unserer letzten Team-Befragung gaben 100 Prozent der Medizinstudierenden an, mit „Was hab‘ ich?“ ihre Fähigkeit zu laienverständlicher Kommunikation verbessern zu können. Unsere Kommunikationsausbildung bieten wir seit 2014 auch als Wahlfach an Universitäten an. Für viele der ehrenamtlichen Mitarbeiter ist aber außerdem sehr relevant, dass sie sich auch fachlich weiterbilden können. Denn wer einen hochkomplexen medizinischen Text leicht verständlich erklären möchte, muss ihn selbst komplett verstanden haben. Durch die Vielfältigkeit der Befunde kann und muss man sich außerdem immer wieder in neue Themenfelder einarbeiten.
Gleichzeitig ist aber auch die Dankbarkeit der Patienten für viele eine unwahrscheinlich große Motivation. Etwa 90 Prozent unserer Nutzer melden sich zurück und beschreiben oft, wie sehr ihnen die Übersetzung geholfen hat. Dass man mit einer Erklärung nur eines Befundes einem Patienten so sehr dabei helfen kann, seiner Erkrankung bewusster entgegenzutreten, ist für unsere Mediziner oft der größte Ansporn, sich teilweise mehrere Stunden lang an eine Befund-Übersetzung zu setzen.
Können Sie uns beispielhaft einen Satz aus einem Befund in eine patientengerechte Sprache übersetzen?
"Zystische Raumforderung im IV. Segment."
Eine zystische Raumforderung ist ein flüssigkeitsgefüllter Hohlraum im Gewebe. Man kann sich das wie eine Blase vorstellen. Man kann die Leber in verschiedene Abschnitte einteilen. Die Abschnitte heißen Segmente. Bei Ihnen ist die Blase im vierten Abschnitt. Der vierte Abschnitt befindet sich eher mittig in der Leber.
Haben Sie vor Ihr Angebot inhaltlich und/oder geographisch auszuweiten?
Anfang des Jahres haben wir mit washabich.ch eine eigene Plattform für Schweizer Patienten veröffentlicht. Aus vielen Gesprächen wissen wir, dass die Nachfrage in vielen Ländern groß ist. Auch innerhalb von Deutschland können wir uns gut vorstellen, die Erklärungen in anderen Sprachen anzubieten, um auch denen zu helfen, die kein Deutsch sprechen.
Außerdem möchten wir unsere Kommunikations-Ausbildung an möglichst vielen Universitäten durchführen, um noch mehr Mediziner zu erreichen.
Denn ein Medizinstudierender, der für patientenfreundliche Kommunikation sensibilisiert wurde, führt hoffentlich sein ganzes Berufsleben lang bessere Patientengespräche.
Unsere Vision ist es, Arzt und Patient auf Augenhöhe zu bringen. Darum arbeiten wir außerdem an leicht verständlichen Entlassbriefen. In direkter Zusammenarbeit mit Kliniken erstellen wir als Dienstleister aus deren Arztbriefen sogenannte "Patientenbriefe". Wir möchten, dass zukünftig jeder Patient, der aus einem Krankenhaus entlassen wird, individuelle, leicht verständliche, schriftliche Gesundheitsinformationen mit nach Hause nehmen kann.
Herr Jonietz, vielen Dank für die Antworten.