Was ist nötig, um sich als Neuling im Klinikalltag zurechtzufinden? Fachwissen und -kompetenz, Arbeitserfahrung sowie handwerkliche und wissenschaftliche Fähigkeiten. „Das ist die Basis, die sich jeder erarbeiten muss, aber auch andere, fachunabhängige Aspekte müssen beachtet werden“, so Dr. med. Ulrike Schlein, Geschäftsführung, Organisations- und Personalentwicklung im Gesundheitsbereich, Bad Wildungen. In ihrem Vortrag „Kommunikation für Ärzte – Tipps für den erfolgreichen Start in den Beruf“ beim Operation Karriere-Kongress Mitte Februar in Frankfurt spielte sie vor allem auf die Selbstorganisation der jungen Kollegen an. Viele Berufseinsteiger hätten im PJ und in Famulaturen wenig strukturierte Gelegenheit, selbst kleine Verantwortungsbereiche zu übernehmen, so Schlein. Leider bleibe eine gute Einführung durch die erfahrenen ärztlichen Kollegen nicht selten aus.
Wie schaffe ich den richtigen Einstieg?
Wie kann man dennoch als Berufsanfänger erfolgreich und handlungsfähig sein? „Zunächst sollten Sie keine Rezepte suchen, sondern um eine reflektierte Haltung und Klarheit in der beruflichen Rolle ringen. Zweitens: Bringen Sie die Fähigkeit und die Bereitschaft zum Perspektivwechsel mit. Zudem verlieren Sie das eigene Ziel nicht aus den Augen, berücksichtigen aber auch die Interessen des Gegenübers und des Systems, wie zum Beispiel der Klinik“, erklärte Schlein.
„Wer bin ich als junger Assistenzarzt im System Klinik?“
In Krankenhäusern treffen laut Schlein unterschiedliche Rollenpartner aufeinander, die sehr verschiedene Erwartungen aneinander haben als Arbeitskollegen und auch als nachgeordnete Mitarbeiter bzw. Führungskräfte. Diese Erwartungen richteten sich dabei weniger an die Persönlichkeit des Einzelnen als viel mehr an seine Position und die damit verbundenen Aufgaben, etwa in einer Klinikabteilung. Ein Beispiel: Ein junger Assistenzarzt ist vor allem in der ersten Zeit seiner Ausbildung jemand, der lernen muss, wie eine Station zu führen ist. Den Kontakt mit Patienten und Angehörigen sinnvoll zu gestalten, die Zusammenarbeit mit den Pflegekräften besonders an den Schnittstellen abzustimmen, sich wechselseitig zu informieren, Prioritäten im Arbeitsablauf zu setzen, Notfallsituationen als solche zu erkennen und so weiter. Gleichzeitig hat der junge Assistenzarzt natürlich auch ein Interesse an seiner medizinischen Weiterentwicklung und möchte gern mehr Zeit im OP, in der Diagnostik oder anderen Positionen eingesetzt werden.
„Das heißt, dass sein Selbstverständnis in der beruflichen Rolle nicht unbedingt kongruent ist mit den Vorstellungen seiner Gegenüber. Wenn er sich die Frage stellt: „Wer bin ich im System?“, so lautet die Antwort: „Weiterbildungsassistent und Mitarbeiter“, so Schlein. Er ist also quasi in einer Doppel-Rolle unterwegs. „Hier muss man stets einen guten Mittelweg finden, um einen Ausgleich zu schaffen und somit sowohl dem Wunsch nach dem eigenen Fortkommen als auch den systemimmanenten Interessen gerecht zu werden“, sagte Schlein.
„Bereitschaft zum Perspektivwechsel mitbringen"
Ein häufiges Konfliktfeld ist die Zusammenarbeit mit den Pflegekräften auf den Stationen oder im Funktionsbereich. Schlein empfiehlt eine möglichst große Offenheit und ein wertschätzendes Interesse gegenüber der Arbeit der anderen Berufsgruppe „Welche besonderen Schwerpunkte legen die Pflegekräfte auf unserer Station? Wie sind ihre spezifischen Zeitabläufe, wie kann ich als Arzt versuchen, mich darauf einzustellen? Wann und mit welcher Fragestellung darf ich z.B. die Übergabe der Pflegekräfte stören? Welche Informationen benötigen die Krankenschwestern von mir, welche kann ich von ihnen gut gebrauchen?“. Jeder müsse seinen eigenen Beitrag zur Klärung von Wünschen und Erwartungen zur Zusammenarbeit leisten. Durch eine Herangehensweise z.B. mit der Frage „Wie können wir miteinander umgehen? Was brauchen Sie von mir? Was ich von Ihnen?“ finde eine Interessenverhandlung statt, bei der jeder die Bereitschaft zum Perspektivwechsel mitbringen müsse. Beziehe man sich auf die berufliche Rolle und nicht auf die Persönlichkeit des Gegenübers, so seien mögliche Interessenskonflikte mit deutlich weniger Emotionen zu führen. Das erleichtere vieles!
Lernwilligkeit signalisieren
Oberärzten und auch erfahrenen Kollegen solle man beispielsweise signalisieren, dass man lernen und verstehen wolle, Erwartungen in der Zusammenarbeit sollten bei passender Gelegenheit geklärt werden. „Bei welchen Fragestellungen oder Situationen im Nachtdienst möchten Sie von mir als jungem Assistenten informiert werden, wie wünschen Sie sich die Aufbereitung der Informationen, was ist für Sie wichtig?“ und umgekehrt natürlich auch: „Was wünsche ich mir z.B. in den Nachtdiensten von meinem Oberarzt?“ – Verbindlichkeit untereinander durch Handlung zum Ausdruck bringen. „Das hilft“, riet Schlein.
Für Patienten können auch Berufseinsteiger eine „Lotsen-Funktion“ während des stationären Aufenthaltes übernehmen. „Man muss noch nicht alles wissen, aber die Fragestellung oder das Anliegen eines Patienten durch aktives Zuhören erfassen, die Fachleute befragen und als verlässliche Ansprechpartner dem Patient und seinen Angehörigen die Informationen erklären, ihnen Orientierung geben, auch hier Verbindlichkeit zeigen. Das unterstützt eine positive Autorität in der Rolle, obwohl jemand noch jung an Jahren ist.“ Als erfahrene Fachärztin für Chirurgie möchte Frau Dr. Schlein für eine strukturierte Entwicklung in der Rolle werben und behandelt dieses Thema auch sehr intensiv in den Workshops, die sie bei den Kongressen und auch in Kliniken durchführt.
Quelle: Operation Karriere Kongress 2016, Frankfurt/Main, Vortrag „Kommunikation für Ärzte - Tipps für den erfolgreichen Start in den Beruf", Referentin: Dr. med. Ulrike Schlein, Geschäftsführung, Organisations- und Personalentwicklung im Gesundheitsbereich, Bad Wildungen, www.dr-schlein.de